-Anzeige-

Anzeige

Zum Namensjubiläum – 100 Jahre „Pauluskirche“

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

KH Paulus TurmAbb. 1: Der Turm der Pauluskirchevon Klaus Holzer

Kamen. Der Turm der Pauluskirche mit seinem Buckel auf der Ostseite ist das Wahrzeichen der Stadt Kamen und das letzte Gebäude aus Kamens Anfangszeit, stand er doch schon etwa 100 Jahre, bevor Kamen Stadt wurde. Erbaut wurde er aus Anröchter Sandstein etwa zwischen 1100 und 1130 im romanischen Baustil. Daher sind die Mauern an der stärksten Stelle knapp unter drei Meter dick, um den Turmhelm tragen zu können. Zu diesem Stil passend trug der Turmstapel einen kurzen Stummelhelm, wie ihn z.B. die Methleraner Margaretenkirche heute noch hat.

Auf dem Platz zwischen Dunkler Straße und dem östlichen Ende des Kirchplatzes befand sich vor 1100 die Grafen- oder Funkenburg, der Anfang Kamens als eines besiedelten Ortes. Der Burgherr ließ die Kirche als „ecclesia propria“, als Eigenkirche bauen, weil es zwar Bedarf an geistlicher Lenkung, aber keine wirksamen kirchlichen Strukturen gab. Der erste Name dieser Kirche war St. Severinskirche, er blieb bis in die 1590er Jahre.

Die heutige Kirche, das Langhaus, ist die vierte an dieser Stelle: die erste war wohl eine Holzkirche, die zur Zeit Karls d. Gr. auf einer ehemaligen germanischen Opferstätte errichtet wurde. Nach etwa 300 Jahren war das Holz verrottet und es wurde eine romanische Steinkirche gebaut, deren Dachansatz noch heute im Dachstuhl des Kirchenschiffs zu erkennen ist. Die romanische Kirche brannte 1376 ab und wurde, da inzwischen die Gotik von Frankreich nach Kamen gekommen war, entsprechend den neuen architektonischen und statischen Möglichkeiten als gotisches Langhaus viel größer neu errichtet (die dritte Kirche). Dank dieser neuen Bauweise konnten die Wände schlanker, die Fenster größer sein, und das Dach erhielt auf jeder Seite vier Zwerchhäuser (eine Art Gaube), je eines über einem der großen Fenster. Als das Gebäude fertig war, wurde deutlich, daß der romanische Turmhelm in den Proportionen nicht mehr zur jetzt viel größeren Kirche paßte. So baute man den heutigen Turmhelm auf den alten Turmstapel. Jeder Turmteil ist ca. 30 m hoch.

KH Paulus Gotische KircheAbb. 2: Die gotische KircheDie Legende will wissen, daß der Baumeister, als er den Buckel seines Turms auf der Ostseite entdeckte, sich einen Strick nahm und aus Verzweiflung aufhängte. Wer aber einmal bei einer Turmführung einen Blick in das Dachgebälk geworfen hat, weiß: hier war kein Stümper, sondern ein Meister seines Fachs am Werk. Der Sinn dieser Konstruktion dürfte zweifach begründet sein: zum einen braucht solch ein Gebäude Verwindungssteife gegen sehr starken Wind, der bei uns meist aus westlicher Richtung kommt und zweitens fällt der Turm, sollte ein Blitz ihn in Brand gesetzt haben, nicht auf das Langhaus und zerstört dieses auch noch.

