Kamener Stadtpflanzen - Folge 71: Nicht erst im Herbst und kein "richtiger" Löwenzahn: Der Herbstlöwenzahn
von Dr. Götz Loos
Kamen. Gelbblühende Korbblütler mit flugfähigen Früchten bereiten manchmal auch etwas fortgeschrittenen Pflanzenkennern Bestimmungsprobleme, weil es recht viele ähnliche von ihnen gibt. Schon der Blick in unsere Scherrasen bietet da eine ganze Reihe an Gattungen und Arten, gleichwohl mit zeitlicher Versetzung im Aufblühen, was schon eine wichtige Erkennungshilfe sein kann. Die am spätesten aufblühende Art (normal ab den letzten Juni- oder den ersten Julitagen) bei uns an solchen Standorten ist der Herbstlöwenzahn (Scorzoneroides autumnalis). Er blüht also bereits vor dem Hochsommer auf und nicht etwa erst im Herbst. Dreht man die randlichen Blüten in einem Blütenkopf um, sieht man bei diesen einen roten Streifen, was beim Herbstlöwenzahn sehr einheitlich ist.
Dieser Herbstlöwenzahn ist zwar entfernt mit den "üblichen" Löwenzähnen (Gattung Taraxacum) verwandt, gehört jedoch eindeutig einer anderen Gattung an und steht den Ferkelkräutern näher. Die Hauptmasse an Blättern steht in einer Rosette unten am Boden, ab und zu gibt es auch kleine Blätter an den Stängeln - gewöhnlich besitzt eine Herbstlöwenzahn-Pflanze einen stark verzweigten Stängel. Nichtblühende Jungexemplare haben meist schwach gezähnte oder gänzlich ungezähnte Rosettenblätter, später sind die Spreiten mindestens eingebuchtet, meistens allerdings in lange linealische oder breit lanzettlichen Zipfel zerteilt, die bisweilen sehr lang sein können. In Kamen-Mitte ist die Mehrheit der Pflanzen an den Blättern unbehaart; stark behaartblättrige Bestände sind hier selten.
Standörtlich ist der Herbstlöwenzahn in erster Linie ein Besiedler der (weniger oft gemähten) Scherrasen in der Stadt. Daneben findet er sich auch oft an Straßenrändern, in Bordsteinfugen, Gossen oder auf den Gehsteigen (in weniger stark betretenen Bereichen), wenn dort nicht der Bewuchs entfernt wurde. Weitere Standorte sind Brachen, Bahngelände, Grünstreifen, Gartenland, Garagen- und Haushinterhöfe u.a. Die Pflanze ist im Siedlungsbereich Mitte insgesamt nicht selten, weißt jedoch örtliche Schwerpunkte mit großen Vorkommen auf und fehlt kleinräumig anderswo.
Der Herbstlöwenzahn ist nicht eine einheitliche Art, sondern eigentlich eine Gruppe einander sehr ähnlicher Arten. Der Kern dieser Gruppe ist ein kleiner Komplex von "Geschwisterarten", die praktisch identisch aussehen, aber sich in der Aufblühzeit unterscheiden. In Kamen wie überhaupt in der Umgebung kommt von diesen nur die am spätesten aufblühende Art vor. Die anderen sind also noch früher und keineswegs typische Herbstblüher, trotz des Namens. Ganz vereinzelt "verfrühen" sich einzelne Exemplare davon, was womöglich in den Genen durch Erbgutveränderung manifestiert ist.
Der Begriff: Flugfähige Früchte
Um eine bessere und schnellere Ausbreitung zu gewährleisten, lassen sich bei vielen Pflanzenarten die Früchte durch den Wind verbringen. Um dies hinzubekommen, benötigen sie "Flugeinrichtungen". Diese sind derart vielfältig, dass sie hier gar nicht alle kurz behandelt werden können. Beschränkt man sich auf die Korbblütengewächse, zu denen der Herbstlöwenzahn zählt, so finden sich hier Flughaare, die je nach Gattung ein etwas anderes "Gestell" aufbauen, mitunter sitzen sie auch nur als Reihe auf der Frucht. Besonders kompliziert ist die Fallschirm-Konstruktion bei den "echten" Löwenzähnen (Taraxacum), wo ein Schirm mit Stiel entwickelt ist.