Kamener Stadtpflanzen - Folge 68: Große Blüten, gewaltige Büsche: Die Armenische Brombeere

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

SP68oAusgedehnte Gebüsche der Armenischen Brombeere
 
von Dr. Götz Loos
 
SP68mBlütenstand der Armenischen Brombeere (Rubus armeniacus)Kamen. An Brombeeren gibt es in Kamen mehrere dutzend Arten. Obwohl ich über die Jahre in der regionalen Presse immer darüber erzählt habe und in dem vor Jahren mit meinem Vater bei der Stadt Kamen veröffentlichten Büchlein "Landschaft und Lebewelt in Methler" eine ausführliche Abhandlung der dortigen Brombeerarten gegeben habe, werde ich immer noch erstaunt angesprochen, wenn ich darüber etwas sage. 
 
Die Ursache liegt in der Fortpflanzungsweise, der fakultativen Agamospermie (siehe unten "Der Begriff"), nebst nachfolgendem Ausbreitungsverhalten. Jedoch sind nicht alle Arten in unserer Region oder in Mitteleuropa entstanden. Die häufigste Art, wenigstens außerhalb der Wälder, und ohnehin im Siedlungsraum Mitte, stammt aus dem Kaukasus. Es ist die Armenische Brombeere (Rubus armeniacus), ein als Obstpflanze in den Gärten kultiviertes Gewächs. 
 
Diese Brombeerart ist 1860 zur Kultur eingeführt worden und war viele Jahrzehnte verbreitet in Gartenkultur. Ihr wucherndes Wesen machte sie jedoch unbeliebt - und so wurde sie im Garten nach und nach durch andere Brombeeren ersetzt. Heute sieht man nur noch vereinzelt offenkundig gepflanzte Bestände; viele Gartenvorkommen der letzten Jahrzehnte sind Selbstansiedlungen. Vielfach schon in den 1980er Jahren verwildert und eingebürgert vorhanden, setzte bald darauf eine massive, bis heute anhaltende Ausbreitung ein. Die Art ist ein invasiver Neophyt, der für den Naturschutz und für geregelte Flächennutzungen zum Problem werden kann.
 
Andererseits ist sie unter unseren Brombeeren diejenige Art mit den größten, in der Regel wohlschmeckendsten Früchten und wird oft beerntet. Allerdings muss man sich vorsehen: Die großen, relativ dicht sitzenden Stacheln können nicht nur unangenehm stechen, sondern in den überaus hochwachsenden, ausgedehnten Gebüschen, die diese Art mehr als andere ausbildet, kann man sich zudem sehr leicht verfangen. Solche Gebüsche gibt es an etlichen Stellen in Kamen-Mitte, sehr umfangreich unter anderem an den alten Zechenbahnen und entlang der Bahnstrecke, auch am Bahnhof. Neuansiedlungen mit zunächst kleinen Pflanzen sieht man nahezu überall, von Straßenrandbeeten bis hin sogar zu Pflasterfugen.
 
Generell bietet die Armenische Brombeere viele Superlative: Die Blüten mit ihren überwiegend hellrosa Kronblättern sind bei optimaler Entwicklung fast so groß wie Wildrosenblüten, die Blätter erreichen Längen wie zwei Handflächen aneinander gelegt. Auffällig sind die weißfilzigen Unterseiten der Blättchen (das gibt es jedoch bei einer Reihe von Arten) sowie die rotfüßigen Stacheln auf grünem Untergrund - in Vollsonne sind sie wie die Schößlinge aber meist ganz rot. Die Schößlinge selbst, die blütenlosen erstjährigen Triebe, können Stärken erreichen wie die Ärmchen kleiner Kinder. Dadurch gewinnt diese Art eine ganz enorme Konkurrenzstärke.
 
