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Musikkritik: Vespermusik in Methler: Das Cembalo in der Kirche - ein erstklassiges Instrument und ein erstklassiger Virtuose

am . Veröffentlicht in Musik

Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Gewöhnlich wird bei barocker Kirchenmusik heutzutage kaum noch ein Cembalo eingesetzt: gemäß der historischen Praxis ist das Leitinstrument des Generalbass hier ein Orgelpositiv. So hielt es denn - weitgehend - auch der Interpret der Vespermusik am Sonntag in der Margaretenkirche in Methler: Auf dem Programm standen weit vornehmlich weltliche Werke, die Peter Kranefoed auf dem Ruckers-Cembalo-Nachbau von Rainer Kist, das die evangelische Kirchengemeinde vor einiger Zeit angeschafft hatte, spielte.

Peter Kranefoed, gebürtiger Münsteraner, heute tätig in Winnenden nahe Stuttgart, gehört zu den führenden Cembalisten Deutschlands. Seinen Lebenslauf in Kürze wiederzugeben, ist schlicht unmöglich (das Programmheft brauchte dafür eine ganze Seite!) - kurz gesagt: Er hat alle wichtigen Stationen durchlaufen, um sein Cembalospiel sowie Dirigieren und Orgel zu perfektionieren. In Methler ist Kranefoed ohnehin bekannt, weihte er doch ebendieses Cembalo ein, wobei er nur wenig voll Solistisches einwerfen konnte, war das Instrument doch überwiegend in das Orchesterspiel eingebunden. Nun war er wieder da und durfte nun seine ganze Virtuosität als Solist ohne Ensemble einbringen - bei durchaus interessanten Werken. Er ließ es aber dabei nicht bewenden, sondern moderierte auch den Abend, indem er Erklärungen zu den Werken und zum Instrument gab, in einer sehr kurzweiligen, zumindest für Musikinteressierte spannenden, aber auch sicherlich alle ansprechenden hintergründig humorvollen Art und Weise. 

Das Programm setzte ein mit William Byrds "A Fancie" aus seinem 1591 erschienenen "My Ladye Nevells Booke of Virginal Music", ursprünglich für Virginal geschrieben, das dem Cembalo zwar ähnelt und auch klanglich große Ähnlichkeiten aufweist, aber das Cembalo ist schon ein kräftiger klingendes, mehr austariertes Instrument. Es gelang Kranefoed, diese Fantasie mit einem ausgleichenden Gewicht zwischen Zartheit und freudiger Verspieltheit auszudrücken. "Paduana Lachrymae" folgte, vom vorbachschen Amsterdamer Meister Jan Pieterszoon Sweelinck - der die Melodie aber "gesampelt" hatte, wie man heute so schön sagt; dahinter verbirgt sich nichts anderes als John Dowlands "Flow my tears", das Sting vor einiger Zeit neu einspielte (zusammen mit anderen Kompositionen des englischen Meisters). Normalerweise auf der Laute gespielt, war es aber beim Cembalo nicht minder schön anzuhören, vor allem bei einer ausgewogenen Betonung der dem Interpreten wichtig erscheinenden Abschnitte, wodurch die zurückhaltende Melancholie des Werkes hörbar wurde. Von Sweelinck folgte dann das vierteilige "Vater unser im Himmelreich", eine Melodienfolge mit Original und Variationen. Dieses nun geistliche Werk gelang Kranefoed erneut mit Brillanz, aber wieder anders - sehr das Erhellende des Geistes betonend, mit strahlenden Farben und fast orgelähnlicher Dominanz.

Frescobaldis "Canzona prima" aus seinem "II. Buch der Toccaten" (1637) spielte Kranefoed mit dem Vier-Fuß-Register, das eine besondere "Würze" für den musikalischen "Salat" (natürlich "italiano") der bunten Themenvielfalt bieten sollte: Zartheit und Schwere werden dadurch in gleicher Weise betont und so kam es auch herüber; nicht zu leicht, nicht zu schwer, trotzdem vielfältig und erfrischend. Später setzte Kranefoed auch noch den "Lautenzug" ein, der das Cembalo sehr lautenähnlich erklingen ließ, freilich doch lauter als die Laute selbst...

Ähnlich interessant ist Sweelincks "Fantasia chromatica", die darauf folgte; hier ist es die Chromatik, die Variabilität der Klangfarben, welche dieses Werk anders als die "Standards" ihrer Zeit klingen lassen. Sechs verschiedene chromatische Einfälle lassen aufhorchen, da der jeweils neue Gedanke so anders klingt und zuerst anscheinend gar nicht in den Verlauf des Werkes passen mag, aber die Ausgestaltung bringt dann die Angleichung.

Die Pause nutzte Kranefoed nicht zur Entspannung, sondern zur Umstimmung des Instrumentes für eher hochbarocke Klänge, insbesondere für Bach, von dem gleich vier Werke erklangen: das "Praeambulum" aus der Partita V (BWV 829), die "Aria" aus seinem "Notenbüchlein" für seine Frau (BWV 988), nunmehr Bachs "Vater unser im Himmelreich" (BWV 683) und abschließend das wie die Aria sehr bekannte "Concerto nach italienischem Gusto" (BWV 971) bzw. hier nur den ersten Satz, der aber gleichzeitig der bekannteste aus dem Werk ist. Alle diese Stücke haben gemeinsam, dass sie als "Theile" von Bachs umfangreicher "Clavier-Übung" verwendet wurden. Gewiss sind diese vier Werke sehr unterschiedlich in Form und Ausdruck, zumindest Letzteres, wenn man sich darauf einlässt und nicht nur rein mechanisch vorträgt. Peter Kranefoed ging jedes Werk sehr separat an, so wie er jedes Werk verstand und überzeugte durch einmal mehr Dynamik, einmal mehr Ausgeglichenheit, einmal mehr Betonung, einmal mehr Gelassenheit, einmal mehr Gangart, einmal mehr Empathie. Für jeden Bach-Freund war diese Vortragsweise ein reiner Genuss.

Vor dem "Concerto"-Satz war aber noch ein Werk von Johann Jakob Froberger eingefügt: "Tombeau fait à Paris sur la mort de Monsieur Blancheroche" - also ein musikalisches "Ehrenmal" für einen bei einem Treppensturz (in einem Freudenhaus...) verstorbenen Freund. Dieses bewegende Werk, das seine Trauer mit fallenden Akkordfolgen zum Ausdruck bringt, endet mit einer absteigenden Tonleiter, die wohl den Treppensturz verdeutlichen soll - trotz der seinerzeit tragischen Umstände heute - so auch in diesem Konzert - dem Publikum eher eine leichte Belustigung entlockend.

Solo-Cembaloabende sind in Kamen nicht häufig. Schon deshalb war diese Vespermusik sicherlich ein kleiner Höhepunkt der musikalischen Bestrebungen der Methlerschen evangelischen Kirchengemeinde. Aber mit Peter Kranefoed wurde jemand gewonnen, der sein Instrument bestens beherrscht und mit ihm eine Klangfülle und Ausdruckskraft zu erzeugen vermag, die man kaum für möglich hält, wenn man das Cembalo lediglich als Continuo-Instrument kennt.