-Anzeige-

Anzeige

Musikkritik: 3. Sinfoniekonzert: „Ein deutsches Requiem“ mit Tiefgang und Gefühl

am . Veröffentlicht in Musik

Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Die Popularität des „deutschen Requiems“ von Johannes Brahms ist enorm. Andreas Kosinski, Bratscher der Neuen Philharmonie Westfalen und Vertretung von Roland Vesper im Einführungsvortrag, las am gestrigen Sonntag in der Konzertaula eine Kritik vor, die anlässlich einer der ersten Aufführung entstand – und die brachte es schon in allen Facetten so hervorragend auf den Punkt, dass es keiner weiteren Ergänzung bedarf. Der Rezensent kann lediglich seine eigene Wertschätzung des Werkes ausdrücken, ein echtes „Lieblingsstück“. Die Zielrichtung des „deutschen Requiems“ beeindruckt nicht minder: Brahms, der hier als geborener Protestant schon sich immer weiter von der Kirche entfernt hatte, bediente sich doch Bibeltexten für sein Werk, allerdings selbst gewählten (nicht denen der katholischen Requien) in deutscher Sprache – um damit die Hinterbliebenen zu trösten. Seine Textauswahl war genial und ist verbunden mit einer nicht minder genialen Musik. So darf es nicht verwundern, dass das „deutsche Requiem“ in mehr oder weniger geringen Abständen in Kamen aufgeführt wird.

Musikkritik: Musikalische Vesper in der Margaretenkirche: Händel in guten Interpretationen

am . Veröffentlicht in Musik

Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Am Sonntag richtete der Kammermusikkreis der Evangelischen Kirchengemeinde Methler unter Leitung von Jochen Voigt eine Musikalische Vesper in der Margaretenkirche aus. Auf dem Programm standen ausschließlich Werke von Georg Friedrich Händel, sieht man einmal von der Zugabe ab. Als Solisten bzw. Solistinnen traten auf: Clara Busemann (Harfe), Elisabeth Natzel (Violine) und Katarzyna Grabosz (Sopran). Die Solopartien der Flöten (Travers- und Blockflöte) spielte Jochen Voigt.

Zuerst gab es das Concerto grosso G-Dur HWV 314 für Violine, Traversflöte, Streicher und Basso continuo. Es ist ein sehr händeltypisches Werk, was die Kompositionsstruktur anbetrifft; manche Melodien und Phrasen glaubt man zu kennen, weil ähnliche in anderen Händel-Werken auftreten. Dieser Erkennungscharakter darf aber nicht über die hohe Professionalität hinwegtäuschen, die intime Kenntnis Händels über die Anlage von Concerti grossi. Die Ausdrucksfülle des Werkes ist sehr ansprechend, wenn die Interpretation gelingt. Und sie ist hier zweifellos gelungen. Schwungvoll agierten der Kammermusikkreis und die Solisten, gaben auch das Adagio mit angemessener Ruhe, aber im Ausdruck sehr bedeutungsvoll. Gelungener Anfang!

Es folgte das Konzert B-Dur HWV 294 für Harfe, zwei Blockflöten, Streicher und Basso continuo. Dieses Werk gehört zu den sehr bekannten Kompositionen Händels, in der Harfenliteratur ist es sowieso Pflicht für jede Harfenistin und jeden Harfenisten. Die Interpretation war entzückend und von hoher Qualität - was natürlich auch mit der Solistin Clara Busemann zu tun hatte, aber nicht nur: Jedes Solo gelingt nur dann gut, wenn die Einbettung oder der Dialog (mit dem Ensemble) gelingt. Und hier waren Einbettung und Dialog sehr gut und günstig für den Klang. Sehr beeindruckend, die Leichtigkeit, mit der der Kammermusikkreis bei einem sehr guten Klangbild das Werk nahm. Clara Busemann bewies eine gute Virtuosität, die gerade bei den schwierigen Stellen deutlich wurde. Zu viel Emotionalität wurde vermieden - und das ist bei diesem vorwärtsstrebenden Werk genau richtig; mehr Verspieltheit ist nötig, das klappte vorzüglich.