Der Begriff: Agamospermie
Hierbei handelt es sich um eine Form asexueller Fortpflanzung. Das Thema ist etwas komplizierter, so dass vereinfacht gesagt werden kann: Es ist Samenbildung ohne Befruchtung. In der Folge entstehen Nachkommen, die wie eineiige Zwillinge der Mutterpflanze sind - oder biologisch korrekter: Es sind Klone der Mutter. Diese Fortpflanzungsweise existiert als eine unter vielen bei nicht wenigen Pflanzengattungen. Völlig agamosperm sind die meisten Arten der Gattung Löwenzahn bei uns. Bei den Brombeeren herrscht fakultative Agamospermie vor, d.h. ab und zu bilden sich bei manchen Brombeerarten empfängnisfähige Eizellen in den Fruchtknoten der Blüten (gehört zu deren weiblichen Geschlechtsorganen) aus. Spenderfähige Pollen (aus den Staubblättern, den männlichen Geschlechtsorganen der Blüten) bilden fast alle Brombeerarten ohnehin noch aus. Bei einer dann auftretenden sexuellen Fortpflanzung zweier Brombeerarten mittels Bestäubung entsteht eine Kreuzung, eine Hybride. Wird diese asexuell und breitet sich mit ihren Merkmalen aus, ist eine neue Art entstanden.
 
SP68uSchößling mit Blättern der Armenischen Brombeere am Krankenhaus

Kamener Stadtpflanzen - Folge 67: Selbständig werdende Pracht: Die Breitblättrige Platterbse

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

SP67oBreitblättrige Platterbse an der Koppelstraße
von Dr. Götz Loos
 
SP67mFrüchte (Hülsen) der Breitblättrigen PlatterbseKamen. Große Schmetterlingsblüten, meist von atemberaubender leuchtend purpurner Farbe, an einer rankenden Pflanze (die Ranken vorn an den gefiederten Blättern) mit breiten Flügeln an Stängeln und Blattranken - diese Erscheinung kann man schon seit Jahren in Kamen-Mitte an einzelnen Stellen beobachten. Aber in jüngster Zeit nimmt die Zahl der Fundorte deutlich zu und die bereits vorher vorhandenen Bestände breiten sich vor Ort mitunter stark aus.
 
Dieser Schmetterlingsblütler ist die Breitblättrige Platterbse (Lathyrus latifolius), eine süd- bis osteuropäischen Pflanzenart, welche in der südlichen Schweiz und in Ost-Österreich ihre nächsten heimischen Vorkommen aufweist. Im Volksmund heißt sie auch "Wicke", "Staudenwicke", früher vermehrt zudem "Bukettwicke". Die Verwandtschaft mit Wicken ist da (belegt durch Untersuchungen am Erbgut, der DNA), doch werden die Platterbsen traditionell unterschieden - und es macht Sinn, eher sie und die Wicken auf mehrere Gattungen zu verteilen als sie alle zusammenzufassen. Die einjährige "Wicke" der Gärten ist übrigens ebenfalls eine Platterbse.
 
Die Breitblättrige Platterbse ist schon sehr lange in Gartenkultur als Zierpflanze und erfreute sich im 18. Jahrhundert extremer Beliebtheit. Doch hat sie durchgehalten und findet sich bis heute kultiviert in Gärten, nur nicht mehr so häufig. Die vorhandenen Gartenvorkommen reichten und reichen jedoch für Verwilderungen aus, manchmal gibt es unmittelbare Garten-"Ausbrüche". Gelegentlich keimen auch Pflanzen aus beseitigten abgestorbenen, trockenen Exemplaren, die mit Gartenabfällen ausgebracht werden - sofern noch Früchte und Samen an den Pflanzen sind.
 
SP67uHellkronige Form der Breitblättrigen Platterbse (Lathyrus latifolius)Herrscht auch die typische Form mit den erwähnten purpurfarbenen Kronen vor, so gibt es mehrfach Bestände, bei denen zusätzlich hellkronige Typen (weißlichrosa, z.T. fast weiß) vorkommen (z.B. im Norden Kamens an der Münsterstraße), vereinzelt gibt es solche ausschließlich an einem Wuchsort. Äußerst selten sieht man Pflanzen farblich zwischen den beiden genannten Farbtypen.
 
