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Kamener Stadtpflanzen - Folge 74: Ein Kriecher in den Fugen: Die Hängepolster-Glockenblume

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

sp74glvon Dr. Götz Loos

Kamen. In der Form der Blattspreiten, jedoch ebenso in der Lebensweise erinnert sie an die bereits porträtierte Dalmatiner Glockenblume - die Hängepolster-Glockenblume (Rapunculus poscharskyanus bzw. in den üblichen Büchern noch Campanula poscharskyana). Nur ist sie (noch) deutlich häufiger in Kamen als die erstgenannte.
 
Seit ich mich erinnern kann, habe ich sie in Gärten gepflanzt gesehen, früher aber längst nicht so oft wie seit Ende der 1990er Jahre. Verwilderungen waren lange eine sehr seltene Ausnahme, teilweise handelte es sich nur um Verschleppungen mit Gartenabfällen. 
 
Dann aber, seit gut 20 Jahren, begann eine Ausbreitung - unmittelbar von den gepflanzten Beständen ausgehend. Im Allgemeinen ist es heute auch noch so; es existieren allerdings auch schon Vorkommen etwas abseits von Pflanzungen, welche zeigen, dass eine unabhängige weitere Ausbreitung zumindest begonnen hat. Wenigstens für die Nahausbreitung dürften vornehmlich Ameisen verantwortlich sein.
 
Heute kommt diese Glockenblume an vielen Stellen im Siedlungsbereich Kamen-Mitte vor. Sie gedeiht ganz überwiegend in Pflaster- und Plattenfugen, in Spalten und Schotter unter Balkonen und an Hauswänden, auch in Wänden und an Mauern, manchmal in Kellerlichtschächten sowie auf Schotter auf kaum benutzten Flächen (extensive Parkplätze u.ä.). Einmal angesiedelt, werden rasch dichte Bestände aufgebaut, die weiter um sich greifen. 
 
Die Sprossachsen kriechen dabei über den Boden, sie können eine Maximallänge von gut 25 cm erreichen und von einer Fuge zur nächsten Betonplatten problemlos überkriechen. Die Art ist demnach als Bodendecker bestens geeignet, kann jedoch zum örtlichen Wuchern neigen. Der augenfälligste Unterschied zur Hängepolster-Glockenblume sind die mehr flach-trichterförmigen, viel tiefer gezipfelten (eingeschnittenen) Blütenkronen. 
 
Der Begriff: Glockenblume
Die Glockenblumengewächse sind eine Pflanzenfamilie, deren Hauptvertreter mit zahlreichen Arten die Glockenblumen selbst sind. Die Glockenblumen besitzen in der großen Mehrzahl der Arten eine charakteristische, verwachsene Krone mit glockiger, röhriger oder trichterartiger Form, d.h. die Kronblätter sind miteinander verwachsen. Inzwischen weiß man durch Untersuchungen am Erbgut, der DNA, dass die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Familie komplizierter sind und die früher oft als große Gattung Campanula akzeptierte Megagruppe der Glockenblumen aufgeteilt werden muss, wenn man andere, deutlich getrennte Gattungen wie die Teufelskrallen aufrecht erhalten möchte (was einzig sinnvoll ist). Dabei entstehen vorwiegend die beiden großen Gattungen Campanula und Rapunculus, die sich auch in einigen äußeren Merkmalen charakterisieren lassen.
sp74 2GLVerwilderter Bestand der Hängepolster-Glockenblume an Gartenrand neben Unkeler Weg