Die Kamener Sesekebrücken

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

von Klaus Holzer
 
Die Bedeutung von Brücken ist für die Entwicklung von Städten, Handel und Verkehr kaum zu überschätzen. Ohne sie hätte ein Fluß immer Hemmnis, Trennung bedeutet. Die Kunst des Steinbrückenbaus war mit dem (west)römischen Reich Ende des 5. Jh. untergegangen. In den folgenden zwei Jahrhunderten, während der Zeit der Völkerwanderungen, gingen viele weitere Kulturtechniken verloren. Erst um die Zeit Karls d.Gr. begann zaghaft eine Wiederbelebung aller Bereiche menschlicher Zivilisation, darunter auch der Brückenbau. Zunächst waren es einfache Holzbrücken, weil Holz eben das reichlich zur Verfügung stehende Baumaterial war und es leichter zu beherrschen ist als Stein. Aber Holz ist kein so beständiger Werkstoff wie Stein, es verrottet, wird von Fluten leichter fortgespült, kann auch brennen. Erst zu Beginn des 12. Jh. begann der Steinbrückenbau in Deutschland. Die beiden großen Steinbrücken von Regensburg (Baubeginn 1135) und Würzburg (Baubeginn ebenfalls im 12. Jh.) waren die ersten. Und nicht zufällig waren das 12. und 13. Jh. auch die Zeit der vielen Stadtgründungen.
 
Obgleich Kamen ebenfalls an einem Fluß entstand, war hier alles viel bescheidener. Es gab jahrhundertelang keine Brücke, nur eine Untiefe, die Sesekefurt, gegenüber dem „Bollwerk“, das seinen Namen dem Bohlenweg verdankt, den findige Ursiedler hier über die Furt und den breiten Sesekesumpf legten. Erst 1695 wird in einer Kamener Urkunde die Maibrücke erwähnt, die damit Kamens älteste bekannte Brücke ist. Natürlich wird es auch früher schon Brücken gegeben haben, kleine Holzbrücken, ohne die keine Gemeinde auskam, überall gab es Bäche und andere Rinnsale, die, auch mit Karren, zu überwinden waren, wenn man seinen täglichen Geschäften nachging.
 
Kamen hat viele Brücken (und Unterführungen): Fußgängerbrücken, Straßenbrücken, Autobahnbrücken, Eisenbahnbrücken, Flußbrücken, die Hochstraße, die gleich über mehrere, unterschiedliche Verkehrssituationen hinüberführt. Insgesamt sind es 83 Brücken (lt. Vermögensbilanz der Stadt Kamen von 2016). Die meisten von ihnen haben keinen eigenen Namen, finden sich einfach im Verlauf von Straßen oder Trassen. Anders verhält es sich mit den Kamener Sesekebrücken, die zwar in der Regel auch keinen Namen führten, bis auf wenige Ausnahmen: Maibrücke, Vinckebrücke und, natürlich, die Fünfbogenbrücke, die schönste von allen (war einmal: vgl. Artikel „Fünfbogenbrücke“).
 
Doch zum Jubiläum der Kamener Städtepartnerschaften mit Montreuil-Juigné in Frankreich und Ängelholm in Schweden im Jahre 2013 machte der Kultur Kreis Kamen den Vorschlag, allen bis dahin namenlosen Kamener Brücken den Namen einer Partnerstadt zu geben. Was besonders einleuchtend war, als es seit 2001 bereits die „Partnerschaftsbrücke“ gab. So geschah es. Von der Fünfbogenbrücke an sesekeabwärts heißen die Brücken folgendermaßen:
 
SesekeB KH 11. Montreuil-Juigné-Brücke: Sie verbindet die Wittenberger und die Henri-David-Straße. Sie wurde 1975 gebaut, ist 13,5 m lang und 2,40 m breit. Fußgänger und Fahrradfahrer im Kamener Osten wissen die Abkürzung zu schätzen.
 
SesekeB KH 22. Unkeler Brücke: Diese Brücke liegt in der Schneise, die der frühere Kamener Stadtbaurat Gustav Reich (vgl. Artikel dazu unter „Kamener Köpfe“) vor dem Krieg als Umgehungsstraße plante, um den starken Verkehr, den er voraussah, aus der Kamener Altstadt herauszuhalten. Wäre es zur Ausführung dieser Planung gekommen – wer weiß, vielleicht wäre Kamen die doch trennende Hochstraße erspart geblieben? So aber ist ein relativ breiter Grünstreifen, stellenweise parkartig, übriggeblieben, der ein kleines Naherholungsgebiet darstellt. Diese Schneise führte als direkte Fortsetzung des Ostrings durch Kamens Osten und sollte im Süden in die Unnaer Straße münden. Die Holzbrücke wurde 1983 gebaut, ist 19 m lang, 3,50 m breit.
 
