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Serie: 150 Jahre Kaiserau - Sektion 2

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

kaiserauSektion 2WL150 Jahre Kaiserau - Sektion 2

von Wilfrid Loos

Kamen. In der Sektion 2 standen nur sechs Häuser. Diese Sektion, im Bereich zwischen der Einmündung Lortzingstraße und dem Zugang zur Max-Planck-Straß, lag an der Robert-Koch-Straße (früher Bahnhofstraße und davor Kreisstraße) auf dem Gebiet der Gemeinde Methler. Der Baustil entsprach den Häusern nördliche Seite der Sektion 1.

Archiv: Serie: 150 Jahre Kaiserau

Serie: 150 Jahre Kaiserau - Sektion 1

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

kaiserauSektion 1WLSerie: 150 Jahre Kaiserau - Sektion 1

von Wilfrid Loos

Kamen. Zwölf Häuser befanden sich im westlichen Bereich der Richard-Wagner-Straße, die früher Goethestraße hieß und gehörte zur Gemeinde Methler. Ein Haus brannte schon kurz nach 1900 ab, es wurde dann nicht mehr in Fachwerk wieder aufgebaut. Als weitere Besonderheit von Sektion 1 war die unterschiedliche Bauweise der Zechenhäuser. Die Häuser auf der Nordseite hatten einen Vorbau, der Stall und das Plumsklo befanden sich jeweils seitlich an der Giebelwand. Auf der Südseite wiesen die Zechenhäuser seitlich an der Giebelwand rechts und links ein Vorratsraum.

Archiv: Serie: 150 Jahre Kaiserau

Serie: 150 Jahre Kaiserau

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

Karte Kaiserau Sektionen0221WLQuelle: Wilfried Loosvon Wilfrid Loos

Kamen. Um genügend Arbeiter (Bergleute) einstellen zu können wurde, von der Zeche Kurl, auf der „grünen Wiese“ im „Drei-Länder-Eck“ Dortmund Husen – Methler – Westick eine Siedlung für die Bergleute und ihren Familien errichtet, die „Kolonie Kaiserau“.

Die erste Erwähnung Kaiserau fand, der jetzt im Ruhestand lebende Archivar der Stadt Kamen, H. J. Kistner im Hellweger Anzeiger und Bote. Dort wurde am Samstag den 8. Juli 1871 unter der Rubrik Bekanntmachung folgendes annonciert: „In der Kaiserau bei Zeche Courl sind zum 1. August fünfzig und zum 1. September weitere dreißig geräumige Familienwohnungen für Bergleute nebst Ländereien unter günstigen Bedingungen zu beziehen. Nähere Auskunft ertheilt der Betriebsführer der Zeche Courl“, damit beginnt die Geschichte der Kaiserau.

Die ursprüngliche Kaiserau war also eine Bergarbeitersiedlung. Die einzelnen Siedlungsteile (Häuserzeilen) wurden durchnummeriert und nannten sich dem entsprechend: Sektion 1, Sektion 2 bis eben Sektion 8, es gab ja noch keine Straßennamen. Die ersten und ältesten Häuser waren Fachwerkhäuser. Sie standen in den Sektionen 1 bis 5 und 2 Fachwerkhäuser gehörten noch zu Sektion 6. Die übrigen Häuser der Sektionen 6 bis 8 waren in „Stein auf Stein“ errichtet.

Anlässlich dieses Jubiläums werden in acht Folgen die einzelnen Sektionen vorgestellt, mit den heutigen Straßenbezeichnungen. Ein Blick auf den abgedruckten Siedlungsplan lässt die genaue Lage der Sektionen erkennen.

Archiv: Stadtgeschichte

Stadtgeschichte: Die Pest in Kamen

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

pestKH0121 1von Klaus Holzer

Seit fast einem Jahr leiden wir unter Corona, einer Pandemie, die 2018/19 in China ihren Anfang nahm, viel zu weit weg, als daß sie uns hätte berühren können, wie wir damals glaubten. Doch dann erwischte sie uns mit aller Macht und legte alles Leben, so wie wir es kannten, monatelang lahm. Die Pandemie zu bestehen, gar zu überwinden, hilft uns die Wissenschaft, die Naturwissenschaft vor allem. Ihr ist es gelungen, das Virus, seine Wirkung und seine Verbreitung, zu entschlüsseln, es weitgehend zu verstehen. Sie hat sogar inzwischen ein Gegenmittel, einen Impfstoff, entwickelt, der verspricht, die Seuche zu überwinden. 

