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Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf die Stadt Kamen

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

Kamen. Heute vor 400 Jahren, am 23. Mai 1618, begann mit dem (zweiten) Prager Fenstersturz ein Krieg, der große Teile des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation - wie man das Gebiet, dass wir heute als Deutschland kennen, damals nannte - verwüstete.

In diesem Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten ging es aber nicht nur um den „rechten“ Glauben, den jede Seite für sich beanspruchte, sondern auch um die Vormachstellung in Deutschland und Europa. Das Dutzend kleinerer und größerer Kriegszüge, die wir heute in der Rückschau „Dreißigjähriger Krieg“ (1618 - 1648) nennen, war keine ausschließlich deutsche Angelegenheit, sondern rief auch ausländische Mächte auf den Plan.

Der Krieg brachte große Bevölkerungsverluste durch Hunger, Seuchen und Massaker mit sich und hinterließ ein entvölkertes, wirtschaftlich destabilisiertes und politisch relativ machtloses Reich. Politische, religiöse aber auch soziale Auseinandersetzungen führten zu einer europäischen Katastrophe, so dass auf die Verheißungen von Renaissance und Humanismus die Barbarei eines schrecklichen Krieges folgte.

Ein Krieg, der sich auch unmittelbar in Kamen und der gesamten Hellwegregion abspielte. Kamen war eine territoriale Kleinstadt, die wahrscheinlich im Laufe des 13. Jahrhunderts Stadtrechte erhielt. Die folgende Blütezeit ermöglichten auch die Verbindungen der städtischen Kaufleute zum hansischen Handel, wenngleich die spätmittelalterliche Gewerbestruktur wohl mit Ausnahme der Tuchmacher tendenziell auf eine lokalregionale Ausrichtung verweist. Doch bereits Ende des 15. Jahrhunderts lassen sich (aus mehreren Gründen) Stagnationstendenzen erkennen, die durch einen (politischen) Bedeutungsverlust der Stadt innerhalb der Grafschaft Mark noch verstärkt wurden.

Die Spannungen um das Erbe der Grafschaft Mark fanden schließlich parallel zu den Kriegshandlungen statt, welche die Stadt Kamen wohl am stärksten in der ersten Hälfte des Krieges trafen. Wann die Besetzungen und Durchzüge fremder Truppen stattfanden, ist nicht für alle Ereignisse genau belegt. Es fanden aber von 1624-29 „in bunter Folge Durchmärsche statt“, wie die Kamener Zeitung am 3.3.1931 unter der Überschrift „Von Krieg, Seuchen, Not und Tod“ (mit Verweis auf das älteste erhaltene Kamener Kirchenbuch) berichtete. Fremde Truppen, „die hier durch Plündern, Brennen, Schänden und Morden hausten schrecklich.“ Den Heeren folgte „ein Troß von allerlei zweifelhaften Elementen, von Weibern und Kindern (…).“

Bedingt durch den Krieg, aber auch einhergehende Seuchen und etliche Stadtbrände verarmte Kamen wie weite Teile der Hellwegregion über Jahrhunderte. Mitte des 17. Jh.s, nach dem Ende des Krieges, zählte die Stadt gerade einmal 800 Einwohner. Auch die Klagen der Bürgermeister und Räte der „beiden zu Grund ausgemergelten Städte Unna und Camen“ aus dem Jahr 1635 an den Landesherrn hatte das nicht verhindern können. Nur sehr langsam erholte sich das wirtschaftliche, kulturelle und soziale Leben.

Interessant ist, dass eine Episode aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Kamen mit der deutschen Literaturgeschichte verbindet. Der bedeutend(st)e Schriftsteller der Barockzeit, Christoffel v. Grimmelshausen, beschreibt in seinem Schelmenroman „Simplizissimus“ seinen Gefährten „Springinsfelt“, mit dem er in Soest auf Garnison liegend, viele Streifzüge auch durch die Hellwegregion unternahm. Es handelt sich hier wohl nicht um einen Spitznamen, sondern einen realen Familiennamen, denn das Kamener Stadtarchiv fand in den 1990er Jahren folgende Kirchenbucheintragung vom 17. Dezember 1624: „Spring ins Felt des Soldaten Söhnlein ist Hanß Jürgen genannt.“

Was hat der „große Krieg“ und der folgende Westfälische Frieden“ von Münster und Osnabrück rückblickend gebracht? Sozialgeschichtlich keinen Vorteil, sondern nur Millionen Tote und zum Teil ganze entvölkerte Landstriche. Aber die Niederlande wurden unabhängig (von Spanien), Frankreich und Schweden erhielten Gebietszuwächse (zu Lasten des Reiches) und die deutschen Fürsten erreichten mehr Autonomie vom Kaiser. Außerdem wurde der Friedensvertrag zum Vorbild vieler wichtiger Vertragswerke der nächsten Jahrhunderte. Die ausgehandelte Reichsverfassung hielt über 150 Jahre, länger als alle späteren.

Warum wünschen Menschen zu allen Zeiten, auf allen Ebenen und überall auf der Welt Frieden und warum ist seine Bewahrung auf Dauer nie gelungen? Dazu läuft zurzeit (noch bis zum 02. September) in Münster, der Stadt des Westfälischen Friedens, eine fünfteilige Ausstellung mit dem Titel: „Frieden. Von der Antike bis heute“. Anlass für die interdisziplinären Schau(en) in fünf Museen ist neben dem Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren auch die Schließung des Westf. Friedens vor 370 Jahren.