Gedicht der Woche: An diesem Junimorgen
An diesem Junimorgen
Als mir
die unbekannte Nachbarin
hinter den Gardinen
bei halbdunklem Licht
ihren bizarren Busen
verriet oder offenbarte
drohten ihre Schatten
voluminös und verlebt
fast auf die
Straße zu fallen
Dabei hinterließ ich
gestern Abend noch
zwischen ungelebten Gedichten
auf dem Schreibtisch
für einige Stunden
einige gelebte Notizen
Nun hocke ich
der salzigen Haut
der letzten Nacht
entschlüpft am Frühstückstisch
und entdecke erneut
übernächtigt im Kopf
Schweißbilder schief hängen
… In der letzten
Runde unterlag ich
einem Oberchauvie im
Wortwechsel am Tresen:
flüssig entglitt ich in Nebensätzen
trocken konterte er in Hauptsätzen
Und seine Rothaarige
entsprungen einem Reklamespot
aus unserem Provinzprogramm
verteilte gefärbte Blicke
gelangweilt neben uns
auch ihre Freundin
angelehnt am Tresen
– an einen Body
der ab und
zu das Küssen
mit Biertrinken
Es klingelt – während
hektische Stimmen gewohnt
von der Einkaufsstraße
unaufhörlich über das
Brot stolpern und
im Kaffee verweilen
fließt die Morgenluft
frisch durch den
Spalt der Küchentür
Und es klingelt
– der Postbote oder
die bekannte Nachbarin
oder an diesem Junimorgen bleibt mir
wieder nichts erspart.
Aus dem Buch „Unterm Arm die Odyssee“, Gedichte, Dagyeli Verlag, Berlin, Juni 2021
Levent Aktoprak