Damit sind wir in einer vergleichsweise glücklichen Position gegenüber unseren mittelalterlichen Vorfahren. Sie standen der Seuche ihrer Zeit, der Pest, hilflos gegenüber. Sie nannten sie „Pestilenz“ und den „Schwarzen Tod“. 

pestKH0121 4Abb. 4: Der schwarze Tod

Mangels naturwissenschaftlicher Kenntnisse nahmen sie an, Gott habe die Seuche geschickt, um den Menschen für sein sündiges Verhalten zu bestrafen. Daher lag denn auch die einzige Möglichkeit der Heilung in verschiedenen Arten von Buße, um Gott wieder versöhnlich zu stimmen: man ließ Messen lesen, sammelte Almosen, führte Prozessionen und mehrtägige Altargänge durch und hielt strenges Fasten ein. 

pestKH0121 5Abb. 5: Die GeißlerSchwärme von Geißlern zogen überall durch die Straßen und schlugen sich mit ihren Geißeln blutig, die härteste Buße. Die meisten dieser Maßnahmen führten jedoch zu einer weiteren Verbreitung der Pest, weil fast immer große Gruppen von Menschen zu dieser Art von Buße zusammenkamen. Und die hygienischen Verhältnisse im allgemeinen waren katastrophal.

pestKH0121 6Abb. 6: Juden als SündenböckeEine weitere Art, diese Seuche zu bekämpfen, bestand darin, einen Sündenbock zu suchen. Nach einem Pestausbruch entstand sehr schnell das Gerücht, die Juden seien schuld. Sie hätten die Brunnen vergiftet, um alle Christen zu ermorden, Kinder rituell geschlachtet und deren Blut getrunken und, vor allem, sie seien für den Tod Jesu verantwortlich. Befeuert wurden die folgenden  Pogrome durch die Tatsache, daß die jüdischen Gemeinden von der Pest nur relativ wenig betroffen waren. Daß das an der wesentlich besseren Hygiene der Juden lag, ahnte man nicht.

Die erste große Pestwelle in Westeuropa begann 1347 in Genua, aus Asien eingeschleppt von genuesischen Händlern und Seeleuten, umgehend nach Marseille und Barcelona weitergetragen. Bis 1352 erreichte sie fast ganz Europa (Corona reist heute nicht per Segelschiff, sondern mit dem Flugzeug und ist entsprechend schneller. Obendrein haben wir heute eine digitale Informationsverbreitung, die uns das Weltgeschehen in Echtzeit miterleben läßt). Sie hatte eine verheerende Wirkung und rottete mancherorts bis zur Hälfte der Menschen aus, im Durchschnitt wohl etwa 40% der europäischen Bevölkerung. 

pestKH0121 7Abb. 7: Die Pest entvölkert ganze LandstricheImmerhin kam man in Venedig schon 1374 zu der Einsicht, daß man die Erkrankten isolieren müsse, wenn auch sowieso niemand den Kontakt mit ihnen suchte (Venedig war auch die erste Stadt, die 1423 ein Pestkrankenhaus einrichtete). Es wurde eine Meldepflicht eingeführt, die Erkrankten isoliert. In der Regel dauerte diese Isolation 40 Tage1, auf italienisch „quaranta“, bald danach griffen die Franzosen diese Idee auf und nannten sie „quarantaine“, woher unser heute gebräuchliches Wort Quarantäne stammt. Die Toten wurden so schnell wie möglich in Massengräbern beerdigt. Die Situation war schlimm, doch wird der mittelalterliche Mensch auf den Schwarzen Tod mit mehr Gelassenheit reagiert haben, als wir uns das heute vorstellen können, gab es doch so viele Gründe für einen frühen Tod, von der hohen Kindersterblichkeit bis zu vielen Krankheiten, Mangelernährung, den häufigen Unfällen, oft schlechter, weil eintöniger Ernährung, meist Getreidebrei, mangelhafter medizinischer Versorgung, der soziale Stand und Krieg waren alltägliche Risiken. Die meisten Menschen erreichten nicht 50 Lebensjahre. Außer Aderlaß und Astrologie gab es kaum etwas, das den Ärzten zur Verfügung stand. Sie wußten es einfach nicht besser.

