Kamener Stadtpflanzen - Folge 64: Stinkig, aber freundlich: Der Wald-Ziest und sein Bastard
von Dr. Götz Loos
Kamen. Man muss die Blätter nicht einmal an die Nase drücken, sondern die Pflanze nur in die Hand nehmen und man bemerkt den unangenehmen Geruch, der dem Wald-Ziest (Stachys sylvatica) entströmt. Dabei ist er eine durchaus attraktive Pflanze und wird auch reichlich von Insekten besucht (heute sagt man: Eine "insektenfreundliche" Pflanze). Zudem ist er eines der begehrten Objekte im derzeitig zunehmenden Boom der essbaren Gewächse. Die ätherischen Öle, die den Gestank erzeugen, verändern sich beim Zerreiben bzw. Bearbeiten - und auf einmal ergibt sich ein Duft irgendwo zwischen Pilz und Salbei.
Der Wald-Ziest hat, wie viele Lippenblütler, nesselähnliche Blätter, diese sind gerade bei diesem durchaus sehr ähnlich denen der Großen Brennnessel, breit herzförmig, auch in der Zähnung nähern sie sich an. Sie sind aber weichhaarig und besitzen keine Brennhaare. Die Kronen - bei den Lippenblütlern, wozu die Zieste zählen, finden sich die Kronblätter zu einer Lippenblüte verwachsen (siehe Porträt 62) - sind meist tiefer rot, manchmal weinrot-bräunlich, mit hellerer Zeichnung auf der Unterlippe. Blühend ist er zweifelsfrei zu erkennen. Einmal angesiedelt, baut der Wald-Ziest durch ungeschlechtliche Fortpflanzung und Vermehrung (Erdsprosse) größere, dichte Bestände auf. Er vermehrt sich aber nicht minder über Samen.
Die ursprünglichen Lebensräume sind feuchte, im Boden nährstoffreiche Wälder bzw. Waldabschnitte. Dies sind ursprünglich vornehmlich Auenwälder, so dass man annehmen kann, dass er schon vor der Besiedlung in Kamen u.a. in den Auenwäldern der Seseke vorhanden war. Heute kommt er in Kamen-Mitte an schattigen, aber menschengemachten Standorten vor: Von Gebüschsäumen über Parks, Brachen bis hin zu leicht bis stärker schattigen, meist alten Gärten. Häufig ist er hier nicht, eher zerstreut, aber dennoch an nicht wenigen Stellen anzutreffen.
Über den verwandten Sumpf-Ziest (Stachys palustris-Gruppe) wird ein eigenes Porträt gebracht werden. Allerdings sei noch ein Blick auf die Kreuzungen, die Hybriden (oder Bastarde) zwischen Wald- und Sumpf-Ziest geworfen. Diese werden Zweifelhafter Ziest (Stachys x ambigua) genannt und sind manchmal schwer vom Sumpf-Ziest abzutrennen.
Vor allem die Kronenfarbe hilft: sie ist beim Zweifelhaften Ziest stets dunkler als beim Sumpf-Ziest, der eher nach rosapurpurn tendiert und daher bei den Hybriden etwas in Richtung Wald-Ziest. Oft werden nicht alle Teilfrüchte bzw. Samen ausgebildet; wenn davon welche (scheinbar) reifen, dann stets nicht alle einer Blüte. Die Blattspreiten sind teilweise breiter als beim Sumpf-Ziest, aber ähnlich in ihrer länglichen Form, manchmal sind sie etwas bauchig und nicht ganz parallelrandig. Die Blattstiele sind kürzer als beim Wald-Ziest, teilweise länger als beim Sumpf-Ziest, aber nicht immer deutlich. Vom reinen Wald-Ziest sind sie offensichtlich immer klar zu unterscheiden.
Nur äußerst selten tritt der Zweifelhafte Ziest in Kamen-Mitte auf - anders als an Waldwegen und Säumen in Teilen des Sauerlandes. Ein Vorkommen in einem Vorgartenbeet am Gartenplatz beruht offenbar auf Einschleppung mit Füllerde. Denn die Pflanze vermehrt sich scheinbar fast nur ungeschlechtlich durch Erdsprosse - und die können mit Erde leicht verbracht werden.
Der Begriff: Bastard
Als Schimpf- und Schmähwort wird der Begriff reichhaltig verwendet. Ursprünglich wurden außereheliche oder ungewünschte Kinder so benannt. Als biologischer Fachbegriff jedoch bezeichnet er wertneutral die Kreuzungsprodukte aus zwei verschiedenen Arten (bei innerartlichen Sippenkreuzungen wird er kaum verwendet). Meist werden solche Kreuzungen heute allerdings Hybriden genannt.