In Kamens Siedlungen in Mitte wie drumherum und überhaupt hat die Zahl der Vorkommen befeutend zugenommen, wenn die Art hier auch noch nicht als häufig bezeichnet werden darf, sondern eher als zerstreut. Von Gartenrändern, Gebüschsäumen, Hecken bis hin zu Brachen, Straßenrandbeeten und Böschungen existiert eine Palette an Standorten - und es ist wohl noch nicht ausgemacht, ob die Platterbse sich überall halten wird. Die Ausbreitungen vor Ort beweisen dennoch oft Einbürgerungen, zumal sich die Art teilweise seit Jahrzehnten an solchen Stellen festgesetzt hat.
 
Der Begriff: Schmetterlingsblüte
Die Schmetterlingsblüte ist charakteristisch für die Gattungen und Arten der Familie Schmetterlingsblütler (Fabaceae), die auch als Hülsenfrüchtler bekannt ist. Zu dieser Familie gehören wichtige Nutzpflanzen wie Bohnen, Erbsen und Kichererbsen, aber auch Klee, Lupinen etc. 
Typisch für die Schmetterlingsblüte ist die Dreiteilung der Krone in eine obere "Fahne", zwei seitliche "Flügel" und das meist nach vorn gerichtete, meist wie ein Kahn geformte "Schiffchen", das aus zwei verwachsenen Kronblättern besteht, unten.

Kamener Stadtpflanzen - Folge 66: Kletternder Invasor: Die Weiße Waldrebe

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

SP66oWeiße Waldrebe (Clematis vitalba), eine Gartenrandhecke an der Grillostraße einhüllend
von Dr. Götz Loos
 
SP66Blütenstand der Weißen Waldrebe am Unkeler WegKamen. Wenn man Lianen sehen wollte, wie sie Tarzan im Dschungel zur Fortbewegung benutzt hat, musste man früher zunächst in den Bönener Mergelbergwald oder in den Overberger Busch gehen. Dort hingen und hängen sie wie lange, dicke Seile von den Baumkronen herab und zeigen eine enorme Zugfestigkeit, auch wenn sie außen wie zerfasert aussehen. Die Rede ist von den windenden Sprossen der Weißen Waldrebe (Clematis vitalba) aus einer der wenigen verholzenden Gattungen der Hahnenfußgewächse. Eine Reihe von weiteren Arten und Kreuzungen findet sich bei uns als Zierpflanzen und zur Begrünung kultiviert (meist eingedeutscht als "Clematis").
 
Ab Ende der 1980er Jahre begann die Weiße Waldrebe eine Ausbreitung, die weiterhin erfolgt. Aus den Wäldern auf basenreichen Böden heraus erfolgte eine Ansiedlung anfangs vorwiegend auf Bahngelände. Inzwischen ist sie zu vielerorts zur charakteristischen Stadtpflanze geworden, standörtlich fast Alles bewohnend, was sich ihr bietet, sogar Pflasterritzen und Kellerlichtschächte; in Gärten dringt sie ebenfalls selbständig vor und wird dort nicht selten wenigstens in den Randhecken geduldet. So finden wir diese Pflanze in Kamens Siedlungsbereichen in Mitte an zahlreichen Stellen und - wie gesagt - standörtlich fast alles Denkbare besiedelnd.
 
Die cremeweißen (bis schwach gelblichen) Blüten fallen durch zahlreiche Staub- und Fruchtblätter auf. Später bilden sich aus den federartig behaarten, schwanzförmig verlängerten Griffeln die Anhängsel der Früchte, die für deren Ausbreitung sorgen. Allerdings sind starke Winde dazu nötig, da die Früchte verhältnismäßig schwer sind. Deshalb sind diese Gebilde auch noch klebrig und können so durch eine Art Klettausbreitung ebenfalls fortgebracht werden. Aufgrund der halbkugeligen Form der Fruchtstände mit den behaarten, fransigen Fruchtanhängseln wird die Pflanze im Volksmund als Perückenstrauch bezeichnet. 
 
