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Gelogen für den Freund: Er muss weiter "sitzen" - sie kriegt Freispruch

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgerichtKamen AMvon Andreas Milk

Kamen. Erst hatte Lara H. (29, Namen geändert) gelogen, um ihrem damaligen Freund Sven T. (32) den Knast zu ersparen. Vor Gericht in Kamen sagten beide jetzt wohl die Wahrheit über einen Unfall im September 2021 auf der Bergkamener Geschwister-Scholl-Straße. Das Ergebnis: Freispruch für Lara H., Geldstrafe für Sven T. - im Gefängnis ist er allerdings trotzdem längst.

Das Pärchen war am 4. September vorigen Jahres in einem Smart unterwegs. Beim Zusammenstoß mit einem Poller auf der Scholl-Straße entstand ein Schaden von ein paar hundert Euro. Die beiden stiegen aus, sammelten einige Splitter ein und verschwanden. Gefasst wurden sie etwas später. Im Prozess wurde klar: Sowohl vor als auch nach der Kollision saß Sven T. am Steuer. Er hatte allerdings keinen Führerschein und stand wegen einer früheren Verurteilung unter Bewährung. Nebenbei bestand für den Smart auch keine Haftpflichtversicherung. Um ihren Freund vor der Haft zu retten, erklärte Lara H. der Polizei, zunächst sei sie gefahren. Mit der Konsequenz, dass eben auch sie eine Anklage bekam.

Für die Loyalität seiner "Ex" revanchierte sich Sven T. vor Gericht, indem er klar stellte: Er allein sei als Fahrer verantwortlich. In seinem Vorstrafenregister stehen elf Einträge, beginnend mit dem Jahr 2005: Körperverletzung, Diebstahl, Betrug, nichts wirklich Wildes - aber dann: Misshandlung Schutzbefohlener, ein Jahr und zehn Monate Haft auf Bewährung. Weil diese Bewährungschance mittlerweile widerrufen wurde, "sitzt" Sven T. in der JVA Werl.

Für die Sache mit dem Smart verurteilte ihn die Strafrichterin in Kamen zu 130 Tagessätzen à 7 Euro. Er kann die Strafe in Raten zahlen von dem Geld, das er mit Schreinerarbeiten in Werl verdient.

Von wegen "kriminell": Vor Gericht wegen 5 Euro und 8 Cent

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsger19NKWvon Andreas Milk

Kamen. Längst nicht alle, die als Angeklagte im Amtsgericht Platz nehmen, sind "Kriminelle" - nicht mal alle, die verurteilt werden. Der Lagerist Thomas H. (Namen geändert) zum Beispiel ist Alkoholiker. Er fuhr auf seinem Mofa am späten Nachmittag des 20. Juli über die Werver Mark - mit 2,8 Promille. H. stürzte, die Polizei wurde auf ihn aufmerksam, und auf den Arzt, der eine Blutprobe nahm, wirkte H. wenig später eher angetrunken als sternhagelvoll. "Sie waren gut im Training", vermutete nun der Richter. Der verurteilte den 62-Jährigen - ein Mal wegen Trunkenheit vorbestraft Ende 2020 - zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 60 Euro; drei Monate herrscht außerdem Fahrverbot für alles, was einen Motor hat. H. geht inzwischen zu den Anonymen Alkoholikern. Seit dem 20. Juli habe er keinen Tropfen mehr getrunken, sagt er.

Und auch auf die 32-jährige Larissa P. passt das Etikett "kriminell" so gar nicht. Am 25. März wurde sie bei Netto an der Weststraße erwischt: Sie hatte etwas Essen gestohlen, unter anderem Hackfleisch. Gesamtschaden: 5 Euro und 8 Cent. Simple Erklärung: Armut. Die geschiedene Hartz-IV-Empfängerin hat zwei Kinder. Vor dem Diebstahl sei sie in besonderer Finanznot gewesen. Es galt, die Kosten einer Beerdigung zu zahlen. Inzwischen läuft ein Verfahren zur Privatinsolvenz. Das Urteil: eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen à 10 Euro - wohl eine der niedrigsten Strafen, die am Gericht je verhängt wurden. Es kommt noch etwas dazu: Schon am 24. März - also einen Tag vor der Sache bei Netto - hatte das Gericht wegen eines früheren Diebstahls einen Strafbefehl über 300 Euro gegen Larissa P. erlassen - in ihrer Abwesenheit, weil sie den Termin ignoriert hatte. Dass sie diesmal gekommen war, wertete der Richter als positives Zeichen.