Das Konzert B-Dur HWV 288 für Violine, Streicher und Basso continuo hingegen hätte mehr Esprit gebraucht. Es wurde zumindest in Teilen zu schleppend interpretiert. Die Geigensolistin Elisabeth Natzel, die sonst hervorragende Qualität bewies, hatte zu kämpfen und traf in einzelnen Abschnitten nicht immer den richtigen Ton. Der Gesamteindruck war zwar durch das Überwiegen gut gelungener Partien nicht schlecht, er hätte angesichts der anderen Leistungen des Abends aber definitiv besser sein können.

Strahlend dann aber das abschließende "Gloria in excelsis Deo", HWV deest, mit der Gesangssolistin Katarzyna Grabosz. Ihre unaufgeregte, etwas zurückgenommene Interpretationsart beeindruckte, wenn sie auch das Vibrato teilweise etwas hätte ebenfalls etwas zurücknehmen können. Auch der Kammermusikkreis war wiederum im Vortrag und in der Abstimmung mit der Solistin herausragend. So endete dann ein gelungener Konzertabend, unterbrochen von Psalm 33, Bibellesung und Gebet mit Vaterunser.

Aber er endete nur fast so, denn nun war das Publikum zur Zugabe gefordert. Gemeinsam mit dem Kammermusikkreis wurde das "Gloria sei Dir gesungen" aus Bachs Kantate "Wachet auf, ruft uns die Stimme", als solitäres Lied im Gesangbuch enthalten, vorgetragen - und so schloss eine beeindruckende Musikalische Vesper.

Musikkritik: Schubert und Brentano treffen sich, arrangiert von Reinhard Fehling: Eine Uraufführung der besonderen Art

am . Veröffentlicht in Musik

Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Der Komponist Franz Schubert ist tot. Der Dichter Clemens Brentano auch. Beide schon ziemlich lange. Zu Lebzeiten besuchten diese Wegbahner der Romantik vermutlich einige der gleichen Aufführungen, trafen sich aber nie persönlich. Inhaltlich und - oder biographisch verbindet sie Einiges, daher verwundert es, dass sie nie etwas miteinander zu tun hatten. Und trotzdem trafen sie sich am Samstagabend in der Konzertaula - posthum und durch einen Dritten, einen großen Kamener Musiker, arrangiert. Unter dem Titel "Märchen, Nacht und Träume. Ein Treffen der Herren Schubert und Brentano, nachträglich arrangiert von Reinhard Fehling" gab es ein besonderes Konzert, zugleich Uraufführung dieses "Arrangements", was insbesondere freilich die Brentano-Vertonungen Reinhard Fehlings betrifft.
Mit seinem Chor "Die letzten Heuler" und dem Instrumentalensemble "Les Sirènades" sowie den Gesangssolisten Julia Grüter (Sopran) und Michael Dahmen (Bariton) hat Reinhard Fehling, der selbst dirigierte und Klavierpartien übernahm (insbesondere Gesangsbegleitung) ein großes neues Kunstwerk geschaffen, das neben der Musik auch viel Wert auf den Text legte, der teilweise gelesen wurde, teilweise eben gesungen und zum Teil verschmolzen gelesene Teile mit gesungenen. Von den "Letzten Heulern" trugen mehrere, zum Teil abwechselnd, gelesene Partien vor; der längste Vorlesepart war das "Märchen vom Myrtenfräulein" Brentanos. Eine Moderation, eigentlich ein in Segmente geteilter Vortrag der geschichtlichen und biographischen Hintergründe von Schubert und Brentano - auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzählend (wesentliche Aspekte hat Fehling auch im Programmheft vorbildlich aufgearbeitet; unbedingt aufhebenswert!). Mit diesen Elementen erinnerte alles eigentlich an einen Abend in einem bürgerlichen Salon - oder eine "Schubertiade", wie die salon-ähnlichen Abende mit Schubert genannt wurden, bei der man sich aber eher im engeren Freundeskreis traf. Das war so beabsichtigt und so bemühten sich Mitwirkende, das in die Konzertaula eintretende Publikum sofort nach vorn zu dirigieren, so dass sich möglichst alles um die Bühne konzentriert und alle nahe beieinander sitzen. Mehr noch, auch auf der Bühne waren Sitzplätze installiert, die Ensemble und Chor flankierten; allerdings trauten sich nur wenige Zuhörerinnen und Zuhörer, hier "auf dem Präsentierteller" Platz zu nehmen. 