pestKH0121 8Abb. 8: Der Pestarzt schützt sich mit dieser speziellen Maske, die mit Essig getränkt und mit Kräutern gefüllt warDie Pest breitete sich in fast ganz Europa aus, auch Kamen blieb nicht von ihr verschont. Wir wissen nicht, ob sie unsere Stadt noch im 14. Jh. erreichte. Lt. dem ersten Stadtchronisten Friedrich Buschmann dauerte es ungefähr 230 Jahre, bis sie Kamen heimsuchte, dann aber heftig. 

Bis zur Mitte des 15. Jh. war Kamen eine wohlhabende und mächtige Stadt, für damalige Verhältnisse bevölkerungsreich, etwa 1500 - 1600 Einwohner. Sie genoß Privilegien, die die Grafen von der Mark ihr eingeräumt hatten und pflegte gute Beziehungen zur Hanse, nach Lübeck vor allem, wo Kamener Kaufleute wichtige Händler waren und einige es sogar in den lübischen Senat schafften. Kamen war, nach Hamm, die zweitwichtigste Stadt in der Grafschaft. Wöllner und Weber schufen Reichtum, weil sie ihre Tuche über die Hanse auf dem Weltmarkt anboten, schon früh die Globalisierung des Handels nutzten und vorantrieben.

Die glänzenden Aussichten wurden jäh zunichte gemacht, als 1580 zum ersten Mal die Pest hier ausbrach. Es ist nicht bekannt, wie viele Leben sie forderte, es ist keine Chronik, kein Kirchenbuch auf uns gekommen, das Genaueres festgehalten hätte. Das älteste noch vorhandene Kamener Kirchenbuch beginnt 1620, aus dem wir freilich das Grauen der folgenden Jahre erfahren.

pestKH0121 9Abb. 9: Marodierende Soldaten im Dreißigjährigen Krieg1624 begann der Dreißgjährige Krieg, unter dem Kamen entsetzlich leiden sollte. Es gab Durchmärsche, Einquartierungen, es waren Kontributionen zu entrichten, Plünderungen zu erleiden, kurz, Kamen verarmte. Und als wäre der Krieg nicht schon genug der Last gewesen, brach im Jahre des Kriegsbeginns die Pest aus und forderte 267 Tote. Und das bei einer Bevölkerung von etwa 1600 Personen! Innerhalb eines Jahres starb an der ersten Pestwelle also etwa ein Sechstel der hiesigen Bevölkerung! 1625 starben weitere 209, 1626 noch einmal 115 Einwohner. Das bedeutet, daß Kamens Bevölkerungszahl von ca. 1600 auf ca. 1000 zusammenschmolz, über ein Drittel aller Kamener starb in nur drei Jahren an der Pest!

pestKH0121 10Abb. 10: Beerdigung von PestopfernUnd 1636 erfolgte ein weiterer Ausbruch, der weitere 213 Leben forderte. Buschmann berichtet 1841, daß am Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) „die Einwohnerzahl der Stadt auf die Hälfte zusammengeschmolzen“ war. 1673 starben in Kamen und im Kirchspiel noch einmal 400 Menschen. Solchen Verlust kann keine Geburtenrate ausgleichen, die im 17. Jh. in Kamen im Durchschnitt 60 betrug (so der zweite Stadtchronist Friedrich Pröbsting). Noch 1722 hatte Kamen mit 1.413 Einwohnern nicht wieder die Zahl von vor 1624 erreicht. Erst 1816 sind es mit 1.941 Einwohnern deutlich mehr. Die Auswirkungen der Pest auf die Demographie, und damit die Wirtschaft, waren enorm.

