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Vor 70 Jahren, am 20. Juni 1948, wurde die D-Mark eingeführt

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

spkkamen62 HSGAbbildung 1: Sparkassengebäude Bahnhofstr. 13, Domizil der Sparkasse 1921-1962.

Zigaretten statt Reichsmark

Kamen. 70 Jahre Deutsche Mark. Ab dem 20. Juni 1948 wurde die neue Währung erstmals ausgegeben. Und noch heute ist die DM, auch 16 Jahre nach ihrer Abschaffung, für viele ein Symbol für das deutsche Wirtschaftswunder.

Die Einführung der Deutschen Mark kam gerade recht, denn die Verhältnisse nach dem verlorenen 2. Weltkrieg waren katastrophal. Ein Pfund Butter kostete 250 Reichsmark - bei einem Durchschnittslohn von 170 Reichsmark für die meisten Deutschen ein unerschwinglicher Luxus. Daher hatten die drei Westmächte mit Hilfe des späteren ersten Bundeswirtschaftsministers Ludwig Erhard unter größter Geheimhaltung eine Währungsreform vorbereitet. Heimlich waren die neuen Scheine in den USA und Großbritannien gedruckt und in 23.000 Holzkisten nach Bremerhaven verschifft worden. Die Währungsreform markierte den Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Einer Erfolgsgeschichte, die auch in Kamen stattfand.

Am Freitag, dem 18. Juni, erfuhren die Kamener - wie Millionen anderer Bürger - durch den Rundfunk, dass am Sonntag, 20. Juni 1948 in den drei westlich besetzten Zonen neues Geld ausgegeben würde. Die neuen Scheine wurden unter Bewachung der Polizei in Säcken an die Banken angeliefert und für die Auszahlung vorbereitet. Jeder Bürger bekam ein sog. „Kopfgeld“ von 60 DM, wovon 40 DM sofort und die restlichen 20 DM etwas später ausgezahlt wurden. Auch Guthaben wurden im Verhältnis von 1:10 eingetauscht.

Bis zu diesem Tag galt die Reichsmark auch in Kamen nur noch formal als Zahlungsmittel. Das Sagen hatte die Zigarettenwährung. Sechs Reichsmark für eine deutsche, zehn Reichsmark für eine amerikanische Zigarette. Der Schwarzhandel blühte. Im Gegensatz zu den Großstädten, in denen meist der Bahnhof Treffpunkt der „Schwarzhändler“ war, gab es in Kamen wohl keinen speziellen Ort dafür. Schon Monate vor der Währungsreform hatten Produzenten, Händler und auch Schwarzhändler bewußt das Warenangebot reduziert in der Hoffnung, hohe Hortungsgewinne zu erzielen.Eine Kamenerin erinnert sich: „Plötzlich gab es wieder alles zu kaufen. Gestern noch waren die Schaufenster leer, heute konnte man alles kriegen. Zuerst konnten wir uns gar nicht sattsehen an dem Überfluß. Dann merkten wir aber schon bald, dass wir ganz schön mit unserem Geld haushalten mussten. Statt alles zu kaufen, mussten wir sorgfältig überlegen, was nun wirklich nötig war und was nicht. Das war sehr schwierig, denn tief in uns saß immer noch das Gefühl, alles möglichst schnell zu kaufen und zu horten, bevor es weg war.“

Doch nicht nur die Bürgerinnen und Bürger hatten ihre Sorgen und Nöte. In diese schwere Zeit „fällt das 700-jährige Bestehen unserer Sesekestadt, die im Laufe der Geschichte schon manchen Wechsel zwischen Krieg und Frieden, Wohlstand und Armut, Glück und Niedergang erlebte“, wie es der damalige Bürgermeister Wieczorrek formulierte. Heute wissen wir, dass die dem Fest zugrunde liegende Datierung allerdings auf einem Irrtum beruhte. Kamen hatte nicht 1248, sondern erst 1284 ein Siegel (von den Landesherren, den Grafen von der Mark) verliehen bekommen. Gleichwohl wollte man das Fest unbedingt durchführen, auch wenn es zunächst durchaus umstritten war. Trotz einiger Bedenken, u.a. wegen der gerüchteweise bevorstehenden Währungsreform und nicht zu überschauender Kosten, stimmte der Rat im März 1948 mit nur zwei Gegenstimmen dafür. Am 24. Juli begann die Festwoche, die bis zum 1. August andauerte, mit einem Festakt zwischen den Kirchen. Für viele Kamenerinnen und Kamener war die 700-Jahr-Feier schlicht eine Möglichkeit, sich für einige Stunden oder Tage von der materiellen und immateriellen Not der Nachkriegszeit ablenken zu lassen.

Der positive psychologische Effekt der Festlichkeiten war enorm. Die Quintessenz war: Das Leben musste weitergehen. Die Heimatstadt würde, nicht zuletzt durch den Einsatz ihrer Bewohner, letztlich ohne bleibende Schäden die Not der schweren Zeit überwinden.

Auch zu der Festwoche 1948, an die sich viele ältere Kamenerinnen und Kamener noch gut erinnern, wird das Stadtarchiv - auf der Basis der vorhandenen Quellen - in der letzten Juli-Woche einen Text vorlegen.

Literatur:
Goehrke, Klaus. Burgmannen, Bürger, Bergleute. Eine Geschichte der Stadt Kamen. 2010.
Frieling, Christian. Neu geordnet. Kamen zwischen Kriegsende und Kommunalreform. 2001.
Heitfeld, Herbert. Erinnerungen. 2004.