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Kamener Stadtpflanzen - Folge 53: Bleich, aber nicht verblichen: Die Bleiche Vogelmiere

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

SP53 3GLBestand der Bleichen Vogelmiere in Beet am Markt (u.a. mit Roter Taubnessel und Gewöhnlichem Greiskraut)

von Dr. Götz Loos

SP53 1GLBleiche Vogelmiere (Stellaria pallida) an BaumfußDie Vogelmieren oder Vogel-Sternmieren bilden eine Großgruppe, von denen in Kamen vier "engere" Artenkomplexe auftreten. Am bekanntesten ist der Komplex der Gewöhnlichen Vogelmiere (Stellaria media als engere Gruppe), welcher im Siedlungsraum Kamen-Mitte wie darüber hinaus häufig vorkommt. In den Siedlungsgebieten vielfach nahezu gleich häufig ist die Bleiche Vogelmiere (Stellaria pallida; nach Meinung einiger Forschender ist der Name Stellaria apetala hierauf anzuwenden und gültig, was ich aber für zweifelhaft halte).

In den 1980er Jahren gab es diese Miere anfangs nicht in Kamen-Mitte. Verbreitet fand sich die Bleiche Vogelmiere vornehmlich in Scherrasen in Siedlungsgebieten auf Sandböden, Kamen nächstgelegen in Bergkamen und Hamm. Doch setzte später eine Ausbreitung nach und dann innerhalb Kamen und vielen weiteren Städten und Gemeinden drumherum ein, auch in den Ruhrgebiets-Großstädten. Heute ist sie in Kamens Siedlungen verbreitet bis häufig anzutreffen, stets in großen Vorkommen, vor allem in Scherrasen, aber auch an offenen (ruderalen), brachliegenden Stellen, an Straßenrändern, in Rinnsteinen, Pflasterfugen, an Säumen z.B. vor Gartenhecken, auf Komposthaufen, in Beeten etc. Nicht selten wächst sie Seite an Seite mit Gewöhnlichen Vogelmieren.

Wie bei vielen anderen einjährigen Pflanzen mit kurzer Lebensdauer - so reichlich diese Miere nämlich im Frühjahr zu sehen ist, bleibt im Sommer praktisch nichts (einfach Sichtbares) mehr von ihr - liegt nahe, dass die Klimaerwärmung einen Beitrag zur Ausbreitung geleistet hat. Die Samen überdauern am und im Boden (nur mit großer Mühe sichtbar bzw. auffindbar) Sommer, Herbst und Winter - und im nächsten Frühjahr sind die Bestände wieder da.

SP53 2GLIm Vergleich: Bleiche Vogelmiere unten, Gewöhnliche Vogelmiere (mit Kronblättern) obenDie helle, bleichgrüne Farbe macht es meist leicht, die Bleiche Vogelmiere zu erkennen. Gleichwohl existieren auch innerhalb der Gruppe der Gewöhnlichen Vogelmiere Typen mit hellen Blättern. Ein Merkmal ist jedoch in Kombination mit der Farbe typisch: Es werden keine Kronblätter entwickelt. Man meint, die Blüten würden sich nicht öffnen, was bei genauerem Hinsehen ein Trugschluss ist. Doch bleiben sie nur kurz offen, denn die Selbstbestäubung bzw. Selbstbefruchtung hat schon stattgefunden. Bestäubende Insekten werden nicht benötigt - und so sind keine farbigen (bei den sonstigen Vogelmieren weiße) Kronblätter zum Anlocken notwendig.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Insektenbestäubung oder generell Fremdbefruchtung bei der Bleichen Vogelmiere so gut wie gar nicht stattfindet. Deshalb sind die Pflanzen innerhalb der Gruppe Bleiche Vogelmiere kaum veränderlich und eventuell liegt nur eine einzige Art Stellaria pallida vor. Die dann doch zu beobachtenden Abweichungen betreffen die Größe der Pflanzen und ihrer Teile: Die typischen Exemplare sind eher klein, oft betretene Pflanzen winzig und teppichartig, es gibt aber auch sehr kräftig wachsende Bestände mit vergleichsweise großen Blättern, wohl in Folge von Stickstoffreichtum im Boden. Manchmal sind die normal grünen Stängel rot überlaufen oder gefärbt.

Der Begriff: Selbstbefruchtung (Autogamie)

Im Alltagswissen geht man davon aus, dass Pflanzen fremdbefruchtet werden, siehe die Geschichte von den "Blümchen und Bienchen", d.h. Pollen (enthaltend männliche Geschlechtszellen) werden durch bestäubende Insekten, Wind, Wasser etc. auf andere Blüten (und dann meist auf anderen Exemplaren) der gleichen Pflanzenart übertragen - genauer gesagt auf die Narben dieser Blüten, die Teil des weiblichen Geschlechts sind (die meisten Blüten sind zwittrig).

Tatsächlich existieren viele Pflanzen, bei denen zum Teil oder überwiegend Selbstbestäubung und Selbstbefruchtung stattfindet, der Pollen wird in derselben Blüte auf die Narbe übertragen. Wenn sich die Blüte öffnet, ist die Befruchtung im Regelfall schon geschehen. Sind die Pflanzen streng selbstbefruchtend, so gleichen Eltern- und Nachkommengenerationen einander völlig - wenn nicht

durch Erbgutveränderung (Mutation) Merkmale verändert werden - diese bleiben bei den Folgegenerationen erhalten.

In den meisten Fällen kann es aber bei vorherrschender Selbstbefruchtung auch immer wieder zur Fremdbefruchtung, oft Kreuzungen mit nahe verwandten Sippen, kommen - die neu entstandenen Typen mit abweichenden Merkmalen (von Vater und Mutter) pflanzen sich wieder durch Selbstbefruchtung fort und bilden so neue, stabile Sippen, die man als Arten ansehen kann.