Das Programm war zweiteilig, durch die Pause getrennt. Zunächst gab es Schubert-Lieder. Fehlings Affinität zu Schubert ist ja schon durch diverse Aufführungen bekannt. Wieder einmal gelang es ihm, mehr als nur eine Aneinanderreihung von Liedern zu schaffen - durch Erläuterungen, durch Ineianderschachteln von Text und Musik - und allein schon durch die Abfolge der Lieder. Zur Instrumentierung sei noch gesagt, dass das Ensemble nicht nur die üblichen Instrumente der klassischen Musik umfasste (Violine, Viola, Cello, Flöte, Fagott, Klarinette und Horn), sondern sehr exponiert auch eine Gitarre, teilweise harfenklangartig, grundsätzlich aber auch ein Instrument, das sowohl Schubert als auch Brentano beherrschte - für Schubert in seinen frugalen Kammern und Armenwohnungen das einzige Instrument, mit dem er komponieren konnte (Klaviere waren im Alltag oft unerreichbar). "Nacht und Träume", "Wanderers Nachtlied", "Die bist die Ruh'" waren Chorlieder, die die "Letzten Heuler" mit einer unglaublichen Professionalität herüberbrachten. Häufig sind es die Soprane, die in den hohen Lagen etwas patzen - hiervon war kaum etwas zu bemerken; im Gegenteil, sang der Sopran allein, war das zauberhaft, feenhaft! Reinhard Fehling hatte für das "Ave Maria", den ersten Auftritt der Sopranistin Julia Grüter, ein besonderes Arrangement bereitet: ein Teil aus Brentanos "Szene aus meinen Kinderjahren" wurde mit Schuberts Anbetung der jungfräulichen Gottesmutter verwoben - dazu trug Fehling das Gedicht vor, während er die bekannte Melodie auf dem Klavier bereits vortrug; Julia Grüter setzte dann ein. Eine sehr bemerkenswerte, die inhaltliche Verknüpfung der Werte betonende Vorgehensweise.

Julia Grüter sang die "Litanei auf das Fest Allerseelen", dann setzte Michael Dahmen mit seinem sanften Bariton ein und intonierte "Im Abendrot", "Frühlingstraum" und "Des Baches Wiegenlied". Bei "Auf dem Wasser zu singen" sangen Bariton und Chor gemeinsam - in großer Dichte und Geschlossenheit, traumhaft und schön. Noch besser: "Der Wanderer" - sehr munter sangen Grüter und Dahmen zusammen mit dem Chor und führten das Publikum gut gelaunt in die Pause.

