Verkommt die City zum sozialen Brennpunkt?
von Alex Grün
Kamen. Ist die Kamener Innenstadt auf dem Weg zu einem sozialen Brennpunkt? Es gibt Menschen, aus deren Sicht dieser Weg schon lange eingeschlagen ist.
Prügeleien, Jagd auf Frauen mit entblößtem Geschlechtsteil, offener Drogenkonsum, angepöbelte Passanten - die Liste der asozialen Vorkommnisse der letzten Wochen ist lang. Vielen stinkt's einfach nur noch: Den Wirten, die zu Recht die geschäftsschädigende Wirkung fürchten, die Bürger, die sich aus Furcht vor Übergriffen am vorletzten Wochenende kaum noch auf den Frühlingsmarkt trauten, und natürlich die Anwohner. Die Ereignisse der letzten Wochen rund um den Markt riefen nicht nur den Protest der Wirte auf den Plan, auch ein ehemaliger Schulsozialarbeiter und Marktanwohner meldete sich in einem Brandbrief bei Bürgermeisterin Elke Kappen zu Wort und der Vorsitzende der Kamener Senioren-Union Ernst-Dieter Standop merkt an, dass der Markt schon in einer Bürgerbefragung der Kreispolizei aus dem Jahr 2000 als Angstraum eingestuft worden sei. Als angstauslösende Fakten seien schon damals "lärmende und gewaltbereite Jugendliche, Alkoholkonsum, Betrunkene sowie ausländische junge Männer" genannt. "An dieser Situation scheint sich seit fast 20 Jahren nichts geändert zu haben", so Standop. Die Frage, ob der neue Kiosk an der Ecke Marktstraße, der als Ausgangspunkt für zahlreiche aktuelle Pöbeleien ausgemacht wurde, verantwortlich gemacht werden kann, stellt sich die Polizei deshalb zurecht: Aufgrund der exponierten Lage werden dort lediglich die Symptome sichtbar, die Ursachen sieht Michael Lowey woanders. Der ehemalige Sozialarbeiter an der städtischen Hauptschule und frühere Marktanwohner veröffentlichte jetzt auf Facebook einen medienwirksamen Brief an Bürgermeisterin Elke Kappen. Detailliert beschreibt Lowey, der zufällig vor Ort war, die aktuellen Ereignisse rund um Markt und Weststraße, die die Tassen zuletzt hochgehen ließen. Mit Blick auf die offensichtlich hohe Beteiligung von Migranten an den Übergriffen macht er die "verheerende Flüchtlingspolitik" der Bundesregierung verantwortlich. Deren Korrektur könne "nicht durch die Bürger erfolgen", schreibt Lowey. Sie müsse "von den öffentlichen Institutionen (...) mit der Möglichkeit des Remonstrierens ausgeschöpft werden". Wenn die Stadt nicht im Schulterschluss mit der Polizei konsequente Platzverweise durchsetze und Verstöße entsprechend sanktioniere, werde das Geschehen "völlig entgleisen", ist Lowey überzeugt. Der Brief schlug über Facebook mittlerweile bundesweit Wellen, so dass er mittlerweile zu Loweys eigenem Bedauern auf der AfD-nahen Homepage "Jouwatch" erschien, wobei dort seine langjährige SPD-Mitgliedschaft hervorgehoben wird, die mit der Problematik wenig zu tun haben dürfte. Der türkische Kiosk hat mittlerweile seine Öffnungszeiten reduziert und seine Außenbestuhlung abgebaut und die Polizei hat angekündigt, die City künftig verstärkt im Auge zu behalten. Michael Lowey nützt das jetzt nur noch wenig: Er selbst hat längst vor den Zuständen vor seiner ehemaligen Haustür kapituliert und ist mit seiner Familie vom Markt in eine ruhigere Gegend gezogen. Eine Antwort von Bürgermeisterin Kappen hat er bisher noch nicht bekommen, was er - ohne Häme - aber auch nicht erwartet habe: Der Brief stehe schließlich stellvertretend für alle Anlieger der Kamener City.
Archiv: Tägliche Poser und nächtliche Raser im Fokus der Polizei