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Entscheidung im Rat: Kamen liegt jetzt bei Grundsteuer B mit Bönen an vorderster NRW-Front

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Kommunalpolitik

von Alex Grün

Kamen. Vor einem rappelvollen Zuschauerraum stimmte der Rat der Stadt Kamen am Donnerstag in einer Sondersitzung über den Haushalt 2024 ab - und damit über eine Erhöhung der Grundsteuer B. Die gute Nachricht: die Stadt verfügt nun über einen genehmigten Haushalt. Die schlechte: die Grundsteuer B wird um 250 auf 940 Prozentpunkte angehoben (Bundesdurchschnitt: 550) und liegt damit gemeinsam mit der Nachbarkommune Bönen an vorderster Landesspitze. Die Fraktion Linke/GAL konnte sich mit ihrem Vorschlag zur Gewerbesteuererhöhung im Sinne einer Kompensation nicht durchsetzen (wir berichteten). Gegenstimmen gab es nicht nur von den "Oppositionsfraktionen", sondern auch von zwei CDU-Ratsmitgliedern.

Hintergrund: Die Fraktionen von SPD und CDU forderten in der Dezembersitzung des Rates die jetzt beschlossene Anhebung des Grundsteuer B-Hebesatzes, wobei die CDU sogar ihre Zustimmung zur Haushaltssatzung von der Erhöhung abhängig machte. Der Haushalt steht jetzt, aber Einstimmigkeit sieht anders aus: die gesamte Rats-"Opposition" und sogar zwei Mitglieder der CDU-Fraktion stimmten aus Überzeugung heraus gegen die Satzung. Es standen zwei Varianten zur Wahl, wobei die erste mit der von der Linke/GAL-Fraktion geforderten Erhöhung der Gewerbesteuer einherging (wir berichteten). Der Sachantrag auf eine gleichzeitige Erhöhung der Gewerbesteuer auf 510 Prozentpunkte wurde mit sechs Zustimmungen und zwei Enthaltungen abgelehnt. Mehr Erfolg hatte der Antrag der Wählergemeinschaft Kamen, die eine freiwillige Haushaltskonsolidierung forderten, welche nach einer Umformulierung im Wortlaut des Beschlussvorschlags einstimmig angenommen wurde.

Jetzt liegt der Hebesatz also bei stolzen 940 Prozentpunkten, dafür bleibt die Gewerbesteuer unangetastet. "Früher hieß es einmal: Kamen - die schnelle Stadt", erinnerte FDP-Ratsherr Alfred Mallitzky an einen Promo-Slogan aus den Siebzigern. "Jetzt muss es wohl heißen: Kamen - die teure Stadt", brachte Mallitzky den Grund für die Absage seiner Fraktion auf den Punkt.

Eine solche gab es auch von den Bündnisgrünen und der Wählergemeinschaft: Da im nächsten Jahr ohnehin die bundesweite Grundsteuerreform umgesetzt werde, sei es müßig, sich jetzt auf kommunaler Ebene auf neue Hebesätze festzulegen, verwies Grünen-Fraktionsvorsitzende Anke Dörlemann auf den ab nächstem Jahr vereinheitlichten Hebesatz von 0,31 Promille. Die Grundsteuermesszahlen werden 2025 auf etwa ein Zehntel des bisherigen Durchschnitts gesenkt und bundesweit vereinheitlicht. Die CDU erntete Kritik von Dörlemann, "weil der Konsenz über das Thema Grundsteuer dem Rat übergestülpt" worden sei, ohne die anderen Fraktionen zu fragen. Wählergemeinschaftsvorsitzender Dennis Kobus blieb auch in der Debatte am Donnerstag bei der Meinung, dass harte Sparmaßnahmen und eine freiwillige Konsolidierungsverpflichtung mehr bringen, als Steuererhöhungen. Linke/GAL-Fraktionsvorsitzender Klaus-Dieter Grosch verwies in der Debatte noch einmal auf die einseitige Belastung für Mieter, die sich, so Grosch, mit Energie- und Inflationskosten künftig "verdreifache". Andererseits verzichte die Stadt auf Einnahmen aus einem möglichen Parkraumbewirtschaftungskonzept. AfD-Einzelvertreter Ulrich Lehmann merkte an, dass Bundes- und Landesregierung angesichts der immensen Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten "nicht über kommunale Steuern aus der Verantwortung entlassen" werden dürften, so Lehmann.

SPD-Fraktionsvorsitzender Daniel Heidler verteidigte den Ratsentscheid, wobei auch seiner Fraktion beileibe nicht wohl dabei ist: "Die Entscheidung für die Grundsteueranhebung ist der SPD-Fraktion so schwer gefallen, wie keine andere in den letzten zehn Jahren", beteuert Heidler.

"Wir wissen, dass es in unserer Stadt Menschen gibt, die täglich hart arbeiten und trotzdem direkt spüren, wenn sie im Monat sieben, acht oder gar zehn Euro mehr Steuern bezahlen müssen", legt Heidler die Gefühlswelt der SPD-Fraktion offen. Andererseits sei es gerade diese Klientel, die von Kürzungen in der kommunalen Infrastruktur am meisten betroffen seien: "Menschen brauchen verlässliche Strukturen bei der Kinderbetreuung, im Vereinssport, in den Schulen. Das muss kommunal gewährleistet werden, sonst ist die solidarische Entwicklung gefährdet", begründet Heidler die Zustimmung seiner Fraktion. "Klar ist deshalb für uns, dass die Gründe für die kommunale Finanzsituation, die in allen Städten mittlerweile eklatant ist, fortwährend Thema bleiben muss: Die Städte und Gemeinden müssen mittlerweile unvorstellbare Summen für Sozialleistungen aufbringen, die auf anderen Ebenen gesetzlich verankert worden sind", so Heidler, der das Thema bei den anstehenden Wahlen auf Landes- und Bundesebene verstärkt aufgreifen will. "Dass NRW im Bundesschnitt die höchsten Grundsteuerhebesätze hat, ist ein klarer Indikator, dass hier etwas falsch läuft", so Heidler.

Seine Fraktion komme zu keinem anderen Schluss als im Dezember, stellte CDU-Fraktionschef Ralf Eisenhardt gleich von vornherein fest, wobei der Antrag der Linke/GAL aus Sicht seiner Fraktion durchaus diskutabel gewesen sei. Aber auch keine Lösung: Auf die Gewerbesteuer zu setzen, sei in Zeiten rezessiver Wirtschaftsentwicklung zu unsicher, so Eisenhardt. Gewinne in der bisherigen Form würden künftig nicht mehr zu erwirtschaften sein, betonte er mit Blick auf die Stahlindustrie in NRW - "und Kamen ist keine Insel", so Eisenhardt. Ein Haushaltsausgleich solle möglichst mit Rücklagen gebildet werden, auf Kredite zur Deckung laufender Kosten möglichst verzichtet werden. Allerdings sei durch reines Sparen nicht einmal ein Fünftel des Defizits in diesem und den nächsten Jahren ausgzugleichen. Daher stimme seine Fraktion zwar äußerst ungern zugunsten der Grundsteuererhöhung, halte diese aber "für eine notwendige Maßnahme zur Sicherung der kommunalen Finanzierung und Selbstverwaltung", so Eisenhardt.

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