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Stadtgeschichte: Das Fürstentum Sedan, die Grafschaft Mark und die Stadt Kamen

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

von Marie-Luise Steffan und Klaus Holzer

Kamen. Maria-Luise Steffan, Gildemeisterin der Gästeführer-Gilde Kamen nahm im Sommer an der Bürgerreise nach Frankreich, besonders in Kamens Partner-stadt Montreuil–Juigné teil und war erstaunt, als sie entdeckte, wie tiefe historische Beziehungen zwischen einer französischen Region und Kamen bestehen. Hier einige Informationen, die sie nach ihrer Rückkehr zusammengestellt hat:

w sedan1w grafschaftDas Fürstentum Sedan, die Grafschaft Mark und die Stadt Kamen

Das Fürstentum Sedan war in der zweiten Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein unabhängiges Fürstentum innerhalb der Grenzen Frankreichs. Zentrum des Fürstentums war die Burg Sedan. Im Mittelalter war Sedan vom Lehen Mouzon abhängig, das sich im Besitz des Königs von Frankreich befand, die Herren von Sedan waren somit deren Vasallen.

Nach dem Blutbad von Wassy 1562 und während des darauf folgenden Ersten Hugenottenkrieges proklamierten Henri-Robert de la Marck, Herzog von Bouillon, und seine Ehefrau Francoise de Bourbon, Tochter Louis` III. de Montpensier, beides Protestanten, die Unabhängigkeit Sedans und sich zu Fürsten.

Henri-Robert de la Marck (geb. 7. Februar 1539; gest. 2. Dezember 1574) war zweiter Herzog von Bouillon und erster Fürst von Sedan. Er war außerdem Gouverneur der Normandie. Er stammte aus der französischen Linie des Hauses Mark. Der Vater war Robert IV. de la Marck und die Mutter Francoise de Brézé, Gräfin von Mau-lévrier.

Das Haus Mark (auch Marck, vollständiger Name von der Mark) war ein deutsches Adelsgeschlecht und stellte Herren der Grafschaft Mark.

Sie waren eine Seitenlinie der Grafen von Berg bzw. von deren Ableger, den Grafen von Altena-Berg. Die andere Seitenlinie der Grafen von Altena-Berg herrschte bis 1225/26 als Grafen von Hövel über die Grafschaft Hövel-Isenberg und ab 1242 als Grafen von Limburg über die Grafschaft Limburg.
Das Geschlecht der Grafen von der Mark hat sich später selbst in verschiedene Zweige aufgespalten.

Neben der Stammlinie den Grafen von der Mark und später den Herzogen von Jülich, Kleve und Berg stellte das Geschlecht auch Linien des Hauses Arenberg, der Herzöge von Bouillon, Fürsten von Sedan und Herren von Lummen und der Grafen von Schleiden.

w kamenAuszüge aus wikipedia – Fürstentum Sedan Henri-Robert de La Marck
Haus Mark (Adelsgeschlecht)

Die erste schriftliche Erwähnung der Stadt Kamen datiert aus dem Jahre 1050 im Verzeichnis der Abtei Werden (heute ein Stadtteil von Essen).
Zu dieser Zeit wird Kamen noch den Charakter eines Dorfes gehabt haben. Einen Übergang über die Seseke, ein gräflicher Hof, eine Kirche (noch aus Holz) und einige Höfe in unmittelbarer Nähe.
Die Herren dieses Landes, Vorgänger der Grafen von der Mark, saßen auf der Burg Mark bei Hamm. Um das Jahr 1200 verkaufte Rabodo von der Mark seine Besitzungen samt Gerichtsbarkeit und allen Rechten an dem ihm verwandten Grafen Adolf III. von Altena (1198 – 1249). Adolf III. nennt sich nun Graf von Altena und von der Mark und nahm das märkische Wappen an. Später wurde der Namensteil „von Altena“ gestrichen.

Kamen wird zweite Residenzstadt (nach Hamm) der Landesherren. Die Stadt wird befestigt (erst 5 Burgmannshöfe um 1240, dann Errichtung einer Stadtmauer von 1243 bis 1247 und 5 weitere Burgmannshöfe um 1350).

Das bis heute offizielle Stadtwappen lässt sich bis zum Jahr 1284 zurückverfolgen und zeigt deutlich die Verbindung zu dem Haus Mark.

Und es gibt noch eine Beziehung, derer man sich in Kamen entledigte, als man nach dem zweiten in einem Jahrhundert von Deutschland begonnenen und verlorenen Weltkrieg das Sedan-Denkmal abriß, das zuvor 80 Jahre lang auf dem Markt gestanden hatte.