Eine große Erwartung stand vor dem zweiten Teil, Fehlings Brentano-Vertonungen. Clemens Brentano gehört zu den großen romantischen Dichtern, dennoch wurden nur wenige Vertonungen von Komponisten vorgenommen. Fehling vermutet im Programmheft, dass Brentanos Dichtungen vielleicht schon selbst Musik sind, unvertonbar, weil schon Vokalklänge und Sprachrhythmus in Brentanos Sprache liegen. Dennoch hat Fehling es versucht. Wer nun auf Vertonungen in Schuberts Stil hoffte, der hoffte vergebens. Reinhard Fehling benutzte eine eigene Tonsprache - spätromantisch und doch klar und durchscheinend, relativ einfach in der Struktur; vielleicht um die Worte und Rhythmen des Dichters möglichst wenig zu entstellen (kritisiert er doch im Programmheft Brahms und Strauss, die sich an Brentano versuchten und wenig Gutes dabei herauskam, weil die Musik seine Texte geradezu erwürgt). Heraus gekommen sind dabei aber durchaus gute musikalische Strukturen, die die Worte stützten und wenig effekthascherisch wirkten. Nach dem "Eingang", der wirklich wie ein Prolog für das Kommende wirkte, sehr interessant die "Phantasie", wobei die gesprochenen Strophen von hereinkommenden Musikern mit ihren Instrumenten (Flöte, Klarinette, Fagott, Horn) musikalisch durchsetzt wurden. "Der Spinnerin Nachtlied" war serenadenhaft strukturiert, mündete in einen leicht heiteren, aber abschließend melancholischen Klang.

Nun folgte das Hauptstück, das "Märchen vom Myrtenfräulein" - ein feines Märchen mit einem wunderschönen Grundtenor, das aber alle Elemente des Märchens vereinte, bis hin zum splatterartigen Mord, einem guten Ende mit Bestrafung der bösen Mörderinnen. Fehling beschränkte sich mit der Vertonung einzelner Teile des Märchens, die überwiegend schon als Lieder bezeichnet waren; der größte Teil wurde vorgelesen - was vielleicht einige Längen verursachte, aber das war nun gewiss Absicht des Komponisten. Die zarte Melancholie, die auf den meisten Stücken lag, wurde schlagartig mit dem Hochzeitstanz am Ende durchbrochen - einem bayerischen Volkstanz, wie er auch von Gustav Mahler schon in Werken eingebaut wurde. Das wurde dann auch in Wiederholung die Zugabe, zu der Reinhard Fehling dann sogar - sehr moderat - tanzte.

Als Finale wählte Fehling zuvor das Gedicht "Sprich aus der Ferne", nach seiner Aussage sein Brentano-Favorit. Und so hatte er sich bei der Komposition ohrenscheinlich noch mehr ins Zeug gelegt. Die Interpretation war jedenfalls allseits sehr engagiert, sehr vorwärtsstrebend, sehr dynamisch und sehr glänzend. "Sprich aus der Ferne / Heimliche Welt / Die sich so gerne / Zu mir gesellt": ein strahlender Abschluss eines Gedichtes mit Strahlkraft und von beseelender Genialität. Ein begeisterter Applaus war dem Komponisten gewiss, von einem nicht ganz kleinen Publikum - obwohl man sich eine noch vollere Aula gewünscht hätte. Reinhard Fehling jedenfalls bewies einmal mehr seine Kreativität, seinen Einfallsreichtum, seine kompositorischen Fähigkeiten und seine Vortrefflichkeit, Gesamtkunstwerke zu schaffen. Wie es Schubert und Brentano gefallen hätte, kann man nicht wissen, aber es gereichte beiden zur Ehre - es wurde eine gelungene Hommage an beide.

Musikkritik: Chor- und Orgelkonzert des Evangelischen Kammerchors und Orgelimprovisationen: Aus dem Vollen geschöpft

am . Veröffentlicht in Musik

Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Zugegeben, es ist schon ein paar Tage her, der Tag der Deutschen Einheit. Nichtsdestotrotz war das "Reisekonzert" des Evangelischen Kammerchors in der Pauluskirche zu bedeutsam, als dass man es ganz "schlabbern" sollte. Aber neben passender Zeit zur Niederschrift brauchte ich auch einige Tage Besinnung, um den Nachklang auf mich wirken zu lassen. Denn die Auswahl der Werke in dieser Zusammenstellung war ziemlich außergewöhnlich - und Improvisationen über die Werke in drei Blöcken durch den gefeierten Organisten der katholischen Kirche Lukas Borgschulte setzte dem noch die Krone auf.