SesekeB KH 33. Ängelholmer Brücke: Sie war bis in die 1920er Jahre als kleine Holzbrücke für den Verkehr aus den östlichen Richtungen vorhanden, wurde anschließend (vgl.Suleçinbrücke) von Gustav Reich erneuert. Noch 1953 wird sie als Wirtschaftsbrücke neu gebaut Seit der Sesekedamm eine Art innerer Ring ist, der die Innenstadt entlastet, ist auch diese Strecke stark frequentiert. Die heutige Brücke ist 10,00 m lang und 16,70 m breit.
SesekeB KH 4
Ihre Vorgängerbrücke war eine reine Wirtschaftsbrücke, wie sie für den damaligen Gebrauch geeignet war, gleich lang, aber nur 3,00 m breit. 
 
 
 
 
 
 
 
 
SesekeB KH 5
4. Beeskower Brücke: Sie ist eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke, wurde 1981 gebaut als Nachfolgebrücke einer Vorgänger-Holzbrücke, sie ist 10,35 m lang und 2,00 m breit. Sie kürzt den Weg zwischen Innenstadt und Mersch beträchtlich ab.
 
SesekeB KH 65. Partnerschaftsbrücke: Die Bogenbrücke aus Stahlbeton wurde 2002 in Betrieb genommen, damit die Maibrücke vom Verkehr entlastet werden konnte. So wurde eine bessere Verteilung des innerstädtischen Verkehrs durch den vorgelagerten Kreisverkehr erreicht. Es konnte der „Verkehrsschluß Innerer Ring“ angelegt werden, der die Bahnhofstraße entlasten sollte, die ab 2010 umgebaut und nach Fertigstellung im Dezember 2012 in Betrieb genommen wurde. Die Entlastung der Bahnhofstraße wurde nicht erreicht. Die Brücke ist 16,50 m lang und 11,00 m breit.
 
SesekeB KH 76. Maibrücke: Die älteste Kamener Straßenbrücke, 1695 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Wahrscheinlich war das eine einfache Holzbrücke, denn eine Urkunde im Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem vom 3.8.1737 belegt einen „staatlichen Zuschuß zum Bau der (meine Hervorhebung) Sesekebrücke“. Dennoch wird nicht klar, was für eine Brücke das genau war, denn nur 60 Jahre später, in einer Urkunde vom 10.7.1798, bestätigt die Stadt Kamen den Empfang eines Darlehens „zur Bezahlung der Baukosten der (meine Hervorhebung) neuen Steinbrücke über die Seseke“ (beide Male ist die Rede von „der“ Brücke, also war es die einzige). In der heutigen Form gibt es sie seit 1923. Bis dahin war sie immer noch die einzige Kamener Straßenbrücke. Während ihrer Reparatur mußten Bauern, die zum Markt wollten, weite SesekeB KH 8Umwege über Rottum bzw. Weddinghofen in Kauf nehmen. Sie lag beim Mühlentor, das zusätzlich durch eine Homey geschützt war, die auch zur Einnahme der Akzise genutzt wurde. Diese Brücke wurde naturgemäß stark frequentiert, da über sie aller Verkehr zwischen Lippe und Hellweg verlief. (vgl.a. Artikel „Maibrücke“, darin „Homey“). Die heutige Brücke ist nach der Sanierung im Jahre 2002 eine Plattenbrücke aus Beton mit Stahlträgern. Sie ist 10,50 m lang und 13,70 m breit.
Das vorliegende Detail der technischen Zeichnung zur Erneuerung der Maibrücke stammt vom Mai 1921 und ist noch von der Seseke-Genossenschaft Dortmund erstellt. Erst 1925 vereinigten sich Seseke-Genossenschaft und Lippeverband.
 
