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Die Pfarrkirche Hl. Familie in Kamen wird 120 Jahre alt

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

heiligefamilieKWFoto: Archiv KamenWeb.de

von Klaus Holzer

KH1022 1Abb. 1: Grundsteinlegung (das Gebäude links ist der Westerholtsche Hof, das dritte von links, mit dem spitzen Giebel, der Kappenberger Hof, ehemalige Burgmannshöfe) (Photo: Frau Pietsch Methler)

Kamen. Die zweite große Kamener Kirche, die die Stadtsilhouette prägt, ist die Pfarrkirche Hl. Familie. Am 28. Okt. d. J. ist es genau 120 Jahre her, daß sie konsekriert wurde, nach nur anderthalb Jahren Bauzeit.

Sie hatte vier Vorläufer. Die erste Kirche war eine kleine Holzkirche aus der Zeit Karls d.Gr.; die zweite die erste Kirche der Beginen, eine Klosterkirche aus dem 15. Jh.; die dritte die St. Severinskirche, heute Pauluskirche, die nach der Reformation evangelisch wurde; die vierte der Ersatz des Kirchleins aus dem 15. Jh., den das Kloster 1848 durch einen Gottesdienst an Weihnachten einweihte; und schließlich die heutige Pfarrkirche, das größte Gebäude der Stadt: 78,4 m hoch, 58 m lang, 30 m breit, im Inneren fast 20 m hoch.

Die neue große Kirche war nötig geworden, weil die Zahl der Katholiken in Kamen durch die Inbetriebnahme der Zeche Monopol seit 1873 sehr viele Bergleute aus katholischen Provinzen Deutschlands in die protestantische Stadt lockte. Hatte Kamen 1840 nur noch 457 Katholiken im ganzen Kirchspiel – das umfaßte alle Gemeinden und Dörfer zwischen Nordbögge, Heeren, Methler und Wasserkurl – waren es 1895 bereits 4404! Damit war klar, daß das Klosterkirchlein von 1848 nicht mehr ausreichte. Außerdem war es auf Fließsand gebaut und zeigte schon bald nach der Einweihung erste Risse. 1907 wurde es abgebrochen.

Aber da stand schon lange sein Ersatz. Der damalige Pfarrer Josef von Bishopinck betrieb mit großer Energie seinen Plan eines Neubaus, der größer und schöner als alle benachbarten Kirchen sein sollte. 1890 wurde für 24.000 Mark von Fräulein Boschulte ein geeignetes Grundstück erworben, dessen Zuschnitt und Untergrund (Fließsand in Sesekenähe) nur eine Bebauung in Nord-Südrichtung zuließ, aus städtebaulichen Gründen ein großes Glück. Man stelle sich nur einmal die zwei großen Kirchen hintereinander stehend vor.

Bei der Finanzierung ergaben sich große Probleme, weil Preußen, zu dem Kamen damals gehörte, sein Kirchendrittel nicht zu der geplanten prächtigen Kirche dazugeben wollte: für eine Arbeiterbevölkerung reiche eine einfache Kirche, hieß es aus Berlin. Von Bishopinck wurde zum großen Geldsammler, der auch „evangelisches“ Geld nicht verschmähte.

KH1022 3Abb. 3: Das Nordportal mit Wimperg und Christus Pantokrator (Photo: Klaus Holzer)

Die Kamener katholische Gemeinde beauftragte den Berliner Architekten August Menken, der sich durch viele Kirchenneubauten in Deutschland bereits einen Namen gemacht hatte, mit der Planung und Leitung des Baus. Heraus kam ein neogotischer Bau mit 830 Sitzplätzen und 1500 Stehplätzen!

