Kamener Stadtpflanzen - Folge 68: Große Blüten, gewaltige Büsche: Die Armenische Brombeere
von Dr. Götz Loos
Kamen. An Brombeeren gibt es in Kamen mehrere dutzend Arten. Obwohl ich über die Jahre in der regionalen Presse immer darüber erzählt habe und in dem vor Jahren mit meinem Vater bei der Stadt Kamen veröffentlichten Büchlein "Landschaft und Lebewelt in Methler" eine ausführliche Abhandlung der dortigen Brombeerarten gegeben habe, werde ich immer noch erstaunt angesprochen, wenn ich darüber etwas sage.
Die Ursache liegt in der Fortpflanzungsweise, der fakultativen Agamospermie (siehe unten "Der Begriff"), nebst nachfolgendem Ausbreitungsverhalten. Jedoch sind nicht alle Arten in unserer Region oder in Mitteleuropa entstanden. Die häufigste Art, wenigstens außerhalb der Wälder, und ohnehin im Siedlungsraum Mitte, stammt aus dem Kaukasus. Es ist die Armenische Brombeere (Rubus armeniacus), ein als Obstpflanze in den Gärten kultiviertes Gewächs.
Diese Brombeerart ist 1860 zur Kultur eingeführt worden und war viele Jahrzehnte verbreitet in Gartenkultur. Ihr wucherndes Wesen machte sie jedoch unbeliebt - und so wurde sie im Garten nach und nach durch andere Brombeeren ersetzt. Heute sieht man nur noch vereinzelt offenkundig gepflanzte Bestände; viele Gartenvorkommen der letzten Jahrzehnte sind Selbstansiedlungen. Vielfach schon in den 1980er Jahren verwildert und eingebürgert vorhanden, setzte bald darauf eine massive, bis heute anhaltende Ausbreitung ein. Die Art ist ein invasiver Neophyt, der für den Naturschutz und für geregelte Flächennutzungen zum Problem werden kann.
Andererseits ist sie unter unseren Brombeeren diejenige Art mit den größten, in der Regel wohlschmeckendsten Früchten und wird oft beerntet. Allerdings muss man sich vorsehen: Die großen, relativ dicht sitzenden Stacheln können nicht nur unangenehm stechen, sondern in den überaus hochwachsenden, ausgedehnten Gebüschen, die diese Art mehr als andere ausbildet, kann man sich zudem sehr leicht verfangen. Solche Gebüsche gibt es an etlichen Stellen in Kamen-Mitte, sehr umfangreich unter anderem an den alten Zechenbahnen und entlang der Bahnstrecke, auch am Bahnhof. Neuansiedlungen mit zunächst kleinen Pflanzen sieht man nahezu überall, von Straßenrandbeeten bis hin sogar zu Pflasterfugen.
Generell bietet die Armenische Brombeere viele Superlative: Die Blüten mit ihren überwiegend hellrosa Kronblättern sind bei optimaler Entwicklung fast so groß wie Wildrosenblüten, die Blätter erreichen Längen wie zwei Handflächen aneinander gelegt. Auffällig sind die weißfilzigen Unterseiten der Blättchen (das gibt es jedoch bei einer Reihe von Arten) sowie die rotfüßigen Stacheln auf grünem Untergrund - in Vollsonne sind sie wie die Schößlinge aber meist ganz rot. Die Schößlinge selbst, die blütenlosen erstjährigen Triebe, können Stärken erreichen wie die Ärmchen kleiner Kinder. Dadurch gewinnt diese Art eine ganz enorme Konkurrenzstärke.
Der Begriff: AgamospermieHierbei handelt es sich um eine Form asexueller Fortpflanzung. Das Thema ist etwas komplizierter, so dass vereinfacht gesagt werden kann: Es ist Samenbildung ohne Befruchtung. In der Folge entstehen Nachkommen, die wie eineiige Zwillinge der Mutterpflanze sind - oder biologisch korrekter: Es sind Klone der Mutter. Diese Fortpflanzungsweise existiert als eine unter vielen bei nicht wenigen Pflanzengattungen. Völlig agamosperm sind die meisten Arten der Gattung Löwenzahn bei uns. Bei den Brombeeren herrscht fakultative Agamospermie vor, d.h. ab und zu bilden sich bei manchen Brombeerarten empfängnisfähige Eizellen in den Fruchtknoten der Blüten (gehört zu deren weiblichen Geschlechtsorganen) aus. Spenderfähige Pollen (aus den Staubblättern, den männlichen Geschlechtsorganen der Blüten) bilden fast alle Brombeerarten ohnehin noch aus. Bei einer dann auftretenden sexuellen Fortpflanzung zweier Brombeerarten mittels Bestäubung entsteht eine Kreuzung, eine Hybride. Wird diese asexuell und breitet sich mit ihren Merkmalen aus, ist eine neue Art entstanden.