Kamener Stadtpflanzen - Folge 58: Vom Berg in den Garten: Dalmatiner Glockenblume

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SP58 1GLDalmatiner Glockenblume (Rapunculus portenschlagianus, = Campanula portenschlagiana) verwildert in Platten- und Pflasterfugen

von Dr. Götz Loos

Kamen. Neuerdings sieht man immer mehr vorwiegend in Fugen, insbesondere an Hauswänden, zudem an Gartenrändern (außerhalb) zunächst einzelne herz- oder nierenförmige, ziemlich kleine Blätter - und nach verhältnismäßig kurzer Zeit daraus ein Polster oder eine Matte gebildet. Dabei sind es in den allermeisten Fällen zwei Arten, die in Betracht kommen, zwei Glockenblumen: Häufiger ist es die Hängepolster-Glockenblume (Rapunculus poscharskyanus), etwas weniger die Dalmatiner Glockenblume (Rapunculus portenschlagianus). Beide werden heute üblicherweise, in wissenschaftlicher Benennung, noch in der Gattung Campanula geführt, doch Verwandtschaftsuntersuchungen an der DNA zeigen, dass es mehr als sinnvoll ist, diese Gattung aufzuteilen.

SP58 2GLEingebürgerter Bestand an der KoppelstraßeDie Dalmatiner Glockenblume stammt aus den Bergen Dalmatiens, also aus dem heutigen Kroatien. Der merkwürdige Artname bezieht sich auf den mutmaßlichen Entdecker, den Wiener Pflanzensammler Franz von Portenschlag-Ledermeyer, der gewaltige Sammlungen aus den dalmatinischen Bergen mitbrachte.

Die matten-/polsterartige Wuchsform belegt, dass es sich um eine Hochgebirgspflanze handelt. Solche Stauden wurden früher meist im Alpinum im Garten zur Zierde angepflanzt. Dies waren Steingärten, die noch ihren Namen verdienten - mit spezialisierten Gewächsen reichlich bepflanzt, nicht zu vergleichen mit den weitgehend bewuchsfreien, klimaschutzfeindlichen Schotterwüsten heutzutage.

Bei meinen Pflanzenkartierungen seit den 1980er Jahren bemerkte ich zunächst nur ganz vereinzelte Verwilderungen und Verschleppungen mit Gartenabfällen, die sich zudem nicht lange zu halten schienen. Seit ungefähr 15 Jahren breitet sich die Dalmatiner Glockenblume deutlich in Siedlungsbereichen aus, was mir zuerst in Soest ins Auge fiel - sowie im Rheinland. Auch wenn diese Art aus dem Gebirge stammt, so ist sie doch dort an sonnenexponierten und damit warmen Felsstandorten präsent - also ein Wärmezeiger bzw. in der Ausbreitung hierzulande durch die gerade in den Siedlungen spürbare Erwärmung gefördert. Solche Gewächse nenne ich Erwärmungszeiger.

In Kamen-Mitte kenne ich inzwischen eingebürgerte Vorkommen an mehr als 20 Stellen - eine Pflanze mit Zukunft bei uns. Die allermeisten Vorkommen besitzen Kronen mit violettblauer Farbe, nur äußerst selten wurden - zumindest in Kamen - Verwilderungen weißkroniger Sorten registriert. Auf das Auftreten von Sorten mit weiteren Farben oder Farbtönen bleibt zu achten.

Der Begriff: Polsterwuchs

Polsterwuchs bei Pflanzen ist vorwiegend an extremen Standorten realisiert. Im Gebirge sind es vor allem Wind und hochgradige Sonneneinstrahlung (verbunden mit Wärme), die den Pflanzenwuchs einschränken können. Als Anpassung daran ist der Polsterwuchs zu sehen: Die Pflanzen sind niedrig (die Dalmatiner Glockenblume wird selten deutlich höher als 10 cm), liegen dem Boden meistens direkt an, nur die Blütenstände oder kurze Sprosse ragen heraus; ansonsten liegen die Sprosse und Blätter ziemlich bis stark eng aneinander. Damit entsteht ein relativ gemäßigtes Kleinklima innerhalb der Polster, wobei in erster Linie die Verdunstung reduziert wird. Vergehende Sprosse sorgen für Humusbildung innerhalb der Polster, so dass keine von den nur geringst vorhandenen Nährstoffen verloren gehen. Auch angewehte Feinerde wird in den Polstern angesammelt.

 

SP58 3GLEingebürgerter Bestand an der Ostenmauer