Zur Konsekration, einer besonders feierlichen Form der Einweihung, kam der Paderborner Bischof Dr. Schneider mit dem Zug nach Kamen. Am Bahnhof wurde er vom Pfarrer und dem Vorstand der Kirchengemeinde empfangen. Gemeinsam fuhr man im Vierspänner durch die geschmückte Bahnhofstraße zur neuen Kirche, wo der Bischof die vielen zur Konsekration nötigen liturgischen Handlungen vornahm. Ganz Kamen nahm stolz an diesem Ereignis Anteil, nur „die evangelische Kirchengemeinde hielt sich von der Feier fern“.

Der Bau ist stark mit Symbolik aufgeladen: drei Türme befinden sich über dem Chor und stehen für die heilige Trinität, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, eine Besonderheit, die es sonst in neugotischen Kirchen nicht gibt. Die eckige Ziffer 8 der Turmuhr steht für Unendlichkeit: 8 Türme, die 4 ist eine gotische Vier, die auf den Baustil verweist, u.v.a. mehr.

Vom Bildhauer Alexander Iven stammt das besonders hervorstechende Nordportal, mit der Figur Jesu als Pantokrator (All- bzw. Weltherrscher). Der Nordeingang zeigt, daß Chartres’ Mittelportal der Westfassade mit dem Wimperg (Ziergiebel) und seinem bildnerischen Schmuck sowie dem plastisch gestalteten Tympanon (Giebelfeld) dem Bildhauer bei der Gestaltung des Kamener Portals vorgeschwebt haben mag.

Am 24. Feb. 1945 erhielt die Kirche zwei schwere Bombentreffer, die nicht nur das Gebäude, sondern auch die Inneneinrichtung schwer beschädigten. Am 15. Sept. 1946 stürzte während der heiligen Messe das Kreuzgewölbe hinter einer schützenden Bretterwand ein, unterbrach die Stromversorgung und verursachte Panik unter den Besuchern, denen zum Glück aber nichts passierte.

KH1022 4Abb. 4: 1945 – von Bomben getroffen (Photo: Stadtarchiv Kamen)

Auch mit den Glocken hatte man viel Pech. Zur Konsekration kamen sie so spät, daß sie nicht mehr in den Turm, sondern nur auf ein eilig gezimmertes Gerüst gehängt werden konnten. Drei der ursprünglich vier Bronzeglocken wurden während des Ersten Weltkriegs eingeschmolzen („Gold gab ich für Eisen“). 1922 erhielt die Kirche drei neue Stahlglocken, die jedoch 1986 bei einer Überprüfung Risse aufwiesen. Sie durften nicht mehr geläutet werden. Einmal jedoch, an Silvester 1986, ließ Pfarrer Beule noch einmal alle Glocken erklingen, weil sich zu der Zeit „sowieso niemand hier aufhält“. Am 27.3.1988 wurden die vier neuen Bronzeglocken aus Gescher eingeweiht, die mit ihrem wohltönenden Klang heute Kamen bereichern. Seit 2015 stehen die zwei erhalten gebliebenen Stahlglocken vor dem Turm, die vorher 27 Jahre den Betrieb auf dem städtischen Bauhof gestört hatten.

In den 1960er Jahren wurde wegen der Beschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils ein Umbau des Innenraums nötig. Der Hemmerder Künstler Josef Baron entwarf die neue Raumaufteilung: der Priester sollte um den Altar herumgehen, bei der Messe sich der Gemeinde statt der Apsis im Osten zuwenden können und Deutsch sprechen statt Latein.

In den 1990er Jahren standen in der nun fast 100 Jahre alten Kirche umfangreiche Reparatur- und Renovierungsarbeiten an. Insgesamt wurden fast DM 8 Millionen verbaut. Heute hat Kamen ein wunderbares Gebäude, dessen Besuch sich nicht nur für Gottesdienstbesucher lohnt. Denkmalliebhaber und Kunstfreunde kommen auch auf ihre Kosten.

Die Pfarrkirche Hl. Familie ist jeden Vormittag, außer montags, von 10.00 - 12.00 Uhr für Besucher geöffnet.

Der ausführliche Artikel steht unter www.kulturkreiskamen.de