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Kamener Stadtpflanzen - Folge 61: Vor der Ausbreitung: Das Vierblättrige Nagelkraut

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

 SP61 1GLKelche des Vierblättrigen Nagelkrautes

von Dr. Götz Loos

SP61 2GLBlühendes Vierblättriges Nagelkraut (Polycarpon tetraphyllum)Kamen. Wirklich klein und unscheinbar ist die "Stadtpflanze des Jahres 2023"- das Vierblättrige Nagelkraut (Polycarpon tetraphyllum). Es gehört zu einer Reihe kleiner, unscheinbarer, meist vorwiegend selbstbefruchtender Nelkengewächse, die sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten bei uns ausgebreitet haben, welche vorher entweder gar nicht oder nur sehr selten in den Siedlungen vorhanden waren. Ihre Ausbreitung steht offensichtlich in Zusammenhang mit der Erwärmung der Innenstädte bzw. der Siedlungen generell, daher nenne ich diese Pflanzen Erwärmungszeiger.

Die Selbstbefruchtung scheint beim Nagelkraut nahezu ausschließlich aufzutreten, von den winzigen weißen Kronblättern sieht man meistens nichts. Die Blüten sind scheinbar nur kurz offen, weil es bei Selbstbestäubung und -befruchtung nicht nötig ist, mit farbigen Kronblättern Bestäuber anzulocken. Trotzdem sind die Blüten auch geschlossen zum Erkennen gut geeignet, denn die gewöhnlich grünen Kelchblätter besitzen einen extrem breiten weißen Hautrand. Allerdings sind die Blüten, aus denen sich später Kapselfrüchte entwickeln, freilich sehr klein.

SP61 3GLPflasterfugen sind typische Biotope des NagelkrautesDie Blütenstände sind sehr regelmäßig ausgebildet, in gleichmäßigem Muster verzweigt, fachlich spricht man von zymösen Blütenständen (siehe Begriffserklärung unten). Bei den einfachen, ganzrandigen, in ihren Spreiten überwiegend eiförmigen Blättern fällt auf, dass diejenigen in mittleren Stängelabschnitten zu Viert an einem Stängelknoten zusammen stehen (Name!), sonst sind es meist je zwei gegenständige.

Während sich das Vierblättrige Nagelkraut in Unnas Innenstadt, ausgehend vom Marktplatz, innerhalb von sechs Jahren gewaltig ausgebreitet hat und sein Territorium mit großen Beständen noch weiter ausdehnt, ist es in Kamen zur Zeit noch äußerst selten. Das letztjährig am Ostring entdeckte Vorkommen habe ich noch nicht wiederfinden können.

Ob dieses Gewächs aus dem Rheinland direkt zugewandert ist, wo es sich zuvor stark ausgebreitet hat, oder - vielleicht sogar mehrmals - eingeschleppt wurde (mit Samen an Schuhwerk oder Autoreifen), wird sich nicht definitiv beantworten lassen. Jedenfalls zeigt das Nagelkraut in einigen Ruhrgebietsstädten teilweise starke Ausbreitungstendenzen. Im Kreis Unna liegen Massenvorkommen in Fröndenberg (wo sie überhaupt zuerst hier entdeckt wurde, vom Floristen Jörg Langanki) und eben besonders in Unna. Gefunden habe ich es zudem in Werne, wo sich innerhalb eines Jahres die Bestände verdoppelt haben (allerdings noch räumlich beschränkt). Ob und wann eine Ausbreitung in Kamen stattfinden wird, ist mit Spannung abzuwarten.

Der Begriff: Zymöse Blütenstände
Bei Blütenständen kann man zwei Haupttypen im Aufbau unterscheiden: Bei einem monopodialen Blütenstand, das sind meist so genannte Trauben, existiert eine Hauptachse, der eventuelle Seitenzweige mit Blüten beigeordnet sind und die Endblüte oben im Regelfall über den Seitenblüten steht. Ein zymöser oder sympodialer Blütenstand endet auch mit einer Endblüte, welche aber von den Seitenzweigen übergipfelt wird, die sich weiter verzweigen. Beim Nagelkraut geschieht dies sehr gleichmäßig zu beiden Seiten, so dass ausgesprochen symmetrische (spiegelgleiche), verzweigte Blütenstände entstehen.