Der erste Chorblock umfasste "Exultate justi" von Ludovico Viadana aus dem 16./17. Jahrhundert, gefolgt vom großen zeitgenössischen Kirchenmusikkomponisten John Rutter: "God be in my head". Schließlich wieder ein Sprung rückwärts: Der nicht minder große Komponist der englischen Reformationszeit Thomas Tallis überschnitt sich zeitlich mit Viadana zwanzig Jahre, starb aber dann 1585: "O nata lux". Allen drei Werken gemeinsam ist eine gewisse Strahlkraft, mal stärker, mal schwächer - aber insgesamt mit einer bejahenden Aussage, die die Musik unterstützt. Der Evangelische Kammerchor Kamen unter Leitung von Kirsten Schweimler-Kreienbrink meisterte alle drei Werke mit Perfektion und kraftvoll-warmem Ausdruck. Bei den Improvisationen setzte Lukas Borgschulte prinzipiell genau beim letzten Lied ein und verarbeitete das musikalische Material aller drei Chorstücke in einer Weise, dass daraus eine Orgelfantasie entstand, bei der letztlich Bruchstücke aller Werke miteinander verwoben und variiert wurden. Daraus entstand zeitweise ein scheinbares Kontinuum mit leichten "Minimal Music"-Anklängen. Sehr interessant und ansprechend gestaltet!

Ein zweiter Block galt zwei norwegischen Komponisten: Der Spätromantiker Edvard Grieg mit "Wie bist du doch schön" und dann der (lebende) noch ziemlich junge Ola Gjeilo mit "Ubi caritas" und seinen schon weiter bekannt gewordenen "Northern lights" bzw. "Pulchra es, amica mea". Auch hier handelt es sich um - förmlich - ausgesucht schöne Lieder, die die Liebe zu Jesus und der Tochter Jerusalems inniglich beschreiben, manchmal fast glühend. Dem Kammerchor gelangen diese süßen Herausforderungen; ja, sie schöpften aus dem Vollen und brauchten gesanglich keine Bedenken haben - nun gut, der Sopran schrappte in den hohen Lagen vereinzelt hart am Rande des Tonhaltens, letztlich gelang es ihneen aber dann meistens doch. Und wieder Orgelimprovisationen, mit manchmal fast dramatischem Duktus, aber wieder ein Reigen von Melodien beider Werke.

Es folgten drei Lieder aus Schweden, von denen das erste auch sonst bei Chören etwas bekannter ist: "Limu, limu lima", sonst noch "Ljusa kvällar om varen" und "Österlensvisan (Ge mig en dag)". Natürlich gut für die Schwedenreise des Chores und auch in schönen, stabilen Interpretationen. Nochmals eine Orgelimprovisation, etwas collagenhafter als die vorigen, aber ebenfalls sehr reizvoll und gelungen.

Dann schließlich drei (von vier) Motetten des US-"Nationalkomponisten" Aaron Copland (der sich selbst eine solche Bezeichnung wohl verbeten hätte). Diese wieder sehr prachtvoll, in der Anlage her fast von orchestralem Charakter in der Stimmverteilung. Darüber hinaus haben Coplands Motetten, die man als Kirchenwerke ernst nehmen sollte, einen "Schmelz", der sehnsuchtsvoll ist, jedenfalls spätromantisch. Der Evangelische Kammerchor ließ sich darauf gänzlich ein, schöpfte wieder aus den Vollen und lieferte drei kraftvoll-glänzende Interpretationen ab, die so gefällig waren, dass zurecht eine Zugabe verlangt wurde. Es kann nicht oft genug wiederholt werden: Fördert die Kirchenmusik! Diejenige des Evangelischen Kammerchores Kamen verdient es definitiv!  