Einmal angesiedelt, kann die Weiße Waldrebe eine verblüffende Wüchsigkeit entfalten und hüllt die als Stütze benutzten Sträucher und Bäume manchmal bis oben hin ein oder überwuchert sie regelrecht, so dass diese durchaus niedergedrückt oder sogar zum Zusammenbrechen gebracht werden können. Die Weiße Waldrebe ist als heimische invasive Pflanzenart mit allerdings lediglich örtlicher Schadwirkung einzustufen. Wo sie als heimisch oder als Neophyt bewertet werden kann, ist jedoch vom Betrachtungsraum abhängig. In einem eng abgegrenzten Gebiet Siedlungen von Kamen-Mitte muss die Art wohl als Neophyt gelten.
 
Der Begriff: Liane
Pflanzen brauchen Licht und müssen Konkurrenten darum, also andere Pflanzen, überlisten. Das kann gelingen, indem man zwar im Boden wurzelt, der Spross aber die Konkurrenz benutzt, um an ihr hochzuklettern und oben schließlich trotz Konkurrenz auch ans Licht kommt. Solche Kletterpflanzen, von deren es mehrere Typen gibt, werden der Lebensform der Lianen zugeordnet. Im engeren Sinne sind dies Pflanzen, die mit kletterndem, meist windendem Stängel bzw. Spross, oder entsprechenden Ranken an den Blättern ihr genanntes Ziel erreichen. Bei den Waldreben sind es kletternde, windende Sprosse - ebenso wie bei den tropischen Lianen (wie in den Tarzan-Filmen).
 
SP66uFruchtstände ("Perücken") der Weißen Waldrebe

Kamener Stadtpflanzen - Folge 65: Kartoffeln von der Sonnenblume: Der Topinambur

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

SP65 1 GLTopinambur (Helianthus tuberosus) an den Wohnblöcken an der Danziger Straße

von Dr. Götz Loos

SP65 2 GLStängelblatt des TopinamburKamen. Exotisch klingt der Name: Topinambur - abgeleitet von einem Volksstamm aus der Tupi-Gruppe in Brasilien, der allerdings kaum etwas mit der Pflanze zu tun hat. Aber im Prinzip handelt es sich hier um eine Art aus der Gattung Sonnenblume, wie man dem wissenschaftlichen Namen Helianthus tuberosus sofort entnehmen kann. Auch als Zierpflanze wird die nord- bis mittelamerikanische Pflanze - Ursprung wohl Mexiko - bei uns gelegentlich verwendet. Doch der Hauptzweck ist der Anbau als Nutzpflanze. Weil der Topinambur sich stark ungeschlechtlich vermehrt (wohl einzig so bei uns) und wuchert, ist er zumindest als Ziergewächs kaum noch beliebt und rückläufig.

Als die Gärten noch vorherrschend Nutzgärten waren (vor dem Siegeszug der Supermärkte), wurde Topinambur zerstreut gepflanzt, in den Gärten Zuwandernder erfreut sie sich bis heute einer gewissen Beliebtheit, kann jedoch nicht als häufiges Nutzgewächs bezeichnet werden. Außerhalb der Siedlungen wurde die Pflanze eine Zeitlang recht oft verwendet als Äsungspflanze für Wild, von Jägern und Landwirten in Ackerkulturen gepflanzt.

Im Siedlungsgebiet Kamen-Mitte ist sie recht selten spontan, meist sind es unmittelbare Ausbrecher aus Pflanzungen, die sich immer vegetativ vermehrt haben und weiter so vermehren. Vor Ort können so größere Bestände entstehen. Anders als an manchen Flüssen und Bächen ist der Topinambur hier keine generell invasive Art, höchstens lokal vor Ort.

