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Musikkritik:: “Schottland am Hellweg“: Filetstücke zum Start der neuen Spielzeit der Neuen Philharmonie Westfalen

am . Veröffentlicht in Musik

Musik Datei176696959 Urheber abstract fotoliaDatei: #176696959 | Urheber: abstract | fotolia.comvon Dr. Götz Loos

Es ist schon ein Clou, wenn man Schottland kurz hintereinander ins Vest Recklinghausen, ins Revier und an den Hellweg verlegt - für jede Spielstätte eigens und identitätsfördernd das Motto abgeändert... Hut ab vor der Idee! Aber ganz gleich, wo die schottischen Werke aufscheinen: Der Auftakt der Spielzeit 19/20 der Neuen Philharmonie Westfalen glänzte sofort mit Großartigem und überwiegend in Kamen zuvor Ungehörtem. Dem Motto getreu wählte Generalmusikdirektor Rasmus Baumann vier Werke, die mit Schottland zu tun haben. 
 
Unter diesen ragt das “teilavantgardistische“ “An Orkney Wedding, with Sunrise“ von Peter Maxwell Davies besonders heraus. Dieses zuerst gespielte Werk bedarf aber keiner Entschuldigung, wie sie Andreas Kosinski im Einführungsvortrag humorvoll mehrfach bemühte. Die großen Linien verpacken volkstümliche Weisen in spätromantische Kleidung, durch die immer wieder Avantgarde-Töne dringen. Sicher nicht Geschmack für Alle, aber in meinen Augen grandios. Und zum Ende hin ein solistischer Dudelsack, der sich in den orchestralen Klangteppich einfügt. Es war etwas Neues, meinen ehemaligen Unikollegen Björn Frauendienst in der Rolle des Dudelsacksolisten zu sehen, aber er ist als Virtuose auf seinem Instrument bekannt und war auch hier einfach sensationell.
 
Max Bruchs romantische “Schottische Fantasie“ für Violine und Orchester op. 46 folgte, das Solo hatte nach Ausfall der ursprünglich vorgesehenen Violinistin Mirijam Contzen übernommen, gewohnt makellos und engagiert im Spiel, mit ihrer einfühlsamen, gleichsam “eingelebten“ und hell strahlenden Interpretationsweise. Neben der Violine spielt hier die Harfe eine bedeutende Rolle und Birgit Gieschke hatte sich ebenfalls phänomenal in ihre Partie eingefühlt. Bruchs Zusammenstellung und Bearbeitung der schottischen Lieder ergibt einen gut gewählten Reigen, der durchaus eingängig ist und fernab von jeglichem Kitsch. Dem Orchester und Rasmus Baumann gelangen mit Mirijam Contzen eine sehr gefühlsbetonte Interpretation. Nicht minder herausragend war Contzens Zugabe, ein ganzer Satz aus einem Violinkonzert von Thomas Linley, mit einem Teil des Orchesters und ohne Dirigent.
 
Nach der Pause kam dann Malcolm Arnold zu Gehör, gleichermaßen Orchesterkomponist im klassischen Sinne als auch begnadeter Filmkomponist. Durch die buntmalerische Färbung seiner Werke hebt er sich bei seinen Orchesterstücken ab, was er für die Filmvertonungen gut und eingängig verwendete oder umgekehrt Filmmusikkenntnisse in die anderen Werke einbrachte, wie auch immer... Seine “Schottischen Tänze“ op. 59 sind jedenfalls frei erfunden, basieren aber auf den Techniken, mit denen die schottische Volksmusik gestaltet. Die Verbindung aller genannten Eigenschaften machen dieses Werk zum “Knaller“ - und eine in Allem stimmige Interpretation begeisterte mich maßlos.
 
Zum Schluss dann Mendelssohn - natürlich seine Sinfonie Nr. 3, die “Schottische“. Und wenn er auch von seinem Schottland-Aufenthalt nur das Thema des ersten Satzes mitbrachte, der Rest ist durchaus durchzogen von schottischen Motiven, meist in den elegischen Abschnitten - und nicht (nur) von Italien, wie Schumann dachte und Andreas Kosinski referierte... Die Interpretation war transparent, offen und traf den Mendelssohn-“Ton“ bestens so, wie ich ihn verstehe. Am Ende kann wieder “nur“ als Resümee ehrfurchtsvoll gesagt werden: Filetstücke ausgewählt und Alles in der Qualität der “großen“ Orchester interpretiert! Jedenfalls nach meiner Meinung.