Im Krankenhaus Benzodiazepin abgezweigt: Pfleger verurteilt - und bereit zum Entzug

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Selten, dass im Kamener Amtsgericht ein Angeklagter so taff auftritt. Bis März dieses Jahres war der ehemalige Bergkamener Thomas S. (Name geändert) als Pfleger in der Notaufnahme des Krankenhauses in Kamen tätig. Dass er seine Arbeit verlor, hing mit seiner Alkoholabhängigkeit und mit einer Straftat zusammen. Vor Gericht redete er nicht viel - und schon gar nicht viel drum rum.

"Klar Schiff" wolle er machen. Deshalb gab er auch das zu, was ihm kaum - oder gar nicht - zu beweisen gewesen wäre: Zehn Mal habe er im Krankenhaus Ampullen mit Midazolam - der Gruppe der Benzodiazepine zugehörig - für sich selbst abgezweigt. Denn im Dienst zu trinken, sei nicht in Frage gekommen. Um trotzdem "fit" zu sein für den Job, habe er das schmerzlindernde, beruhigende Medikament eingenommen. "Falsch angewandt, kann das auch jemanden abschießen." Die Staatsanwaltschaft warf ihm im Prozess Unterschlagung vor. Die Beweissituation wäre laut S.' Verteidiger ohne das Geständnis seines Mandanten "katastrophal" gewesen. Das Midazolam fällt nicht unters Betäubungsmittelgesetz; entsprechend sind die Dokumentationspflichten in einer Klinik weniger streng.

Leicht zu beweisen dagegen - und eher Nebensache: Anfang September fuhr S. mit 2,1 Promille im Blut in seinem Auto über die Münsterstraße. Er wurde geschnappt.
Thomas S. hat schon einmal einen Alkoholentzug gemacht. Danach war er acht Jahre trocken. Als seine Ehe kaputt ging, ging auch das Trinken wieder los. Zwei Tage nach seiner Trunkenheitsfahrt meldete sich S. zur Entgiftung. Selten, so sein Anwalt, habe er jemanden kennengelernt, der so effektiv gegen eine Sucht angegangen sei.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 10 Euro. Damit gilt S. nicht als vorbestraft. Das polizeiliche Führungszeugnis bleibt leer. Und so geht das Ganze weiter: Gleich an diesem Mittwoch - dem Tag nach dem Gerichtstermin - tritt Thomas S. aufs neue eine stationäre Therapie zum Alkoholentzug an. Er hat alles schon geregelt, während er übergangsweise wieder bei seiner Frau wohnte. Minimum der Therapie: 15 Wochen.

Betrug bei der Arbeitslosenunterstützung: Zwei Anklagen - keine Verurteilung

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amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Zwei Betrugsanklagen verhandelte das Kamener Amtsgericht an diesem Dienstag - in dem einen Fall war das Jobcenter in Bergkamen "Schauplatz" der mutmaßlichen Straftat, in dem anderen die Arbeitsagentur in Kamen. Verurteilt wurde am Ende keiner der beiden Angeklagten. Einen sprach der Richter frei; den anderen verpflichtete er zur Zahlung eines hohen Geldbetrags an eine gemeinnützige Einrichtung, danach wird das Verfahren eingestellt.

