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Musikkritik: Erstes NPW-Sinfoniekonzert der Spielzeit 2022/23 - "Tango mit Mozart in Paris"

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Musik

von Dr. Götz Loos

Musik Datei176696959 Urheber abstract fotoliaDatei: #176696959 | Urheber: abstract | fotolia.comKamen. Nicht nur Tango, nicht nur Mozart, nicht nur Paris - aber das waren die Säulen des Auftaktes der neuen sinfonischen Spielzeit der Neuen Philharmonie Westfalen am Mittwochabend in der Konzertaula. Und es war wieder einmal fulminant.

Es gab hier ebenfalls wieder einmal einiges zu entdecken, weil - wieder einmal - Werke aufgeführt wurden, die in Kamen bislang sehr selten oder noch niemals auf dem Programm standen. Ziehen wir zunächst den Mozart vor. Die gespielte Sinfonie Nr. 31 D-Dur KV 297 trägt den Beinamen "Pariser", weil er sie dort während eines Aufenthaltes komponierte - als Auftragswerk. Sie gehört nicht zu den allerhäufigst aufgeführten Mozart-Werken, obwohl sie sehr hörbar ist und zeigt, dass der 22-Jährige so professionell war, "sättigende" Musik zu produzieren. Da ich kein Freund zu süßlicher und zu glatter Mozart-Interpretationen bin, war ich hoch erfreut, dass GMD Rasmus Baumann hier - wie schon früher - Rauheiten zuließ und den Glanz tiefgründig hervorholte, mal betonter, mal unbetonter, mit einem guten Gespür für das angemessene Tempo.

Am Anfang des Konzertes stand Strawinskys Suite für kleines Orchester Nr. 1. Die vier Sätze waren ursprünglich Klavierstücke, die er nun für Varieté-Orchester in Paris instrumentiert hatte. Unverkennbar war der noch weitestgehend tonale, frühe Strawinsky zu hören - doch mit seinen bekannten kompositorischen Eigenheiten; einmal eher Miniatur, einmal mehr volltönend. Dem wurde die Interpretation vollauf gerecht - ich kann nichts Nachteiliges sagen, aber wirklich: nichts!

Die größte Spannung vorab bereiteten mir aber die beiden Werke von Astor Piazzolla: seine "Die vier Jahreszeiten von Buenos Aires" für Bandoneon und Orchester sowie "Tangazo - Variationen über Buenos Aires". Hier kam dann der Tango zu seinem Recht, wenn auch der argentinische und nicht der Pariser. Als Solist am Bandoneon erschien mit Christian Gerber einer der relativ wenigen im deutschen Raum vorhandenen Meister seines Faches. Beeindruckend war dabei nicht nur sein Spiel des zwar kleinen, aber sperrigen Instrumentes auf seinem angewinkelten Bein, sondern auch die spielerische Art und Weise, wie er dem Bandoneon hochmelodiöse Töne gleichfalls wie ein takt- und natürlich partiturgerechtes Knarren und Knarzen entlockte.

Vivaldi steht im Hintergrund bei den "vier Jahreszeiten" Piazzollas, doch die Umsetzung ist dann doch völlig anders - so mag Vivaldis Werk eine Inspiration gewesen sein oder Piazzolla eine eigene, eigentümliche Interpretation gefunden haben. "Expressive innere Erlebnisbilder" nannte das ein anderer Rezensent und fand damit einen guten Ausdruck - ich würde es sogar "extrovertiert" nennen, auch angesichts der kraftvollen perkussiven Einwürfe der Streicher auf ihren Instrumenten. Der hakige Tangorhythmus wechselte mit breiteren Streicherklängen, stechenden Glissandi sowie Brüchen in der Harmonie, wechselnd mit eher konservativ harmonischen Melodiestücken. Das Bandoneon war langzeitig führende Stimme, dann im Einklang vor allem mit den Streichern und weiterhin zudem Begleiter von Soli der Stimmführung der Ersten Violine. Beeindruckend als Werk, beeindruckend in der Ausführung - und besonders im gemeinsamen Sprech von Bandoneon und Ensemble.

"Tangazo" kam anfangs lange als melancholische, langschleifige, serenadenartige Streichermelodie herüber, geboren aus einem Aufsteigen aus einem tiefen Grund. Doch plötzlich ein Bruch - und der Tango ist da und bestimmt den zweiten Abschnitt des einsätzigen Werkes. Ich kenne ein halbes dutzend Interpretationen, bei dieser sah ich keinen Unterschied zu den qualitativ besten.

Zuviel des Lobes? Nein, Professionalität und Einfühlsamkeit vom Orchester und seinem Leiter - auf höchstem Niveau. Da lässt sich praktisch nichts in Abrede stellen, wenn auch einmal (wirklich nur einmal) die Synchronizität der Celli beim Einstieg nicht ganz hundertprozentig gelang. Ein Auftakt vom Besten und Lust auf mehr!