SP65 3 GLBlütenstand des TopinamburWas so stark wuchern kann, sind Sprossknollen im Wurzelbereich. Sie wurden und werden überwiegend als Süßkartoffeln verwendet, wobei zu beachten ist, dass sich hinter dem Begriff mehrere Arten aus verschiedenen Familien verbergen. Der hohe Gehalt an Inulin macht die Pflanze für Menschen mit Diabeteserkrankungen interessant, denn im Gegensatz zur Stärke aus "richtigen" Kartoffeln beeinflusst Inulin den Blutzuckerspiegel nicht. Außerdem fungiert es als Geschmacksverbesserer, Fettersatz und Ballaststoff.

Ansonsten sieht die Pflanze den bekannten Sonnenblumen recht ähnlich, wobei die Blütenköpfe einen kleineren zentralen bräunlichen Teil (der Bereich der Röhrenblüten) aufweisen, die Köpfe generell kleiner sind, die Stängel verhältnismäßig dünner. Für die reine Art als typisch anzusehen sind die mittleren bis unteren großen Stängelblätter mit breitem, teils ausgeprägt herzförmigem Spreitengrund.

Der Begriff: Sprossknolle
Viele Pflanzen besitzen unterirdische Ausläufer. Diese zählen zu den Erdsprossen oder fachlich richtig: den Rhizomen. Es handelt sich um umgewandelte Sprossachsen (Stängel), die unter der Erde wachsen und dort mehr oder weniger parallel zur Erdoberfläche. Ähnlich sind Stolonen, die aus Seitensprossen entstehen. Beide können teilweise oder auch fast ganz fleischig verdickt sein, so der Topinambur (weniger deutlich abgegrenzte Knollen) wie auch die Kartoffel (sehr deutlich abgegrenzte Knollen). Neben dieser Art der Sprossknollen kann auch der eigentliche oberirdische Stängel abschnittsweise unten verdickt sein, so beim Kohlrabi. Sprossknollen dienen den Pflanzen als Speicher für verschiedene Stoffe. Gleichzeitig werden sie für die ungeschlechtliche, vegetative Fortpflanzung und Vermehrung eingesetzt.

Kamener Stadtpflanzen - Folge 64: Stinkig, aber freundlich: Der Wald-Ziest und sein Bastard

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

von Dr. Götz Loos

SP64 1GLBlühender Wald-Ziest (Stachys sylvatica)Kamen. Man muss die Blätter nicht einmal an die Nase drücken, sondern die Pflanze nur in die Hand nehmen und man bemerkt den unangenehmen Geruch, der dem Wald-Ziest (Stachys sylvatica) entströmt. Dabei ist er eine durchaus attraktive Pflanze und wird auch reichlich von Insekten besucht (heute sagt man: Eine "insektenfreundliche" Pflanze). Zudem ist er eines der begehrten Objekte im derzeitig zunehmenden Boom der essbaren Gewächse. Die ätherischen Öle, die den Gestank erzeugen, verändern sich beim Zerreiben bzw. Bearbeiten - und auf einmal ergibt sich ein Duft irgendwo zwischen Pilz und Salbei.

Der Wald-Ziest hat, wie viele Lippenblütler, nesselähnliche Blätter, diese sind gerade bei diesem durchaus sehr ähnlich denen der Großen Brennnessel, breit herzförmig, auch in der Zähnung nähern sie sich an. Sie sind aber weichhaarig und besitzen keine Brennhaare. Die Kronen - bei den Lippenblütlern, wozu die Zieste zählen, finden sich die Kronblätter zu einer Lippenblüte verwachsen (siehe Porträt 62) - sind meist tiefer rot, manchmal weinrot-bräunlich, mit hellerer Zeichnung auf der Unterlippe. Blühend ist er zweifelsfrei zu erkennen. Einmal angesiedelt, baut der Wald-Ziest durch ungeschlechtliche Fortpflanzung und Vermehrung (Erdsprosse) größere, dichte Bestände auf. Er vermehrt sich aber nicht minder über Samen.