SesekeB KH 97. Vinckebrücke: Sie wurde 1923 als direkte Verbindung zwischen vorgelagerten südlichen städtischen Bereichen und der Altstadt gebaut, da die Maibrücke wegen ihrer notwendigen Sanierung bzw. (fast) Neubau längere Zeit geschlossen war, außer für die Kleinbahn UKW, die Straßenbahn. Ihr Bau bedeutete eine deutliche Zeitersparnis für Fußgänger (und das waren die meisten Leute damals) aus Südkamen und Kamen-Süd zur Innenstadt. Der zur Vinckebrücke führende Weg links der Seseke hieß 1949 noch Vinckestraße und SesekeB KH 10reichte von der Bahnhofstraße bis zum Schwesterngang, die Klosterstraße mündete an der kath. Schule (Josefschule) in die Vinckestraße.
 
Als die Binde(Vincke)brücke 1923 gebaut wurde, herrschte Inflation, lag die Wirtschaft am Boden. Zum Bau verwendete man offenbar minderwertiges Material, denn schon im Herbst 1930 war sie so marode, daß sie gesperrt werden mußte. Diese Sperrung geschah ohne Ankündigung und ohne Beschilderung, weswegen die vielen Fußgänger zwischen Süden und Westen der Stadt, hauptsächlich Schulkinder und Kirchgänger plötzlich davor standen, umkehren mußten und viel Zeit einbüßten. Erst nach einer Woche wurde die Sperrung beschildert. Die Empörung bei den Kamenern und in der SesekeB KH 11Kamener Zeitung war groß. Als Ersatz für die alte Brücke sollte es zunächst nur ein Provisorium geben, weil mit einer „fahrbaren Brücke in absehbarer Zeit zu rechnen“ sei (Ratsvorlage vom 2.3.1931). Kosten des Provisoriums: knapp 1.000,00 Reichsmark, „wenn ein Teil der erforderlichen Nebenarbeiten (…) von Pflichtarbeitern besorgt werden kann“ (dto.). 
 
Die alte Vinckebrücke war eine Holzbrücke, ca. 11,50 m lang und 2 m breit. Bei Regen war sie sehr rutschig.
Die neue Vinckebrücke ist eine Einfeldträgerbrücke aus Stahl und Stahlbeton. Sie 12,50 m lang und 3 m breit. Sie wurde am 15.8.2018 montiert und mit der Eröffnung des Sesekeparks am 22. 9. 2018 in Betrieb genommen.
SesekeB KH 128. Suleçin-Brücke (Koppelstraßenbrücke): Sie wurde 1924 in Betrieb genommen. Sie war Teil der umfassenden stadtplanerischen Maßnahmen des damaligen Kamener Stadtbaurats Gustav Reich (vgl. Artikel dazu unter „Kamener Köpfe“). Die alte Maibrücke war baufällig geworden und mußte saniert werden. So wurde die Notwendigkeit einer weiteren Straßenbrücke deutlich.Sie ist 10,00 m lang und 13,20 m breit.
 
SesekeB KH 139. Eilater Brücke: Sie war bis zum Ende des Bergbaus in Kamen 1983 Bestandteil der Zechenbahn zwischen Monopol und der Reichsbahn bzw. dann der Deutschen Bundesbahn. Was sich als sehr nützlich erwies, als die Fränkische Energiegesellschaft mbH das Bergwerk zu 100% übernahm. So spürte Kamen die Auswirkungen der ersten frühen Kohlekrise seit Ende der 1950er Jahre gar nicht. Täglich rollten ganze Züge voll Kamener Kohle nach Nürnberg, an der Verladestation neben der Westicker Straße, gegenüber Pumpen-Weller, an die DB übergeben. Seit Anfang des Jahrtausends zum Rad– und Spazierweg umgebaut. Sie ist 11,52 m lang und 3,66 m breit.
 
SesekeB KH 1410. Bandirma-Brücke: Diese ist keine Sesekebrücke, sondern führt über die Körne, den größten Nebenfluß der Seseke, liegt jedoch gleich neben ihrer Mündung in die Seseke. Da aber für alle sieben Partnerstädte eine Brücke gebraucht wurde, kam sie gerade recht, da Umtaufen vorhandener Brücken nicht in Frage kam. 
 