Kein Wunder, daß Kamen seine starke wirtschaftliche Stellung in der Grafschaft Mark nicht länger behaupten konnte, nachdem es schon 1492 auf den dritten Platz hinter Unna abgerutscht war. Jetzt ging es weiter bergab, bis ins Mittelfeld, doch blieb die Stadt mit ihrer Bevölkerungszahl immer noch weit vor z.B. Bochum (!). Knapp gesagt: Kamen war verarmt. „So fand sich denn am Schlusse jenes grauenvollen 30jährigen Krieges die hiesige Stadt fast aller ihrer Besitzungen beraubt und mit Schulden belastet, und die gesamte Bürgerschaft war allmählig verarmt.“ (Buschmann) Die Stadt mußte den größten Teil ihres Grundbesitzes notverkaufen, „ganze Reihen von Häusern [waren] ohne Bewohner, die entlegenen Ackergründe [blieben] culturlos liegen, und große Flächen Ackerland in der Reck-Camenschen Gemeinheit bewaldeten“ (Buschmann). 

pestKH0121 11Abb. 11: Das Siechenhaus vor Dassow in Mecklenburg-VorpommernImmerhin, schließt Buschmann, gab es in der Gemeinde Overberge einen kleinen Kirchenkotten, Siechenhaus genannt, der, von der evangelischen Kirche unterhalten, für die Aufnahme von Kranken bereitstand und wohl aus der Pestzeit stammte. Man kümmerte sich trotz der immer bewußten Risiken um seine Pestkranken, wenn auch, weise, weit außerhalb der städtischen Bebauung.

pestKH0121 12Abb. 12: Aus der mittelalterlichen Seuchenerfahrung griff das Barock das clunianzensische memento mori wieder auf

Und zu all diesem Unglück aus Pest und Krieg kamen damals immer noch verheerende Stadtbrände. Zwischen 1250 und 1712 brannte Kamen elf Mal. An Pfingsten 1452 blieben nur die Kirche, das Rathaus und 20 Häuser stehen, alles andere brannte nieder. Und Heilung und Rettung suchten die Menschen in der Buße. Allerdings gibt es auch heute noch religiöse Gemeinschaften, die der Medizin mißtrauen und Gebete für das einzige Gegenmittel halten. Und wenn sie nicht helfen sollten, nun, dann hat Gott anderes mit einem vorgehabt.

pestKH0121 13Abb. 13: Ein besonders schönes Beispiel des memento mori: der freundlich lächelnde, ekstatisch tanzende, äußerst lebendige TodEin Blick in Kamens Historie relativiert unser Leid vielleicht doch etwas.

Fußnote:
1 Die Dauer von 40 Tagen bestimmt sich wohl aus der Bibel: Jesu Versuchung; die Sintflut; Noah; Auszug des Volkes Israel aus Ägypten; Moses auf dem Berg Sinai; die Fastenzeit; die Zeit zwischen Auferstehung und Himmelfahrt: immer handelt es sich um einen Zeitraum von 40 Tagen, der Gelegenheit zu Buße und Besinnung gibt, Wende und Neubeginn ermöglichen soll. 

Abb. 1: Photo Klaus Holzer
Abb. 4: Arnold Böcklin, Die Pest, 1898, Kunstmuseum Basel (Wikipedia)
Abb. 5: Carl von Marr, Die Flagellanten, 1889, Museum of Wisconsin Art (Wikipedia)
Abb. 6: Chronik von Gilles Li Muisis, Darstellung der Geißlerzüge, um 1350, Bibliothèque royale de
Belgique (Wikipedia)
Abb. 7: Chronik von Gilles Li Muisis, Scène de la peste de 1720 à la Tourette (Marseille) 1720
(Wikipedia)
Abb. 8: Paul Fürst, Der Doctor Schnabel von Rom, 1656 (Wikipedia)
Abb. 9: Sebastian Vranckx, Marodierende Soldaten, 1647 Deutsches Historisches Museum Berlin,
(Wikipedia)
Abb. 10: Chronik von Gilles Li Muisis, Beerdigung der Pestopfer in Tournai, um 1350, Bibliothèque
royale de Belgique
Abb. 11: Autor unbekannt, Siechenhaus von Dassow, Mecklenburg-Vorpommern, (Wikipedia)
Abb. 12: Autor unbekannt, Pesttafel mit dem Triumph des Todes, Deutsches Historisches
Museum Berlin (Wikipedia)
Abb. 13: Hans Leinberger zugeschrieben, 1596, auf Schloß Ambras, Österreich (Wikipedia)

