von Dr. Götz Loos
Foto: Archiv KamenWeb.deKamen. "Für die Jahreszeit zu warm", hört man von Meteorologen. Und es ist nicht das erste Mal, dass ein Jahreswechsel so ausfällt. Man kann jetzt lange über den Klimawandel diskutieren, dass Beobachtungszeiträume zu kurz sind etc., aber es ist doch deutlich, dass sich seit Ende der 1980er Jahre wärmere Herbst- und Wintermonate häufen. Und so empfängt uns an diesem Neujahrsmorgen in den Kamener Siedlungen ein fast frühjahrshaftes Vogelkonzert bei Temperaturen, die man zumindest ein Zeitlang ohne Jacke draußen ertragen kann. Ja, der Bestand an Vögeln ist zurückgegangen, daran kann aufgrund von einschlägigen Studienergebnissen leider kein Zweifel bestehen. Und manche Arten sind weithin verschwunden. War der Girlitz noch vor vier Jahren zur Brutzeit in der Gartenstadt vorhanden, fehlt seither jede Spur von ihm. In den 1990er Jahren rief hier, wie vielfach anderswo, die Turteltaube, jedoch schon seit Längerem - einfach weg. Gleiches gilt für die Haubenlerche. Andere Vögel haben scheinbar nur ein Gastspiel gegeben, so am Gartenplatz der Birkenzeisig, auch schon zwei Jahre nicht mehr hier gesehen und gehört.
Was singt und ruft denn also noch da? Ein schallendes Lachen am frühen Morgen - der Grünspecht ist unterwegs. Der Buntspecht ist ebenfalls da, aber viel unsteter zumindest am Gartenplatz. Und wenn wir bei Baumkletterern sind, dann müssen zudem Kleiber und Gartenbaumläufer erwähnt werden. Letzterer ist in den nördlichen Kamener Siedlungen verbreiteter, singt aber im Winter auch bei wärmeren Temperaturen nur sporadisch. Der Kleiber zieht innerhalb der Siedlungsbereiche mehr umher, aber selbst im Winter ist ab und zu sein "Wiehern" zu vernehmen.
Fast das ganze Jahr hört man Gesänge von Rotkehlchen, Zaunkönig, Kohl- und Blaumeise, daneben auch viel leiser die Schwanzmeise und vereinzelter Wintergoldhähnchen. Sie werden wohl weniger von Wärme als von Sonnenschein zum Singen animiert. Aber bei diesen Temperaturen singen wenigstens die teilweise sehr zutraulichen Rotkehlchen auch bei bedecktem Himmel. Ihre Verwandten, die Amseln, hingegen sieht man zwar überall, die Männchen führen sogar Revierkämpfe aus und manches Pärchen ist gemeinsam unterwegs, allerdings zum Singen sind sie in dieser Zeit nur ganz ausnahmsweise zu bewegen.
Foto: Archiv KamenWeb.deWährend Buchfinken jetzt erstaunlicherweise in der Gartenstadt kaum zu sehen und zu hören sind, zieht es vereinzelte Bergfinken als Wintergäste aus Norden und Osten seit Monaten in die Gärten von Kamen-Mitte. Größere Schwärme fielen mir bislang nur im Stadtpark auf. Die sonst häufigen Heckenbraunellen scheinen mindestens zu einem großen Teil weggezogen zu sein. Relativ still verhalten sich nun Ringeltaube und Türkentaube, unsere beiden häufigen Siedlungs-Wildtauben, die aber noch da sind. Die weiter üppig grünen Rasenwiesen werden von Dohlen bevölkert, die stimmlich auf sich aufmerksam machen, genauso wie die in geringerer Zahl anwesenden Rabenkrähen. Eichelhäher und Elstern streichen herum, nicht selten verjagen Dohlen aber die Elstern.
Die starke Ausbreitung des Eichhörnchens in den Siedlungen sorgt dafür, dass man viele von ihnen ständig sieht - unvermindert jetzt; bei dem Wetter intensiv auf Nahrungssuche - da wird noch manche Nuss und mancher Kirschkern gegriffen. Sie sind oft wenig scheu, knurren und zetern, wenn man ihnen dennoch zu Nahe tritt. Andere Säuger halten Ruhe oder leben heimlicher. Frische Maulwurfshügel zeigen allerdings, dass Maulwürfe weiterhin tätig sind. Wildkaninchen sind ganz unterschiedlich verteilt, jedoch wo sie sind: aktiv. Der Feldhase, der in den Sommermonaten den Gartenplatz besucht, kommt nicht, weil ihm die Rasenwiese des zentralen Angers wohl zu niedrig ist. Die ungeliebte, aber niemals vollständig zurückdrängbare Wanderratte ist fortwährend derzeit zu sehen, geht an Vogelfutterstellen, wird dann mitunter selbst von Rotkehlchen vertrieben. Ob Waschbären, inzwischen fast überall in den Siedlungen, jetzt nachts zu beobachten sind? Es ist also selbst derzeit einiges tierisch los in den Siedlungen. Wird es frostig, wird es weniger - aber dennoch: Rotkehlchen und Blaumeise schmettern selbst dann kräftig vor meinem Fenster an sonnigen Frosttagen.
Natürlich ist das tierische Leben in der Stadt abhängig davon, wie die Gärten aussehen. Geordnete Standardgrten und Schotterwüsten sind unnütz, eben von ökologisch geringem Wert. Das dahinter stehende "Schönheits"- und "Ordnungs"-Ideal ist psychologisch fragwürdig und zeugt von einer fehlgeleiteten Ästhetik. Es ist von großer Bedeutung, hier auf die Empfehlungen der Naturschutzverbände zu hören, um einen Beitrag zum Arten- und Naturschutz zu leisten - wenn man sich weiterhin und noch mehr einer größeren Vielfalt an Tieren, an Gesang und Aktivität, erfreuen möchte.