SP64 2GLBlätter des Wald-ZiestesDie ursprünglichen Lebensräume sind feuchte, im Boden nährstoffreiche Wälder bzw. Waldabschnitte. Dies sind ursprünglich vornehmlich Auenwälder, so dass man annehmen kann, dass er schon vor der Besiedlung in Kamen u.a. in den Auenwäldern der Seseke vorhanden war. Heute kommt er in Kamen-Mitte an schattigen, aber menschengemachten Standorten vor: Von Gebüschsäumen über Parks, Brachen bis hin zu leicht bis stärker schattigen, meist alten Gärten. Häufig ist er hier nicht, eher zerstreut, aber dennoch an nicht wenigen Stellen anzutreffen.

Über den verwandten Sumpf-Ziest (Stachys palustris-Gruppe) wird ein eigenes Porträt gebracht werden. Allerdings sei noch ein Blick auf die Kreuzungen, die Hybriden (oder Bastarde) zwischen Wald- und Sumpf-Ziest geworfen. Diese werden Zweifelhafter Ziest (Stachys x ambigua) genannt und sind manchmal schwer vom Sumpf-Ziest abzutrennen.

Vor allem die Kronenfarbe hilft: sie ist beim Zweifelhaften Ziest stets dunkler als beim Sumpf-Ziest, der eher nach rosapurpurn tendiert und daher bei den Hybriden etwas in Richtung Wald-Ziest. Oft werden nicht alle Teilfrüchte bzw. Samen ausgebildet; wenn davon welche (scheinbar) reifen, dann stets nicht alle einer Blüte. Die Blattspreiten sind teilweise breiter als beim Sumpf-Ziest, aber ähnlich in ihrer länglichen Form, manchmal sind sie etwas bauchig und nicht ganz parallelrandig. Die Blattstiele sind kürzer als beim Wald-Ziest, teilweise länger als beim Sumpf-Ziest, aber nicht immer deutlich. Vom reinen Wald-Ziest sind sie offensichtlich immer klar zu unterscheiden.

Nur äußerst selten tritt der Zweifelhafte Ziest in Kamen-Mitte auf - anders als an Waldwegen und Säumen in Teilen des Sauerlandes. Ein Vorkommen in einem Vorgartenbeet am Gartenplatz beruht offenbar auf Einschleppung mit Füllerde. Denn die Pflanze vermehrt sich scheinbar fast nur ungeschlechtlich durch Erdsprosse - und die können mit Erde leicht verbracht werden.

Der Begriff: Bastard
Als Schimpf- und Schmähwort wird der Begriff reichhaltig verwendet. Ursprünglich wurden außereheliche oder ungewünschte Kinder so benannt. Als biologischer Fachbegriff jedoch bezeichnet er wertneutral die Kreuzungsprodukte aus zwei verschiedenen Arten (bei innerartlichen Sippenkreuzungen wird er kaum verwendet). Meist werden solche Kreuzungen heute allerdings Hybriden genannt.

 

SP64 3GLZweifelhafter Ziest (Stachys x ambigua) am Gartenplatz

Kamener Stadtpflanzen - Folge 63: Eher nicht geliebt: Das Kleine Liebesgras

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

SP63 2 GLMassenbestand des Kleinen Liebesgrases in schotterig-kiesigem Beet an der Königsberger Straße

von Dr. Götz Loos

SP63 1 GLRispe (Blütenstand) des Kleinen Liebesgrases (Eragrostis minor) mit ÄhrchenKamen. Unter der Menge an Süßgräsern, die sich seit etwa 20 Jahren bei uns ausgebreitet haben, ragt eines vom Ansiedlungszeitraum her heraus, namentlich das Kleine Liebesgras (Eragrostis minor). Ein schöner Name für eine Art, die von den meisten Zeitgenossen und -innen völlig unbeachtet bleibt; eher ärgern sich manche "Ordnungsfanatiker" über diesen neuen Besiedler von Pflasterfugen - anstatt froh zu sein, dass es den staubigen Rohboden in den Ritzen mit festhält.