Nimmt man die Fünfbogenbrücke, eine Eisenbahnbrücke, hinzu, hat Kamen-Mitte also neun Sesekebrücken, die Körnebrücke am Klärwerk hier aufgenommen. Diese ist 12,30 lang, die Stützweite beträgt 3,80 und der lichte Abstand ist 3,30m
 
Verglichen mit der Situation in früherer Zeit, haben wir heute wirklich keinen Grund mehr, über zu wenige Brücken zu klagen, zumal uns Umwege nicht mehr halbe Tage kosten. Das Auto und andere Verkehrsmittel bringen uns schnell überall hin. Was die Reparatur einer Brücke bedeuten kann, erkennen wir, wenn wir die Diskussion über die Lippebrücke bei Werne verfolgt haben. Würde diese während des jahrelangen Um- bzw. Neubaues komplett gesperrt, wären Umwege über Hamm im Osten und Lünen im Westen notwenig. Und das ist dann selbst mit dem Auto deutlich spürbar, das kostet Zeit und geht ins Geld.
Bildnachweis: Abb. 3 & 7: Tiefbauamt Stadt Kamen; Abb. 9: Stadtarchiv Kamen; alle anderen: Klaus Holzer

Mehr Beiträge zur Kamener Stadtgeschichte >>>

 

Kamener Straßennamen: Gartenplatz und Kastanienallee

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

von Klaus Holzer

KH1019Abb 0 GartenplatzDie Wohnsiedlungen Gartenplatz I & II liegen nordöstlich der Stadtmauer auf einem Gelände, das einmal „Auf den Geistgärten“ bzw., das Stück direkt neben der Chaussee nach Hamm, „An den Geistgärten“ hieß und noch zu Beginn des 20. Jh. der Familie von Mulert gehörte. Der Bestandteil „Geist“ des Namens verweist auf das erste Armen– und Siechenhaus Kamens, vor 1359 gegründet und jahrhundertelang das einzige in unserer Stadt (vgl.a. Artikel „Am Geist“). Sein Besitz wuchs und wuchs, weil nicht wenige Kamener Bürger bei ihrem Tode ein gottgefälliges Werk tun wollten und dem Hospital ein Stück Land oder eine Rente, d.h., eine Stiftung von Geld überschrieben. Das ermöglichte es dem Hospital, seine laufenden Kosten zu bestreiten, und in den Gärten zog man natürlich auch Gemüse, das den KH1019Abb 0a Kastanienalleetäglichen Küchenbedarf deckte.
 
Die letzte Erinnerung an das Heilig-Geist-Hospital in Kamen ist die kleine Straße „Am Geist“, wo das Hospital einmal zwischen Nord– und Oststraße stand. Der letzte Bau wurde in den 1930er Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen.
 
Die früheren Geistgärten umfaßten etwa das Areal zwischen Hammer– und Friedhofstraße.
 

KH1019Abb 1 von Mulert Grabsteine der Fam. von MulertDer letzte Baron von Mulert verspielte und vertrank jedoch seinen Familienbesitz. Die Familie verarmte und mußte Haus und Ländereien veräußern. So kam die Stadt Kamen in den Besitz des von Mulertschen Hauses am Markt und des Geländes im Osten der Stadt. Sie gab den zwei Schwestern von Mulert dafür eine Leibrente, d.h., eine Rente bis an ihr Lebensende.

Nachdem Bürgermeister Berensmann aus Laasphe den Baurat Reich (vgl. a. Artikel Gustav Reich) nach Kamen geholt hatte, baute der ganz Kamen um: er schuf den Gondelteich und den Postteich, ließ die Koppelstraße anlegen und verwirklichte in Kamen die noch gar nicht so alte Gartenstadt–Idee des Engländers Ebenezer Howard, die dieser 1898 vorgestellt hatte. In seinem Buch
„To-Morrow: A Peaceful Path to Real Reform“ veröffentlichte er das Modell einer Gartenstadt. Sie sollte die Trennung zwischen Stadt und Land aufheben und die Vorzüge beider in einem verwirklichen.

