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Kamener Stadtpflanzen - Folge 66: Kletternder Invasor: Die Weiße Waldrebe

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Natur & Umwelt

SP66oWeiße Waldrebe (Clematis vitalba), eine Gartenrandhecke an der Grillostraße einhüllend
von Dr. Götz Loos
 
SP66Blütenstand der Weißen Waldrebe am Unkeler WegKamen. Wenn man Lianen sehen wollte, wie sie Tarzan im Dschungel zur Fortbewegung benutzt hat, musste man früher zunächst in den Bönener Mergelbergwald oder in den Overberger Busch gehen. Dort hingen und hängen sie wie lange, dicke Seile von den Baumkronen herab und zeigen eine enorme Zugfestigkeit, auch wenn sie außen wie zerfasert aussehen. Die Rede ist von den windenden Sprossen der Weißen Waldrebe (Clematis vitalba) aus einer der wenigen verholzenden Gattungen der Hahnenfußgewächse. Eine Reihe von weiteren Arten und Kreuzungen findet sich bei uns als Zierpflanzen und zur Begrünung kultiviert (meist eingedeutscht als "Clematis").
 
Ab Ende der 1980er Jahre begann die Weiße Waldrebe eine Ausbreitung, die weiterhin erfolgt. Aus den Wäldern auf basenreichen Böden heraus erfolgte eine Ansiedlung anfangs vorwiegend auf Bahngelände. Inzwischen ist sie zu vielerorts zur charakteristischen Stadtpflanze geworden, standörtlich fast Alles bewohnend, was sich ihr bietet, sogar Pflasterritzen und Kellerlichtschächte; in Gärten dringt sie ebenfalls selbständig vor und wird dort nicht selten wenigstens in den Randhecken geduldet. So finden wir diese Pflanze in Kamens Siedlungsbereichen in Mitte an zahlreichen Stellen und - wie gesagt - standörtlich fast alles Denkbare besiedelnd.
 
Die cremeweißen (bis schwach gelblichen) Blüten fallen durch zahlreiche Staub- und Fruchtblätter auf. Später bilden sich aus den federartig behaarten, schwanzförmig verlängerten Griffeln die Anhängsel der Früchte, die für deren Ausbreitung sorgen. Allerdings sind starke Winde dazu nötig, da die Früchte verhältnismäßig schwer sind. Deshalb sind diese Gebilde auch noch klebrig und können so durch eine Art Klettausbreitung ebenfalls fortgebracht werden. Aufgrund der halbkugeligen Form der Fruchtstände mit den behaarten, fransigen Fruchtanhängseln wird die Pflanze im Volksmund als Perückenstrauch bezeichnet. 
 
Einmal angesiedelt, kann die Weiße Waldrebe eine verblüffende Wüchsigkeit entfalten und hüllt die als Stütze benutzten Sträucher und Bäume manchmal bis oben hin ein oder überwuchert sie regelrecht, so dass diese durchaus niedergedrückt oder sogar zum Zusammenbrechen gebracht werden können. Die Weiße Waldrebe ist als heimische invasive Pflanzenart mit allerdings lediglich örtlicher Schadwirkung einzustufen. Wo sie als heimisch oder als Neophyt bewertet werden kann, ist jedoch vom Betrachtungsraum abhängig. In einem eng abgegrenzten Gebiet Siedlungen von Kamen-Mitte muss die Art wohl als Neophyt gelten.
 
Der Begriff: Liane
Pflanzen brauchen Licht und müssen Konkurrenten darum, also andere Pflanzen, überlisten. Das kann gelingen, indem man zwar im Boden wurzelt, der Spross aber die Konkurrenz benutzt, um an ihr hochzuklettern und oben schließlich trotz Konkurrenz auch ans Licht kommt. Solche Kletterpflanzen, von deren es mehrere Typen gibt, werden der Lebensform der Lianen zugeordnet. Im engeren Sinne sind dies Pflanzen, die mit kletterndem, meist windendem Stängel bzw. Spross, oder entsprechenden Ranken an den Blättern ihr genanntes Ziel erreichen. Bei den Waldreben sind es kletternde, windende Sprosse - ebenso wie bei den tropischen Lianen (wie in den Tarzan-Filmen).
 
SP66uFruchtstände ("Perücken") der Weißen Waldrebe