In dem Fall aus Kamen ging es um rund 900 Euro. Dieses Geld soll der Angeklagte - heute Außendienstmitarbeiter einer Brauerei - von der Arbeitsagentur im Spätsommer vorigen Jahres bezogen haben. Und das, obwohl er in der Zeit erst geringfügig, dann sogar sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Er selbst sagt: Er sei davon ausgegangen, dass Daten automatisch ausgetauscht werden und er die Agentur gar nicht über die Arbeitsaufnahme zu informieren braucht. Der Richter hielt ihm vor, es habe laut Akten mehrere Kontakte zwischen ihm und Agentur-Mitarbeitern gegeben - ob er denn gar nicht auf die Idee gekommen sei, seine neuen Jobs einfach mal zu erwähnen? 1.200 Euro muss der Mann nun als Buße an die Deutsche Herzstiftung überweisen. Die zuviel bezogenen 900 Euro zahlt er obendrein in monatlichen Raten an die Arbeitsagentur zurück.

Anders lag die Sache bei dem Bergkamener Fall. Knapp 2.500 Euro waren zu Unrecht geflossen an die so genannte Bedarfsgemeinschaft eines Mannes, der längst wieder Arbeit bei einer Logistikfirma gefunden hatte. Das war in der Zeit von Juli bis September 2021. Seiner Aussage nach hatte er seinen neuen Arbeitsvertrag damals in den Briefkasten des Jobcenters geworfen. Direkten Kontakt "auf dem Amt" gab es nicht. In den Akten landete der Arbeitsvertrag allerdings nicht. Dass das Schreiben verklüngelt worden sein konnte, hielt eine als Zeugin geladene Jobcenter-Mitarbeiterin für äußerst unwahrscheinlich: Arbeitsaufnahmen seien schließlich "der größte Schatz, den wir haben", erklärte die Frau. Der Richter wandte ein, wo Menschen arbeiteten, passierten auch Fehler. Für den Angeklagten sprach, dass er nach Auffliegen des Falls bei einem Datenabgleich prompt reagierte, Unterlagen nachreichte und mit der Rückzahlung der 2.500 Euro begann. Vor Gericht redete er sich auch nicht mit Unwissenheit heraus. Der Richter sprach ihn frei. Zwar sei es möglich - und nicht einmal unwahrscheinlich -, dass der Mann doch betrügen wollte. "Aber wir machen hier keine Wahrscheinlichkeitsrechnung, sondern Rechtsprechung". Heißt: Im Zweifel für den Angeklagten.

Prozess um Zwangsprostitution: "Kleiderbügel ins Gesicht"

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landgericht19AM

von Andreas Milk

Kamen. Ein Prozess um Menschenhandel startet an diesem Dienstag vor dem Landgericht Dortmund - angeklagt: zwei Männer aus Kamen und aus Lünen, beide 30 Jahre alt. Die Opfer: zwei Frauen. Es geht um Zuhälterei, Zwangsprostitution, gefährliche Körperverletzung sowie Vergewaltigung, begangen in der Zeit von Oktober 2016 bis Mai 2018.

Die Frauen, so steht es in der Anklage, waren von den Männern dazu gebracht worden, "anschaffen" zu gehen - wobei die Männer über Zeiträume, angebotene Sexualpraktiken und Preise bestimmt hätten. "Mindestens zwei Drittel der erzielten Einnahmen" hätten sie für sich behalten, heißt es in den Akten der Dortmunder Staatsanwaltschaft. Von 44.000 Euro ist die Rede.

Schon Ende 2016 machte eine Frau zwar Schluss damit. Und auch die zweite soll das angekündigt haben. Aber: Einer der Männer habe gedroht, ihre Eltern über die Arbeit als Prostituierte zu informieren. Diese Eltern, heißt es, seien "sehr religiös". Es stand zu befürchten, dass sie mit der Tochter brechen würden. Auch eine "Abstandszahlung" von 10.000 Euro habe der Angeklagte von der jungen Frau gefordert. Die gab schließlich nach. Aus Angst machte sie weiter.

In der Zeit danach sollen die Männer sie gezwungen haben, noch eine weitere Frau für die Prostitution anzuwerben. Dieser Zwang geschah mit brutaler Gewalt. Die Anklage spricht von einem Schlag mit einem hölzernen Kleiderbügel ins Gesicht. Eine Narbe soll zurückgeblieben sein. Zwei Mal sei die Frau vergewaltigt worden.

Die zuständige Strafkammer in Dortmund hat für den Prozess bisher sechs Verhandlungstermine festgesetzt. Ein Urteil könnte es demnach Ende November geben.