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Ein richtiger, altmodischer Buchhändler

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

otto woertzLaden ArchivKHFotos: Archiv K. Holzer

von Heinrich Peuckmann

otto woertz ArchivKH

Kamen. Alteingesessene Kamener erinnern sich noch mit Wehmut an einen früheren Buchhändler, an Otto Wörtz, der seine Buchhandlung auf der Bahnhofstraße hatte, zuerst an der Maibrücke, später gegenüber von Kümper. Wörtz liebte Bücher. Vor allem, er hielt das, was er gelesen und für gut befunden hatte, lange vorrätig. Zwanzig Jahre lang hatte er die gesammelten Werke von Arno Schmidt in seinem Laden stehen, einem der großen Außenseiter der Gegenwartsliteratur. Kein Gedanke daran, unruhig zu werden, Wörtz wusste um Schmidts Bedeutung. Dann kam mein Autorenfreund Horst Hensel und kaufte sie ihm alle  ab.

Wörtz liebte Hermann Hesse. Man konnte immer mit ihm darüber reden, er empfahl auch unbekannte Werke des Nobelpreisträgers. Einmal habe ich ihn dabei geschockt. Ich hatte einen Bericht über eine ungewöhnliche Lesung von mir veröffentlicht, Wörtz hatte ihn gelesen und empfahl mir zum Vergleich Hesses Lesungsbericht „Nürnberger Reise.“ Ich las und fand, dass der Meister sich seinem Publikum gegenüber sehr geziert verhalten hatte. Später fragte mich Wörtz nach meiner Meinung und ich sagte – ein bisschen auch, um ihn zu provozieren - dass ich meinen Bericht besser fände. Ich sehe noch seine entsetzten Augen. Peuckmann vergleicht sich mit Hesse und findet sich auch noch besser. So war es natürlich nicht gemeint, aber ich wollte seinen Lieblingsautor gern ein wenig vom Sockel holen.

Überhaupt lohnte sich mit Wörtz ein Gespräch über Literatur. Die Freude über schöne Leseerlebnisse übertrug sich auf seine Kunden, Wörtzt schaffte um sich herum ein Klima der Lesefreude.

otto woertzAnzeige ArchivKHIrgendwann brauchte ich für das Studium die programmatischen Erklärungen des Expressionismus, jener Schriftsteller um 1900 also, die vor allem Gedichte geschrieben haben. Die Sammelbände, in denen sie erschienen waren, hatte der Literaturkritiker Fritz J. Raddatz herausgegeben. „Marxismus und Literatur“ hießen sie, ich habe sie bis heute. Wörtz packte mir die Bände in eine Plastiktüte. „Es muss nicht jeder in Kamen sehen, was Sie da lesen“, sagte er. Ich musste lachen, trotzdem wusste ich schon damals, dass Wörtz Recht hatte. Es wäre sicher Anlass zu dummem Gerede gewesen.

So einen Buchhändler hat es auch einmal gegeben, fiel mir irgendwann wieder ein, auch in Kamen. Aber sie befinden sich auf dem Rückzug. Buchhandlungsketten treten an ihre Stelle. Schade für alle Bücherfreunde und für die Autoren.

Irgendwann meldete sich eine Enkelin von ihm bei mir. Im Rentenalter hatte er Kamen verlassen und war in den Raum Stuttgart gezogen. Dort hatte er die letzten Lebensjahre in einem Altenheim verbracht. Ich weiß nicht mehr genau, wie alt er geworden ist. Aber es ist ihm ein langes Leben vergönnt gewesen, wie mir die Enkelin erzählte.

otto woertzLadenumbau ArchivKHBuchhandlung nach dem Umbau (nach 1961)