Warum stand es da? Denkmale stehen immer zur Erinnerung etwas Vergangenes, an einen Sieg des deutschen Heeres im deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Bis dahin hatte es kein deutsches Reich gegeben, eigentlich also auch kein „deutsches“ Heer. Es gab die Königreiche Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg und eine große Zahl unabhängiger deutscher Staaten, besonders Großherzogtümer, aber auch viele Zwergstaaten z.B. in Thüringen. Und neben dem mächtigen Preußen gab es die mindestens ebenso mächtige Österreichisch–Ungarische Monarchie.
Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck verfolgte eine Politik der nationalen Einigung und der Einengung der französischen Machtstellung in Europa. Diese beiden Länder waren damals „Erbfeinde“, was heute unvorstellbar ist. Den äußeren Anlaß für den Krieg gab der Streit um die Berufung des Erbprinzen von Hohenzollern–Sigmaringen auf den spanischen Thron, was Napoleon III verhindern wollte, da er sich sonst von Hohenzollern, Wittelsbachern und Habsburgern umzingelt sah. Seinen Einspruch verkürzte Bismarck in einer Mittelunbg an den in Bad Ems weilenden preußischen König. Stichwort: „Emser Depesche“. Am 19.7.1870 erklärte Frankreich den Krieg. Ein Bündnis mit Österreich kam nicht mehr zustande, die süddeutschen Staaten traten auf die Seite Preußens. Innerhalb weniger Wochen war Frankreich besiegt. Der Sieg in der Schlacht von Sedan am 2.9.1870 bedeutete das Ende des französischen Kaiserreiches, da Napoleon III an diesem Tag gefangengenommen wurde. Allerdings wurde nur zwei Tage später die Französische Republik ausgerufen. Neu aufgestellte Massenheere verzögerten das Kriegsende bis zum Januar 1871.

Reichsgründung, Gemälde von Anton von WernerEine unmittelbare Folge dieses Krieges war die Gründung des Deutschen Reiches (auch das Zweite Deutsche Reich genannt, nach dem Ersten, dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, weswegen die Nazis später ihr „neues“ Deutschland „Drittes Reich“  nannten) am 18. 1. 1971 im Spiegelsaal von Versailles. Danach brach eine wahre deutsch–nationale Begeisterung  aus, überall wurden Sedan–Denkmale gebaut.

 

 

 

 

 

 

 

Das Kamener Sedan–Denkmal in seiner ursprünglichen Gestalt als Mittelpunkt des MarktplatzesIm selben Jahr wurde auch das Kamener Sedan–Denkmal eingeweiht, finanziert aus Sammlungen in Kamen und den umgebenden Ortschaften. Der Kamener Ortschronist Friedrich Pröbsting schreibt im Jahre 1901: „… wozu die dankbare Liebe der Bürger und der beteiligten Landgemeinden freiwillig die erforderlichen Mittel (an 3000 Mark) zusammenlegte.“ Und an diesem Denkmal fanden jährlich am „Sedanstag“ patriotische Feiern statt. Wieder Pröbsting: „Dieses Denkmal ist seitdem der Platz, wo unsere Kriegervereine mit Rede und Gesang ihre patriotischen Erinnerungsfeste abhielten. … Der Tag bei Sedan, als der Stiftungstag des neuen Deutschen Reiches, ist fast 30 Jahre lang als ein herrliches Kinderfest von allen Schulen unter lebendiger Teilnahme der Erwachsenen hier gefeiert worden.“
Um die in Kamen vorhandenen Kriegerdenkmale, natürlich gedacht zur Erinnerung an die Toten der Kriege, gab es in unserer Stadt 1954 heftige politische Auseinandersetzungen. Sozialverbände forderten ein zentrales Mahnmal für die Kriegsopfer, unterstützt von BHE und CDU, die SPD wollte nur ein Kreuz auf dem Friedhof. Sie lehnte ein zusätzliches Mahnmal ab, weil „dieses Mahnmal wieder Rummelplatz von militärischen Verbänden werden“ könnte. 1956 wurde in einer Ratssitzung entschieden, daß es bei dem Kreuz auf dem Friedhof bleiben solle. Das Sedan–Denkmal wie auch das ebenso stark beschädigte Denkmal für die Toten des Ersten Weltkrieges wurden abgerissen. Schade, nicht weil wir wieder patriotische Gesänge singen möchten, sondern weil solche Denkmale uns an andere Zeiten erinnern, als patriotische Lieder normal waren, und daran, daß so etwas heute nicht mehr geht. Und vielleicht wären beide Denkmale auch als gestalterische Elemente in unserer Stadt heute von Interesse.


Das Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs wird am 2. Oktober 1927 eingeweihtKlaus Göhrke, aus dessen Stadtgeschichte ich hier zitiere, gibt an, daß „die Platten und die Tafeln beider Mahnmale auf den Hauptfriedhof Kamen“.
Ganz ohne Mahnmale ist Kamen aber auch heute nicht. Ganz dicht beieinander stehen zwei, die in ihrem künstlerischen Ausdruck ganz anders sind als die beiden abgerissenen: die Gedenkstätte für die in Gefangenschaft gebliebenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs am Sesekedamm zwischen Mai– und Partnerschaftsbrücke von Otto Holz (1953), damals Kunsterzieher am Kamener Gymnasium und dem für die von den Nazis ermordeten Juden unweit der Stelle, an der bis 1938 die Synagoge stand von Reimund Kasper, (1987) dem bekannten Kamener Künstler, der heute noch künstlerisch tätig ist. Beide Mahnmale sind nüchtern, appellieren an Gedanken statt an Gefühle, sind nicht mehr zu mißbrauchen.

Denkmal für die Gefangenen nach dem Zweiten Weltkrieg Denkmal für die ermordeten und vertriebenen Kamener Juden

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