Erst vom "Ex" verprügelt - dann angeklagt: "Größtmögliche Milde"
von Andreas Milk
Kamen. Die 27-jährige Kamenerin hatte Gewalt erlitten. Im Amtsgericht saß sie jetzt aber als Angeklagte. Der Grund: Als Zeugin im Prozess gegen ihren damaligen Lebensgefährten hatte Jennifer W. (Name geändert) im Mai 2017 erklärt, nein, ihr Freund habe sie nicht geschlagen, vielmehr sei sie gestürzt. Der Richter damals glaubte ihr nicht. Der Mann wurde verurteilt. Jennifer W. bekam eine Anzeige wegen uneidlicher Falschaussage und versuchter Strafvereitelung.
"Es ist halt scheiße gelaufen", fasste die junge Frau nun das Geschehen vor anderthalb Jahren zusammen. Damals, während des ersten Prozesses, sei sie noch mit dem Schläger zusammen gewesen, auch der gemeinsamen Tochter wegen. "Ich dachte noch, vielleicht ändert der sich." Er tat es nicht. Es gab einen weiteren Strafprozess gegen den Mann; diesmal hatte er Jennifer W. einen Bruch des Nasenbeins zugefügt. Und diesmal sagte sie sofort gegen ihn aus. Inzwischen hat sie eine Einstweilige Verfügung erwirkt. Sie hat auch das alleinige Sorgerecht für das Kind.
Dennoch: Wegen der ersten Falschaussage zu Gunsten des "Ex" musste es ein Urteil geben, machte Richter Christoph Hommel deutlich. Gerichte brauchen verlässliche Zeugen. "Sie befanden sich in einer schwierigen Situation" - und darum sei "größtmögliche Milde" geboten. Hommel verhängte die geringstmögliche Geldstrafe, die das Gesetz vorsieht: 90 Tagessätze, und zwar zu jeweils 10 Euro. Die 900 Euro kann Jennifer W. in Raten zahlen oder mit der Staatsanwaltschaft über eine Umwandlung in gemeinnützge Arbeit reden.