Die Spur der toten Kinder… - Anmerkungen zum Kamener Jugendhilfe Fall Daniela Sievers
von RA Kaya Gerçek - AnwaltVerein Kamen
Kamen. Daniela S. hat ihre Kinder wieder bei sich. Die Kindesmutter ist an Krebs erkrankt. Sie wurde über Jahre vom örtlichen Jugendamt unterstützt und begleitet. Weil sie dieser Unterstützung überdrüssig war und auch keine Familienhilfen mehr wollte, kündigte sie die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt auf. Das Jugendamt war in Sorge, ob es den Kindern gut gehe. Daniela S. verweigerte Informationen zu ihrem Gesundheitszustand und lehnte jeglichen Kontakt zur zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamtes ab. Das kann aus den Presseveröffentlichungen geschlossen werden. Das Jugendamt hat das Wohl und die Interessen der Kinder im Blick. Das Jugendamt haftet in diesen Gefährdungsfällen für das Leben und die Gesundheit der Kinder. Es folgt der Spur der toten Kinder. Man stelle sich vor, eines der Kinder von Daniela S. wäre durch mangelnde Fürsorge verletzt oder gar gestorben. Mit gleicher Aufgeregtheit und öffentlichem Zorn wären die Mitarbeiter des Kamener Jugendamtes belegt worden. Der „shitstorm“, der nach den ersten Presseberichten auf die Mitarbeiter des Jugendamtes Kamen und auch der übrigen Stadtverwaltung nieder ging, kann deshalb nicht nachvollzogen werden. Gefährdungslagen sind nicht immer mit Sicherheit festzustellen. Wenn, wie in diesem Fall, eine mehrjährig betreute Mutter den Kontakt abbricht und die häusliche Situation der Kinder deshalb unklar bleibt, muss gehandelt werden - im Zweifel immer für die Kinder! Die Rolle von Anwälten in Kindschaftssachen ist deshalb nicht immer einfach und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Anwälte sind in der Regel die Interessenvertreter der betroffenen Eltern, jedoch wissen Sie, dass in diesem Verfahren es allein um das Wohl der Kinder geht. Es kam und kommt immer wieder im Rahmen solcher Verfahren zu Konflikten zwischen den beteiligten Juristen, Sozialarbeitern, Pädagogen, Psychologen. Deshalb hat der Kamener Anwaltverein zusammen mit den Jugendämtern der Städte Bergkamen und Kamen, den örtlichen Familienrichtern und den familienpsychologischen Sachverständigen am 03.02.2006 (!) einen Arbeitskreis gegründet der den Namen „Kamener Praxis“ trägt. Die Beteiligten haben sich seinerzeit an ein Modellprojekt angelehnt, dass als „Cochemer Modell“ sogar Eingang in das Familienrecht fand. Es werden typische Verläufe bei Konflikten und mögliche Interventionsmöglichkeiten z.B. durch Richter, Verfahrenspfleger, Rechtsanwälte und Jugendamtsmitarbeiter erörtert. Die Sensibilität für die vorherrschenden Konfliktmuster sowie für die damit verbundenen optimalen Hilfen steigt. Im Falle der Daniela S. wären ihr die Kinder nicht weggenommen worden, wenn sie die gewünschten Informationen sofort geliefert hätte und auch die ihr angebotenen Hilfen angenommen hätte. Unter dem Druck
des familiengerichtlichen Verfahrens hat sie dies schließlich doch zugelassen. Daniela S. hätte sich und auch Ihren Kindern diesen Stress ersparen können. Für die Anwältin und den Anwalt ist der Wunsch und der Wille des Mandanten sein Himmelreich. Nur so kann man sich erklären, dass Daniela S und ihre Kinder im Fernsehen und in der Zeitung mit vollem Namen und ungeschützt vor Wiedererkennung auftraten. Die Unterstützung der Medien, interessanterweise nicht aller, hat zum Ausgang des familiengerichtlichen Verfahrens keinen Einfluss gehabt, auch wenn die jetzt so tun. Es war zwangsläufig, dass die Kinder in ihren Haushalt zurückkehren, wenn sie die geforderten Informationen erteilt und auch wieder Familienhelfer zulässt. Daniela S. ist berühmt – ganz Kamen kennt sie. Jeder weiß jetzt, dass sie gesundheitliche Probleme hat, vom Jugendamt betreut wird und wie ihre Kinder
aussehen. Dass ihr das helfen wird, darf bezweifelt werden. Der Fall Daniela S. ist ein Beispiel dafür, wie man mit persönlichen Informationen in der Öffentlichkeit nicht umgehen sollte.
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