Historisch niedrige Wahlbeteiligung ist Weckruf für alle Parteien
Köln. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen lag die Wahlbeteiligung auf einem historischen Tiefstand. Gerade einmal 55,5 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab, 10 Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl.
„Wenn fast die Hälfte der Wahlberechtigten gar nicht erst zur Wahl geht, muss das ein Weckruf für die Politik sein. Auf die To-Do-Liste der neuen Landesregierung gehören Demokratie-Reformen jetzt ganz nach oben. Mehr denn je braucht es jetzt gute Beteiligungsmöglichkeiten auch zwischen den Wahlen, um politischen Entscheidungen einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung zu geben“, so Achim Wölfel, Leiter des NRW-Landesbüros von Mehr Demokratie.
Viele Menschen fühlten sich von den Parteien nicht mehr repräsentiert, wollen aber sehr wohl bei konkreten Sachfragen mitsprechen. Jede Beteiligung und jeder Bürgerentscheid eröffnen neue Chancen, sich in politische Debatten einzubringen.
Mehr Demokratie hatte anlässlich der Landtagswahl im März dieses Jahres einen Aufruf für mehr direkte Demokratie, mehr Bürgerbeteiligung durch geloste Bürgerräte sowie Transparenz und Lobbykontrolle gestartet. Bereits mehr als 9.300 Menschen unterstützen den Aufruf, der an die neue Landesregierung übergeben werden soll. Die dramatisch niedrige Wahlbeteiligung bestärke Mehr Demokratie laut Wölfel darin, noch weiter Unterschriften für den Aufruf zu sammeln. „Mitmachen möglich machen – das ist der Titel unseres Aufrufs und das ist auch der Auftrag, den die vielen Nicht-Wählerinnen und Nicht-Wähler am Sonntag der zukünftigen Landesregierung sowie den Abgeordneten aller Parteien erteilt haben.
Konkret fordert Mehr Demokratie von der neuen Landesregierung eine Absenkung der Hürden für Bürgerbegehren, Volksinitiativen und Volksbegehren. Regelmäßig würden Bürger mit direktdemokratischen Initiativen zeigen, dass sie mitbestimmen wollen. Viel zu oft scheiterten sie aber an nahezu unüberwindbaren Hürden, was laut Wölfel am Ende zu Frustration führe. Weiterhin fordert Mehr Demokratie die Einführung zufällig geloster Bürgerräte, die das Parlament zu bestimmten Sachfragen beraten. Der Vorteil von gelosten Bürgerräten liege darin, dass auch diejenigen zu Wort kommen, die sonst im politischen Betrieb eher überhört werden, so Wölfel. Gerade bei einer so niedrigen Wahlbeteiligung brauche es zusätzliche Perspektiven bei der Entscheidungsfindung. Mit der Forderung nach einem Lobbyregister samt legislativem Fußabdruck sowie einem Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild solle schließlich Lobbyismus sichtbar und Landespolitik nachvollziehbarer werden.
Weiterhin müsse darüber nachgedacht werden, wie nach wie vor bestehende Hürden beim Wählen abgebaut werden können. Wölfel bringt hier etwa die automatische Versendung von Briefwahlunterlagen an allen Wahlberechtigten ins Spiel, längere Zeiträume für die Stimmabgabe oder digitales, sogenanntes E-Voting. Andere Länder würden mit solchen Maßnahmen bereits gute Erfahrungen machen. Ein Blick über die Ländergrenzen hinweg würde sich laut Wölfel lohnen.