Kamener Stadtpflanzen - Folge 82: Ein Hingucker, der blendet: Die Kronen-Lichtnelke
von Dr. Götz Loos
Wenn sie nicht blüht, ist der graue Filz der Blätter, Triebe und Kelche augenfällig, aber wenn sie blüht, kann die atemberaubende Farbe der Kronen bei Sonnenbestrahlung geradezu grell blenden. Die Rede ist von der Kronen-Lichtnelke (Silene coronaria; je nach Autor auch Lychnis coronaria), einer verbreiteten Zierpflanze der Gärten. Für uns Wildpflanzeninteressierte ist jedoch von Bedeutung, dass sie verwildert - und zwar in den letzten Jahren immer mehr. Wo sie heutzutage im Garten angepflanzt wird, vermehrt sie sich rasch selbständig und oft ziemlich stark - und wenn sie an den Gartenzaun gesetzt wird, stehen schnell die ersten spontanen Nachfahren dahinter.
Die Kronen-Lichtnelke stammt aus zumeist wärmeren Regionen von der Slowakei durch Südosteuropa und Kleinasien bis zum Iran und nach Zentralasien bis zum Himalaja.
Sie wird schon sehr lange in Gärten angepflanzt, allerdings habe ich sie vor 40 Jahren deutlich seltener in Kultur gesehen als heute. Mehr Gelegenheit zum Verwildern, dann passiert dies auch in aller Regel. Heute gehört die Pflanze zu den verbreitet verwilderten und eingebürgerten Arten in Siedlungsbereichen - und so ist es auch im Siedlungsraum Kamen-Mitte. Mit wieder verwertetem, abgegrabenem Gartenboden (in Folge von Grundstücksumbauten) wird sie zudem verschleppt, ferner führen illegal entsorgte, zuvor im Garten abgeschnittene, fruchtende Exemplare zu einem wilden Aufkommen, z.B. an den alten Zechenbahnen (Eilater Weg u.a.).
Früher war die Pflanze im Garten meist als "Vexiernelke" bekannt. Das Verb "vexieren" gehört zu den ausgestorbenen Wörtern bei uns, deshalb kann mit diesem Namen kaum noch jemand etwas anfangen. Die Bedeutungen sind recht umfangreich und umfassen eine Bandbreite an (stets negativ besetzten) Zuweisungen von "täuschen" bis hin zu "quälen". Es ist deshalb auch nicht ganz klar, ob der fehlende Duft der Blüten täuscht oder ob starre Blütenorgane (Nebenkrone) beim intensiven Suchen nach dem Duft in die Nase pieksen, also quälen - worauf sich der Name konkret bezieht, bleibt somit ungewiss.
Der weiße Filz kennzeichnet schon die Blattrosetten der meist zweijährigen Kronen-Lichtnelke im ersten Jahr. Die Blütensprosse im nächsten Jahr sind ganz davon überzogen, bis hoch zu den Blütenkelchen. In farblich krassem Gegensatz dazu entwickeln sich die breiten Kronblätter, die in den allermeisten Fällen in einem kräftigen Dunkelpurpurrot gefärbt sind. Die Reflexion der Sonnenstrahlen führt zu einem regelrechten Leuchten oder Glühen der Kronen - eben oft so stark, dass man geradezu geblendet wird.
Nur sehr selten werden in Kamen-Mitte weißblütige Pflanzen (Sorte 'Alba') kultiviert, die allerdings auch verwildern und manchmal verschleppt werden.
Im Inneren der Blüte findet sich noch die schon erwähnte Nebenkrone, mit spitzen, starren Organen, die kronblattähnlichen Teile schmal, klein und meist nach oben aus der Blüte herausragend. Spätestens wenn sie blüht, ist die Pflanze unverkennbar. Mit ihrer auffallenden Blüte ist sie auch ein Magnet für nektarsuchende Insekten.
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Der Begriff: Lichtnelke
Eigentlich sind die Arten der Großgattung Silene (mehr als 500 Arten) innerhalb der Nelkengewächse vor allem unter dem Namen Leimkraut bekannt. Dieser rührt daher, dass einige Arten eine derart starke Drüsenbehaarung aufweisen, dass sie sich mächtig klebrig anfühlen und dies auch tun können. Andere hingegen sind kahl, wieder andere haben eine nicht klebende, filzige Behaarung.
Je nach Meinung kann man diese große Gattung auch aufspalten, wozu Ergebnisse von Untersuchungen des Erbgutes ermächtigen. Allerdings lassen sich diese Befunde auch anders interpretieren - nämlich, dass eine Aufspaltung nicht nötig ist. Ich sehe zu viele Arten mit Übergängen in bedeutenden Merkmalen, weshalb ich bei einer Gattung Silene bleibe und z.B. nicht Lychnis davon abtrenne.
Doch zurück zum Namen Lichtnelke: Eine Reihe von Lichtnelken blüht im Dunkeln und wird von Nachtfaltern bestäubt. Hier scheint der Name gar nicht zu passen; in der Tat werden solche Arten auch "Nachtnelken" genannt. Wer in der Dämmerung die Weiße Lichtnelke hat aufblühen sehen mit ihrem im Dämmerlicht regelrecht leuchtenden Weiß, mag den Namen Lichtnelke dann jedoch wiederum passend finden.
Es deutet aber alles darauf hin, dass der Name Lichtnelke vom Ursprung her etwas ganz anderes bedeutet: Unter Licht hat man früher Kerzen und unter Verwendung von ihnen hergestellten Lampen verstanden. Der Name "Lychnis" bedeutet tatsächlich "Lampe". Grund dafür ist, dass manche Lichtnelken bzw. ihre Blätter zu Kerzendochten verarbeitet wurden. Lichtnelke ist demnach gleichbedeutend mit "Lampennelke".