Die Jazz-Frühschoppen auf dem Wasserkurler Hof Kalthoff sind seit mehr als dreißig Jahren ein beliebter Publikumsmagnet im Rahmen der städtischen Sommerveranstaltungen. Die Grünen im Rat fordern eine Aufkündigung mit dem Kalthoff-Besitzerverein VDS. Foto: Christoph Volkmer Archiv KamenWeb.de
von Alex Grün
Kamen. Hof Kalthoff in Wasserkurl ist seit mehr als dreißig Jahren ein beliebter Veranstaltungsort insbesondere für das Summerlife-Programm der Stadt Kamen, und sein Besitzer, der Verein Deutsche Sprache (VDS) seit rund drei Jahren Kooperationspartner beim traditionellen Jazz-Frühschoppen. Die politische Ausrichtung des Vereins, der sich dem Erhalt der deutschen Sprache verschrieben hat, war schon vor zwei Jahren ein Thema. Die Kamener Bündnis-Grünen forderten jetzt im Kulturausschuss gar, "bis auf Weiteres sämtliche Vereinbarungen mit dem VDS (...) mit sofortiger Wirkung zu kündigen und nach alternativen Veranstaltungsorten zu suchen". Dabei stießen sie auf wenig Zustimmung und zogen den Antrag letztlich zurück.
Der VDS wurde 1997 als Verein zur Wahrung der Deutschen Sprache (VWDS) gegründet und zählt nach eigenen Angaben aktuell 36.000 Mitglieder, darunter zahlreiche namhafte Schriftsteller, Journalisten, Wissenschaftler und Diplomaten. Gründer und Vorsitzender des Vereins ist Walter Krämer. Der Ökonom und Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik ist bekannt für seine entschiedene Anti-Gender-Haltung, was seinem Verein von Journalisten und Sprachwissenschaftlern das zweifelhafte Attribut "Sprach-Pegida" einbrachte. Unter dem vermeintlich unpolitischen Deckmantel der Sprache verfolge der Verein Deutsche Sprache eine Agenda, die mit den Werten der Stadt Kamen unvereinbar sei, äußerte sich Grünen-Fraktionsvorsitzende Anke Dörlemann im Juni 2022, als der Veranstaltungsort für den Jazz-Frühschoppen der Saison '23 vom Rat beschlossen wurde. Man habe nichts gegen die Jazz-Veranstaltung an sich, hoffe aber, dass für dafür ein anderer Ort gefunden werde, hieß es vor knapp zwei Jahren.
Zwar ist ein Besprechungstermin mit dem VDS bereits für den 8. Mai terminiert, bei dem es um das brisante Thema gehen soll, die Bündnis-Grünen wollten ihr Anliegen aber dennoch durch eine Vorfelddebatte absichern. Praktisch "auf Verdacht" hatte die Grünen-Fraktion den Antrag eingebracht, um, wie die kulturpolitische Sprecherin der Rats-Grünen Anke Schneider erklärt, sicherzugehen, dass noch vor der nächsten Ratssitzung darüber gesprochen wird, und nicht erst nach der nächsten Sitzung des Kulturausschusses, die voraussichtlich erst für November anberaumt ist. Bis dahin seien möglicherweise schon die Verträge mit dem VDS für das nächste Jahr unter Dach und Fach, so dass alles bleibt wie es ist, sagte Schneider zur Begründung des Grünen-Vorstoßes. "So hätte niemand mehr sagen können, man habe im Rat nicht über das Thema gesprochen", erklärte Schneider das sozusagen prophylaktische Vorgehen ihrer Fraktion.
Kontra bekam sie vor allem aus den Reihen der CDU-Fraktion. Die Pflege der deutschen Sprachkultur habe nichts mit Rechtspopulismus zu tun, die Debatte scheine eher ideologisch geprägt zu sein, wie CDU-Ratsherr Michael Bierhoff argwöhnte. "Am Erhalt der deutschen Sprache ist nichts Ehrenrühriges", so Bierhoff. Der Verein habe sich außerdem bereits mit dem Rauswurf eines Mitglieds, das an der dubiosen "Remigrations-Konferenz" in Potsdam teilgenommen haben soll, von rechten Tendenzen glaubwürdig distanziert, so Bierhoff. Als "befremdlich" empfand Bierhoffs Fraktionskollegin Rosemarie Gerdes den Antrag, der VDS solle nicht vorverurteilt werden, bevor überhaupt ein Gespräch stattgefunden hat. Auch die Reihenfolge des Prozederes sei verfehlt, die Grünen seien mit ihrem Antrag geradezu "davongeprescht", kritisierte Gerdes. Anke Schneider begründete dies damit, dass die Terminfindung für das Treffen mit VDS-Vertretern und dem Antrag sich zeitlich "unglücklich überschnitten" habe. "Sie stellen den Verein in die rechte Ecke, wo er nicht hingehört", warf CDU-Ratsherr Oliver Romeo der Grünen-Fraktion entgegen. Auch wenn AfD-Anhänger auf der Mitgliederliste des VDS stünden, gehe es die Stadt als Veranstalter nichts an, so Romeo.
Auf wenig Gegenliebe stieß der Antrag auch bei der SPD. Insbesondere mit dem Prozedere des Antrags hatte SPD-Ratsherr Joachim Eckardt ein Problem: "Vom Ablauf her ist der Antrag nicht zu diskutieren", stellte Eckardt klar. Das Anliegen sei nachvollziehbar, aber erst den Fachausschuss und anschließend den Rat mit einem solch halbgaren Antrag zu überrumpeln, sei indiskutabel. Christine Hupe schlug als sachkundige Bürgerin für die SPD vor, einen neuen Antrag auszuarbeiten, der im Ausschuss breit getragen und dann in den Rat eingebracht wird.
Die zuständige Beigeordnete Ingelore Peppmeier versicherte den Mitgliedern des Ausschusses indessen, dass es keinerlei Verpflichtungen seitens der Stadt gegenüber dem VDS gebe. Die Verträge seien rein veranstaltungsbezogen, sollte ein anderer Veranstaltungsort aus welchen Gründen auch immer vorgezogen werden, sei dies in Bezug auf vertragliche Verpflichtungen kein Problem, so Ingelore Peppmeier.
Archiv: Grüne und Linke wollen Jazz-Frühschoppen nicht mehr auf Hof Kalthoff: Besitzerverein wird in "rechter Ecke" verortet