„Hinaus ins Grüne“ war seit der industriellen Revolution der Wunsch vieler Menschen, vor allem von Großstädtern. Das „Grüne“ verhieß Naturnähe, Ruhe, Entspannung, Gesundheit, Frieden und Harmonie. Das konnten sich aber nur die Reichen leisten. Howards sozialreformerische Idee war es, auch dem Arbeiter Wohnen im Grünen zu ermöglichen und ihm ein Stück Land zu Selberbearbeiten zu geben. Dazu ersann er seine „Gartenstadt“.

Historische Stadtführung am 28. September 2019

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

KamenLuft090314 RH 017Kamen. Zu einer historischen Stadtführung lädt die Gästeführerin Christiane Tlatlik am Samstag, den 28. September 2019 ein. 

Für alteingesessene und neuzugezogene Bürger bietet der leicht begehbarer Rundgang interessante Informationen über die Entstehung der Stadt Kamen, bis hin in die Gegenwart. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, unverbindlche Anmeldung kann aber unter der Telefonnummer 02307 73774 erfolgen.  Treffpunkt ist der Alte Markt in Kamen um 14.00 Uhr Die Kosten betragen 4 Euro p.P.; für Kinder ist die Führung kostenlos.

Kamener Straßennamen: Julius-Voos-Gasse

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

von Klaus Holzer

voosgasseKH

voosgasse2khAbb. 1: Die Schulstraße, gesehen vom Turm der Pauluskirche; vorn rechts das Haus der ehemaligen Metzgerei VoosDiese Gasse war Teil der Kördelgasse und ist erst seit 1997 nach jemandem benannt, der wahrscheinlich andernorts mehr bedeutet als hier, in seiner Heimatstadt. Und womöglich wüßten wir gar nichts mehr von ihm, wenn es nicht einen Stolperstein am Haus Schulstraße 2 gäbe, der an ihn und seine Familie erinnert.

voosgasse3khAbb. 2. Zur Erinnerung an Dr. Julius VoosJulius Voos war der Sohn von Jakob Voos, der im Jahre 1897 als Metzger nach Kamen kam, hier heiratete und die kleine Metzgerei seines Schwiegervaters in der Schulstraße 2 übernahm. Julius wurde am 3. April 1904 geboren und besuchte die Kamener Wilhelmschule, die gleich nebenan am Kirchplatz lag, heute ein Mehrfamilienhaus. 1918 trat er in die Präparandenanstalt1 der Marks-Haindorf-Stiftung in Münster ein. Hier begann er seine Ausbildung zum jüdischen Religionslehrer, die ihn nach Meisenheim (Pfalz) führte, wo er auch als Kantor arbeitete. Erst danach machte er sein Abitur in Idar-Oberstein. Anschließend studierte er in Berlin Philosophie, Geschichte und Religionsgeschichte. Anschließend promovierte er in Bonn über ein Thema aus der jüdischen mittelalterlichen Religionsgeschichte. Ab 1938 wirkte er als Rabbiner in Guben (Brandenburg), und heiratete 1936 in Breslau Stephanie Fuchs. Nach den Novemberpogromen von 1938 versuchte er, auszuwandern, das Vorhaben scheiterte jedoch. Anfang 1939 nahm er die Stelle als Rabbiner in Münster an, wo es im Rathausinnenhof ebenfalls einen Stolperstein für ihn gibt. Er sollte der letzte Rabbiner in Münster sein. Anfang des Jahres 1939 war Voos noch ein letztes Mal in seinem Elternhaus in Kamen.

Ehrenamtliche Helfer im Haus der Stadtgeschichte

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

stadtge819

Kamen. Das Haus der Stadtgeschichte ist nicht nur ein Museum mit wechselnden Ausstellungen, sondern gleichzeitig auch das Archiv der Stadt Kamen. Dabei werden hier nicht nur die offiziellen Dokumente der Stadtverwaltung archiviert, sondern es werden auch zahlreiche Dokumente, Objekte und Überlassungen aus privaten Beständen verwahrt. Bei der Arbeit im Archiv wird das Team um Leiter Robert Badermann auch von ehrenamtlichen Helfern unterstützt. Ohne diese Hilfe wären viele Arbeiten gar nicht möglich und umsetzbar.