Musikkritik: 2. Sinfoniekonzert: „Wunderkinder“ – Komponisten wie Solist und Dirigent

am . Veröffentlicht in Musik

Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Unter oben genanntem Titel firmierte das 2. Konzert der Neuen Philharmonie Westfalen der Spielzeit 2016/17 am Mittwochabend in der Konzertaula. Und es waren einerseits die Komponisten, die hier gemeint waren: Mozart, Saint-Saens, Liszt und Korngold – andererseits passte es auch auf den Violoncello- Solisten István Várdai, der mit 12 Jahren in die Klasse der „außergewöhnlich Begabten“ an der Franz-Liszt-Musikakademie Budapest aufgenommen wurde; schließlich auch auf den jungen und munteren Dirigenten Constantin Trinks, der dieses Konzert als Gastdirigent leitete – bereits den großen Namen der Dirigentenszene in sehr jungen Jahren assistierend.

Das Programm war also ganz auf Wunderkinder ausgerichtet bzw. Werke, die aus ihrer jüngeren Zeit stammten oder die sie seit ihrer Jugend beschäftigt hatten (Liszt). Das Konzert startete mit der heiteren Sinfonie Nr. 31 D-Dur KV 297 Mozarts, der „Pariser“. Welch ein Gegensatz zwischen der Musik und der persönlichen Tragödie des Komponisten in jener Zeit: Krankheit und Tod der Mutter. Aber wie Roland Vesper im Einführungsvortrag betonte: Seine wahren Gefühle zeigen war damals nicht „en Vogue“; es galt die Wahrung der „Contenance“. So blieb der junge Mann in seinen Kompositionen bei persönlichem Schicksalsschlag in seiner gewohnten Vergnügtheit, beschwingt und leicht im Anschlag – sein Markenzeichen und mitunter doch etwas nervend. Die Interpretation dieser bewusst für ein „einfaches“ Publikum (Mozart hielt nicht viel von der Pariser Zuhörerschaft) geschriebenen Sinfonie war aber über jeden Zweifel erhaben: Gut, sie hätte etwas „historisch informierter“ herüberkommen können. Aber Constantin Trinks (hierbei ohne Taktstock) machte große Gesten in den Vorgaben und das Orchester folgte bestens, ob des Tempos nicht zu geschliffen, im Prinzip sehr angenehm. Trinks setzte auf die Betonung der Dynamiken, deutlich hervortretende Espressivi mit Exposition der einzelnen Orchestergruppen an entsprechenden Stellen, was sehr gut aufging. Neben den beiden Allegro-Sätzen war auch das Andante (mit dem Eingangsmotiv, das an die ersten Zeilen von „Kuckuck ruft’s aus dem Wald“ erinnert) nicht vernachlässigt worden in Sachen Dynamik und Ausdruck – wie aus einem Guss.

István Várdai legte dann bei Saint-Saens‘ Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 a-moll op. 33 sofort los – wie es in der Anlage vorgesehen ist. Von Anfang an überzeugte er nicht nur durch technische Perfektion, sondern ebenso durch ein klares und dennoch „gewürztes“ Spiel. Nun, wie soll man das näher beschreiben? Eine Ladung Emotionalität in einem transparenten Rahmen, wäre vielleicht eine Alternativdarstellung. Jedenfalls gelang ihm die Balance zwischen Ausdrucksfülle und Luftigkeit – nein, eigentlich die Synthese aus beidem. Eines jedenfalls sollte daraus ersichtlich werden: Mit Várdai war ein Meister seines Faches am Werk; er beherrschte das Werk von der ersten bis zur letzten Note. Mit dieser klassisch-romantischen „Mischung“ meisterte er auch Bachs Cello-Suite als Zugabe, freilich kaum in barockem Gewand, aber dennoch himmlisch schön.