Aber ganz neu ist dieses am Mittelmeer heimische Gras in Kamen nicht. Der früher in Kamen tätige Botaniker (und Rektor) Wilhelm Bierbrodt (1974 hoch betagt verstorben) fand es schon vor vielen Jahrzehnten auf dem Kamener Bahnhof. Hier hat es sich über all die Jahre gehalten. Lange Zeit war dieses Vorkommen das einzige in Kamen-Mitte wie in Kamen generell, am Bahnhof Methler siedelte es sich zwischenzeitlich an.

Doch wie bei vielen anderen Erwärmungszeigern erfolgte ab den 2000er Jahren eine enorme Ausbreitung, quasi im "Windschatten" des verwandten Japanischen Liebesgrases (dazu kommt noch ein eigenes Porträt). Wahrscheinlich hat das Bahnhofsvorkommen dazu nur in seiner engeren Umgebung beigetragen, die Mehrzahl der neuen Vorkommen dürfte von außerhalb eingewandert oder z.T. eingeschleppt worden sein. Jetzt ist die Pflanze im Siedlungsraum Kamen-Mitte weit verbreitet und örtlich in großen Beständen vorhanden. Vornehmlich ist das Kleine Liebesgras in Pflasterfugen jeder Art zu sehen, selbst in Gossen, aber auch Flächen aus Kies, Schotter, Grus und Split werden öfters besiedelt.

SP63 3 GLKleines Liebesgras in Wandfußfuge am Parkhaus am BahnhofDas Kleine Liebesgras kann man von anderen Gräsern in Pflasterritzen durch die breiteren, abgeflachten, länglichen Ährchen in den rispigen Blütenständen leicht unterscheiden. In der Sonne sind sie zudem oft dunkel blauviolett angelaufen oder in dieser Weise ganz gefärbt, normal sind sie silbrig bis strohig in der Farbe. Damit kombiniert ist ein Saum länger Haare, wo die Spreiten der Stängelblätter in den Stängel, den Halm, übergehen - oder richtiger: die Blattspreiten in die Blattscheiden (die die Halme einhüllen) überleiten.

Meist sind die Pflanzen sehr niedrig bis hin dem Boden eng angedrückt, weil sie betreten und befahren werden. Sie ertragen diese Belastungen sehr gut, die Art ist eine Trittpflanze. Werden sie nicht betreten, können Individuen manchmal fast aufrecht wachsen. Und bei entsprechender "Bepinkelung" (egal, ob Hund oder Mensch) können sie mitunter erstaunlich kräftig, fast kniehoch, werden.

Der Begriff: Ährchen
Ährchen sind Teilblütenstände innerhalb der Blütenstände der Süßgräser (Familie Poaceae) und der Sauergräser (Familie Cyperaceae). Ährchen sind, von außen betrachtet, aus bestimmten Blättern aufgebaut, den Deckblättern, die hier in der besonderen Erscheinungsform der Spelzen auftreten. Spelzen sind meist ausgesprochen trocken und wirken so etwas strohig (zunehmend mehr, wenn die Blütezeit endet). Bei den Süßgräsern findet sich meist ein Aufbau aus drei Spelzen-Typen, den Hüll-, Deck- und Vorspelzen. Schwellkörperchen sorgen dafür, dass die Spelzen auseinander gespreizt werden, so dass die Blütenorgane, die Geschlechtsorgane - männlich: Staubblätter, weiblich: Narbe) heraus gelangen und nach außen hängen können.