stadtge819 2Wolfgang Freese, schon seit Anfang der 1980er Jahre über die VHS Arbeitsgemeinschaft Heimatpflege, heute Kamener Arche, mit dem Stadtarchiv vertraut, recherchierte seit etwa 7 Jahren als Chronist des Kamener Schützenvereins zu biografischen Hintergründen ehemaliger Schützenkönige und ihrer weiblichen Begleiterinnen besonders aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. Im Zuge dieser Tätigkeit begann er damit, die Akten des Kamener Standesamtes in Excel-Tabellen zu erfassen. Mit seiner Hilfe, die später durch Eva Posala und Helmut Blaskowitz fortgeführt und ergänzt wurde, konnten alle Register seit dem Jahr 1874 erfasst werden. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen im Amt (Sterberegister: 30 Jahre; Heiratsregister: 80 Jahre; Geburtenregister: 110 Jahre) kommen jährlich neue Akten hinzu, die dann erfasst werden müssen. Für die Zeit vor 1874 gibt es keine städtischen Register, da in dieser Zeit lediglich die Kirchenbücher Aufschluss über Geburt, Eheschließung oder Tod gaben.

Eva Posala und Helmut Blaskowitz kamen durch ihr persönliches Interesse an der Ahnen- und Stammbaumforschung ins Archiv. Sie führen nun die Arbeit von Wolfgang Freese, der sich mittlerweile neuen Aufgaben im Archiv zugewandt hat, fort und ergänzten diese durch eine fotografische Erfassung der Dokumente. Ihr umfassendes Wissen geben sie gern an Interessierte weiter, die sich eventuell für ihre eigene Herkunft interessieren. Diese Personen können sich gern im Haus der Stadtgeschichte melden und bei Interesse können gern Vorträge oder Informationsrunden zu diesem Thema angeboten werden.

Neben den bereits erwähnten Dokumenten bieten auch die Einwohnerbücher Kamens vielfältige Informationen über Zuzug, Weggang oder Aufenthaltsdauer und Quartiersuche in Kamen. Auch die Aufgebotsmeldungen der Vergangenheit bieten weit mehr Informationen als das reine Standesamtsregister und sind daher eine reichhaltige Fundgrube für die Familienforschung.

In der Vergangenheit konnten die ehrenamtlichen Helfer schon Anfragen aus Kanada, Australien oder Brasilien hilfreich beantworten und mit ihren Nachforschungen Licht in viele familiäre Abstammungen bringen.
Auch bei der Herkunftsforschung über den eigenen Familiennamen können die beiden weiterhelfen. So gab es in den 20‘ger und 30‘ger Jahren des letzten Jahrhunderts eine Tendenz zur Änderung slawischer Namen, die vor allem von zugezogenen Arbeitern aus Polen genutzt wurde.

Das neueste Aufgabengebiet von Wolfgang Freese ist das Transkribieren und Erforschen eines echten Datenschatzes. Etwa 160 Briefe aus dem Besitz der Familie Schulze-Bergcamen wurden dem Kamener Archiv übergeben. Die Korrespondenz geht bis ins 18 Jahrhundert zurück und ist eine reichhaltige Quelle zu ganz verschiedenen Bereichen. Neben Berichten über europäisches und lokales Zeitgeschehen wird auch über Lebensmittelpreise, politische und kulturelle Ansichten und Entwicklungen sowie familiäre Fragen berichtet. Diese alten Handschriften zu lesen, in elektronischer Form zu erfassen und mit Kommentierungen zu versehen ist im Augenblick der Hauptgrund für Wolfgang Freese, seine Zeit im Archiv der Stadt Kamen zu verbringen.

Das Stadtarchiv hat in diesem Zusammenhang die Bitte, dass bei Haushaltsauflösungen oder Umzügen alte Dokumente oder Objekte gern gespendet werden können, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Ansprechpartner ist Museumsleiter Robert Badermann unter der Rufnummer 02307/553413.

Auf dem Foto treffen sich die drei Helfer zu einem Erfahrungsaustausch mit einigen neuen Dokumenten. Außerdem ist ein Exemplar der Briefkorrespondenz zu sehen.