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Kamener Stadtpflanzen - Folge 1: Die Rotkelchige Nachtkerze

am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

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von Dr. Götz Loos

rotkelchige2 818GLKamen. Die Natur zu verstehen ist der Schlüssel zu ihrem Schutz, der wiederum uns Menschen zugute kommt. Gerade jetzt, wo wir mit einem Insektensterben, fehlenden Blühpflanzen für Honigbienen, den Auswirkungen von Nitrat etc. konfrontiert werden, lohnt es sich, mehr über die Natur zu erfahren. Und der beste Ansatz dabei ist die Artenvielfalt. Kenntnisse darüber bekommt man freilich über die Arten selbst. Deshalb soll in loser Folge mit mehreren Serien über die Lebewesen (Pflanzen, Tiere, Pilze usw.), die in Kamen vorkommen, informiert werden. Den Anfang macht eine verbreitete "Kamener Stadtpflanze".

Die Rotkelchige Nachtkerze (Oenothera glazioviana) fällt als erstes durch ihre enorm großen gelben Blüten auf. Bemerkenswert ist dabei insbesondere, dass bei schönem Sonnenwetter die Blüten geschlossen sind und schlaff an der Pflanze hängen. Nur abends und nachts oder bei trübem Himmel und feuchtem Wetter sind auch tagsüber die Blüten offen. Ihre Öffnung geschieht sehr schlagartig in der Dämmerung, mit einem hörbaren Knacken. Den Nachtkerzen, von denen es einige Arten in Kamen gibt, gemeinsam sind die großen schotenartig länglichen, aber dicken und runden, vierfächerigen Früchte. Die Blätter sind länglich bis lanzettlich oder etwas elliptisch und am Rand mehr oder weniger gezähnt. Die Blüten unserer Arten haben vier gelbe, nahezu rechtwinkelig zueinander angeordnete Kronblätter. Bei der Rotkelchigen Nachtkerze sind die Kronblätter rot überlaufen, der Stängel ist dicht mit roten Punkten übersät und zudem oft weitläufig rot eingefärbt. Unter unseren Nachtkerzen hat die Rotkelchige die größten Kronblätter.

Sie hat zweierlei Herkünfte. Grundsätzlich ist sie ein Neophyt, also ein Neubürger der Flora. In den 1980er Jahren sah man sie hier und da in Gärten gepflanzt. Fast alle oder vielmehr die wenigen wilden Vorkommen befanden sich auf Bahngelände, waren also offenbar mit der Eisenbahn eingewandert oder eingeschleppt. Allmählich wurde sie als Zierpflanze beliebter und geriet vielfach in Gartenkultur. Dort neigt sie stark zur Selbstaussaat und verwildert auch in die Umgebung und wird auch entfernter verschleppt. Weitere Verschleppungen erfolgten und erfolgen durch Bodenmaterial. Heute ist die Rotkelchige Nachtkerze mindestens in den Siedlungsbereichen eine der am häufigsten verwilderten Gartenzierpflanzen. Verschleppungen sieht man auf Baustellen und sonstigen Erdhaufen sowie auf Autobahnmittelstreifen. Hier und längs der Bahnstrecken, wo man nicht mehr zwischen ursprünglichen Bahnwandervorkommen und auf die Bahnstrecken gelangte Verwilderungen unterscheiden kann, wandert sie weiter. Ihre Bestäubung erfolgt durch Insekten, vornehmlich durch Nachtfalter. Die Art darf in Kamen als Neubürger gelten, ist in Europa insgesamt jedoch eine in der Kultur durch Kreuzung und/oder Erbgutveränderung anderer Nachtkerzen entstanden.