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Stadtführer: "Holz-Mahnmal gehört an seinen alten Platz"

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

von Alex Grün

holzer BZ1 319Otto Holz war Lehrer und Künstler in der Sesekestadt. Foto: Archiv Klaus HolzerKamen. Stadtführer Klaus Holzer plädiert im Namen des Kulturkreises Kamen für die versprochene Wiederaufstellung des Mahnmals "Vergesst uns nicht 1953" an seiner angestammten Stelle im Sesekepark und würdigt bei dieser Gelegenheit das Schaffen des Kamener Künstlers Otto Holz.

Holz, der damals Kunstlehrer am Städtischen Neusprachlichen Gymnasiums war, wurde mit dem Entwurf für die Skulptur beauftragt, und als es im Oktober 1953 eingeweiht wurde, sorgte er damit beinahe für einen Eklat, da sich die Kamener solche Mahnmale bislang eher in martialischem Stil vorstellten - ähnlich wie das am Overberger Friedhof. Doch Holz, der Pathos und Glorifizierung ablehnte und als Künstler radikal mit der traditionellen Darstellung holzer BZ 2 319Die Kamener hoffen auf eine zeitnahe Rückkehr des Mahnmals zur Seseke, das sich zurzeit zur Restaurierung in Bergkamen befindet. Foto: Klaus Holzergebrochen hatte, ließ sich nicht beirren. Sein Mahnmal stand bis zum Beginn der Arbeiten am Sesekepark an ein und derselben Stelle, im Zuge der Bauarbeiten wurde es abgebaut und befindet sich jetzt zur Restaurierung in einer Steinmetzwerkstatt in Bergkamen. Außerdem bilde es seit mittlerweile 30 Jahren eine Einheit mit der von den damaligen Jusos gepflanzten "Friedenslinde" und der Anti-Kriegs-Tafel.

Doch was hat es mit diesem Mahnmal auf sich? Viele, vor allem jüngere Kamener, wüssten wohl teils gar nicht, woran es erinnern soll, mutmaßt Klaus Holzer. Auch wenn für manche der Gedanke nahe liege, es stehe nicht für die Opfer des Aufstandes vom 17. Juni 1953 in Ostberlin, sondern erinnere an diejenigen Deutschen, die zu jener Zeit noch in Kriegsgefangenschaft waren. Im Verlaufe des Jahres 1953 sei in der bundesdeutschen Bevölkerung immer stärker die Überzeugung aufgekommen, dass es im neunten Jahr nach Kriegsende nicht weiterhin Kriegs- und Zivilgefangene in Ländern der Alliierten geben dürfe, vor allem in der UdSSR. Dort, wo Frauen und Männer „immer noch der Stacheldraht umschließt und die sowjetische Posten bewachen“, so der damalige SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer. „Die meisten von ihnen waren unter den groteskesten Vorwänden in den Jahren 1950 und 1951 zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt und zu Kriegsverbrechern gestempelt worden“, zitiert ihn Holzer aus der Westfälischen Rundschau vom 2. Oktober 1953. Daher fand vom 17. bis zum 25. Oktober gleichen Jahres eine bundesweit begangene Kriegsgefangenen-Gedenkwoche statt, die offenbar im ganzen Land große Zustimmung erfuhr. In dem bundesweit veröffentlichten Appell hieß es: „Wir selber wollen aus dieser Hoffnung heraus nicht müde werden, vor der Weltöffentlichkeit zu mahnen, zu bitten und zu flehen und zum Herrgott zu beten, dass, wenn manche Machthaber der Welt nicht helfen können und andere gar wider uns und unsere Gefangenen sind, er sich unser erbarmt.“

 

holzer BZ3 319 Rund 4000 Kamener ließen sich 1953 die Einweihung des Holz-Mahnmals nicht entgehen. Foto: Archiv Klaus Holzer

holzer BZ4 319Obwohl das von Stacheldraht umschlossene Mahnmal nur zwei Meter vom Gehweg stand, sagt Klaus Holzer, habe sich daran 65 Jahre lang niemand verletzt. Foto: Klaus Holzer

Die Einweihung des Mahnmals zeigte, in welchem Maß die Sesekestadt Anteil nahm: "Rund 4000 Teilnehmer bevölkerten den Sesekedamm und die Bahnhofstraße zur Zeit der Feierstunde", hieß es tags später in der Westfälischen Rundschau. Sprecher verschiedener Vereine und Verbände appellierten an die „Gewahrsamsmächte“ und das „Weltgewissen“, die Gefangenen aus ihrer Rolle als „politisches Wechselgeld“ zu entlassen. Pfarrer Busch und Pfarrer Rawe schlossen sich an und Erich Reichelt rief dazu auf, „die Brücke zwischen Heimat und Gefangenen nicht zusammenbrechen zu lassen“. Dann nahm Bürgermeister Rissel „das Mahnmal mit einem Appell an die Friedensbereitschaft der Welt in die Obhut der Stadt“. (Westfälische Rundschau, 26.Okt.1953).

"Denk- und Mahnmale haben die Funktion, die Menschen an Dinge zu erinnern, die einschneidende Ereignisse in ihrer und der Geschichte ihrer Nation darstellen, sie vor dem Vergessen zu bewahren", sagt Klaus Holzer. Ihre Form verrate viel über den Geist ihrer jeweiligen Entstehungszeit und bewahrt so, über den historischen Anlass hinaus, auch das künstlerische Ausdrucksvermögen ihrer Epoche. Das gelte in ganz besonderem Maße für Otto Holz‘ Mahnmal am Sesekedamm, denn durch seine grobe Beschaffenheit und sein robustes Material kämen Gefühle gar nicht erst ins Spiel, kein Soldat wurde heroisch herausgearbeitet, so Holzer - es werde sich auf das Wesentliche konzentriert: Die Frage, wer oder was "nicht vergessen" werden soll. Auch aufgrund der Nachbarschaft mit der Friedenslinde und Reimund Kaspers Holocaust-Denkmal gehöre das Mahnmal an seine alte Stelle und dürfe nicht, unter dem Vorwand, jemand könne sich am zur Skulptur gehörigen Stacheldraht verletzen, an x-beliebiger Stelle im Stadtgebiet versteckt werden, ist Klaus Holzer überzeugt. Denn, fragt er: "Wo findet man noch einen Ort, der derartig umfassendes Wissen ermöglicht?".

Archiv:  Serie: „Kunst im öffentlichen Raum in Kamen" - Otto Holz