von Dr. Götz Loos
Musik Datei 176696959 Urheber abstract fotoliaKamen. Über den Begriff des "Symphonic Jazz" mag man sich streiten (ich sehe darin eher eine Stilbreite klassischer Musik, die Jazz-, Swing-, Dixie-, Big-Band- und Blues-Elemente einbaut, wenn auch in bemerkenswerten Umfängen; im Programmheft von Kerstin Schüssler-Bach "American Way of Classic" genannt, was ich nicht schlecht finde) - wer Gershwins oder Bernsteins Werke kennt, weiß jedenfalls, was gemeint ist.
Am Mittwochabend in der Konzertaula stand das 6. Sinfoniekonzert dieser Saison der Neuen Philharmonie Westfalen jedenfalls unter der Überschrift "Symphonic Jazz"; und freilich waren Werke von Gershwin und Bernstein mit dabei. Ausfallen musste allerdings Daughertys E-Gitarren-Konzert, da der Solist erkrankt war. Dafür gab es Mozart.
Die NPW wurde von Eckehard Stier geleitet, der bereits mit dem Orchester in der Vergangenheit erfolgreich konzertiert hatte.
Das Konzert begann mit "Three Dance Episodes" aus Leonard Bernsteins Broadway-Klassiker "On the Town". Dies ist schon eine opulente Musik im genannten Sinne besthin, mit großem Orchester. Von diesen bekannten drei Stücken aus dem Jahre 1944 sind zumindest das erste und dritte schon so überschwänglich im Tempo, die Atmosphäre der Stadt New York spiegelnd, dass sie mächtig Stimmung erzeugen. Lupenrein war die Interpretation, maximal professionell. Eckehard Stier und der NPW führten hochmeisterlich aus. Stiers Dirigat schwankte dabei - wie bei allen Werken - zwischen exaktem Schlag und gemäßigter Moderation. Auch der Rest des Körpers kam, häufig tänzerisch zum Einsatz, so wie man es von "Lenny" Bernstein kannte.
Dann ganz anders: Mozarts "Pariser" Sinfonie Nr. 31 D-Dur KV 297. Dies war zwar ein Ersatz, wie oben erwähnt, sollte aber den Bogen schlagen zum später folgenden "Ein Amerikaner in Paris" von Gershwin. Mozart war immerhin ein Progressiver seiner Zeit, wenn auch Jazz, Blues etc. nicht in der Zeit präsent waren. Gut gefiel mir, dass die Interpretation nicht so extrem geschliffen war, sondern etwas rauer, weniger gefesselt, zudem mit ventillosen Trompeten (wie sie damals noch waren). Für eine Mozart-Sinfonie auch bemerkenswert: Viele Klangfarben durch vergleichsweise viele Instrumente, womit Mozart in seinen Sinfonien erst etwa ab dieser begann. Dadurch gab es auch einen Anschluss an die reich besetzten Werke Gershwins und Bernsteins.
Nach der Pause folgte Dmitri Schostakowitschs "Suite für Varietéorchester", auch bekannt als "Jazz-Suite", wobei man dann wirklich Jazz sehr weit fassen müsste, denn diese Kompilation aus früheren Werkteilen enthält sechs Stücke, die an Varieté oder Zirkus erinnern, von marsch- bis walzerhaften Partien bis hin zur Besetzung. Unter anderem enthält die Suite den aus Film, Werbung und Schlagereinbau berühmten und populären "Walzer Nr. 2", einen insgesamt melancholischen, jedoch zudem schwungvollen Walzer russischer Art, der sich durchaus als Ohrwurm festigen kann. Und wiederum eine Interpretation ohne jeden Makel. Das hochprofessionelle Niveau der NPW bahnte sich erneut seinen hindernisfreien Weg.
Letztgenanntes galt schließlich auch für George Gershwins "Ein Amerikaner in Paris" - ein vergnügter Gang durch die Stadt, echte (!) Autohupen der Pariser Taxis, lässiges Schlendern, vielleicht auch mit zuviel Alkohol, Beobachten, große Gefühle... Zwar Programmmusik, aber eher eine solche der Eindrücke - eher abstrakt als konkret... Wunderbar anzuhören, eine in allem stimmige Interpretation. Die Neue Philharmonie Westfalen lieferte wieder genussvoll perfektes Interpretationen und bewies, dass sie "Symphonic Jazz" gleichfalls beherrscht.