Nach der Pause dann Liszts Sinfonisches Poem „Mazeppa“ nach Victor Hugo. Mit schnellem Tempo lenkte Trinks die Neue Philharmonie im ersten und hinteren Teilen dieses Werkes, das auf einer Etüde für Klavier fußte, die Liszt als Fünfzehnjähriger komponiert hatte, für diesen Stoff aber ihm wohl zu wenig, so dass er viele Jahre später daraus diese Sinfonische Dichtung machte. Eine Besonderheit ist das prachtvolle Hauptmotiv, das sich in festparadeartigem Tempo synchron über die Schnelligkeiten des ersten Teils erhebt. Hier waren die Blechbläser in Hochform. Überhaupt war die Interpretation sehr angemessen und gefällig. Die Volltönigkeit von Liszts Werk wurde in bester Praxis wiedergegeben und die kraftvollen Klänge waren von bestem spätromantischem Schmelz – abstrichlos. Amüsant zu sehen war es zudem, wie der große Ungar neben dem kleinen Deutschen (Dirigenten) den mächtigen Applaus empfing (er hätte noch mächtiger sein können – die Aula war wieder einmal beschämend leer); schließlich zog er Trinks auf das Podest neben sich, so dass sie fast in gleicher Augenhöhe waren.

Erich Wolfgang Korngold, in späten Jahren wegen seiner zahlreichen Hollywood-Soundtracks als „ernsthafter“ Komponist (was immer das auch sein mag!?) geschmäht, wird in der jüngeren Zeit hinsichtlich seiner „Nicht-Filmmusiken“ glücklicherweise stärker gewürdigt. Freilich – mit der bekannten Biografie und dem Vorwissen über ihn sucht man in jedem Werk jene Elemente, die typisch für Filmmusik sind. Aber man betrachte das Ganze einmal anders herum: Korngolds Musik war vorher schon so, dass sie späterhin als Filmmusik geeignet schien. Und so auch die Klänge in Korngolds Schauspiel-Ouvertüre für großes Orchester op. 4, das Werk eines Vierzehnjährigen! Als „schillernd“ wird Korngolds Tonsprache stets bezeichnet, was auch sehr treffend erscheint. Allerdings verkürzt dieser Begriff die Vielgestaltigkeit der verwendeten Elemente. Ohnehin ist man schier fassungslos, wenn man realisiert, dass eine solche Musik im Jahre 1911 entstanden ist – sie geht deutlich über Mahler hinaus, auch Strauss bringt nicht einen solchen – eben „schillernden“ – Reigen. Das Orchester machte daraus ein wahres Melodien-Feuerwerk; auch manches harmonische Wagnis bewusst betonend.

Ein sehr kurzweiliger Abend, so das Fazit, mit interessanten und sehr hörenswerten Werken, erneut in herausragenden Interpretationen.

Musikkritik: Black & White Show Brothers: Zwei Rampensäue mit absoluter Stimmigkeit

am . Veröffentlicht in Musik

blackwhite916von Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Ein Showprogramm mit Bernd Böhne, dem Kamener Lokalmatador in Sachen Rock- und Soulmusik einerseits und Comedy andererseits, der sich aber nicht nur in Kamen einen Namen gemacht hat, verspricht gute Qualität, vor allem wenn seine „Rockröhre“ gefragt ist. Damit hat er auf Musicalbühnen und in diversen Produktionen in Nordrhein-Westfalen sowie darüber hinaus seine hohe Professionalität diverse Male bewiesen. Und legendär sind auch die musikalischen Programme und Einlagen in der Stadt, zum Beispiel in der von ihm zwischenzeitlich geführten Kneipe „Tatort“ in den 1990er Jahren.

Umso spannender und größer nun die Erwartung im Hinblick auf die neue „Black & White Show Brothers“-Show, in der er im Duo mit Potlako Mokgadi alias Tlako, Musikschulleiter aus Altena und anerkannter „Soulman“, auftritt. Am Sonntagabend fand die Vorpremiere in der Rotunde im Sportcentrum Kamen-Kaiserau statt. Die Show war ganz gut besucht und diente wohl vor allem als Testveranstaltung für eine kommende Tournee – allerdings gab es schon „Vor-Vorpremieren“.