 

Stadtgeschichte: Die Schlacht am Kamener Bahndamm

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

hausderstadtgeschKWvon Heinrich Peuckmann

Am 13. März 1920, also vor ziemlich genau 100 Jahren, putschten ehemalige kaiserliche Militärs gegen die demokratische Regierung unter Friedrich Ebert. 1918 hatten sie abdanken müssen, waren aber kurz darauf von der SPD-Regierung zur Niederschlagung sozialistischer Aktivitäten wieder zurückgerufen worden. Drahtzieher des Putsches waren General von Lüttwitz und Wolfgang Kapp, Vorsitzender des ostpreußischen Landesverbandes der „Deutschen Nationalen Volkspartei“ (DNVP), weshalb der Anschlag auf die Demokratie Kapp-Lüttwitz-Putsch genannt wird. Ziel war die Errichtung einer Scheindemokratie unter Führung ultrarechter Militärs.

Der schlecht vorbereitete Putsch scheiterte jedoch durch einen Generalstreik der Arbeiter schon nach fünf Tagen, aber er bewirkte in Kamen eine fast unglaubliche, zu Unrecht weitgehend vergessene Geschichte.

Wie in anderen Städten auch gab es in Kamen eine Einwohnerwehr, eine halboffizielle, bewaffnete Truppe mit polizeiähnlichen Aufgaben, die aber, anders als in anderen Städten, von sozialdemokratischen Arbeitern, vor allem Bergarbeitern gebildet wurde. Ihr Anführer war der SPD-Stadtverordnete Bernhard Strelinski. Auf die Nachricht vom Putsch hin wurden von Mitgliedern der Einwohnerwehr wichtige Punkte der Stadt besetzt und am Bahnhof sechs Gewehre mit Munition beschlagnahmt.

Nun war in Lünen als Folge des Putsches ein Aktionsausschuss aus fünf Parteien zur Leitung der Stadt gegründet worden und Generalleutnant von Watter, verantwortlich für die Truppen in Westfalen und Sympathisant der Putschisten, war der Meinung, dass dieser Ausschuss zu Unrecht bestehe und folglich aufgelöst werden müsse. Also schickte er 220 Mann des Husarenregiments 8 aus Paderborn unter Befehl des Hauptmanns von Manstein dorthin. Von Unna kommend sollten sie über Kamen nach Lünen vordringen.

Am 15. März gegen 19 Uhr traf ihr Erkundungswagen in Kamen ein. Als der Sicherheitsposten an der Stadtgrenze erkannte, dass es sich um ein Militärfahrzeug handelte, gab er ein Haltezeichen. Aber die Husaren beachteten weder Zeichen noch Halterufe, worauf der Posten sie mit einem Maschinengewehr beschoss. Drei der sieben Insassen des Wagens wurden schwer verletzt, einer starb noch in der Nacht. Die Husaren erwiderten das Feuer und verletzten den MG-Schützen, der ein paar Tage später starb. Die Schüsse alarmierten die Einwohnerwehr, die anrückte und den Erkundungstrupp überwältigte. Der rechtsradikale Putsch hatte in Kamen seine ersten Opfer gefordert.

Als wenig später die LKW-Kolonnen der Husaren eintraf, hatte sich die Einwohnerwehr auf verblüffende Weise darauf vorbereitet. Sie hatten einfach die Bahnschranken heruntergelassen. Von Manstein tobte vor Wut. Als er vom Schicksal seines Vortrupps erfuhr, ließ er einfach drei Neugierige verhaften und vor die Scheinwerfer des vorderen Lastwagens stellen. Strelinski kletterte zusammen mit einem zweiten Mann der Einwohnerwehr über die Bahnschranken und wollte von dem Husarenhauptmann wissen, ob die Truppe im Auftrage der Putschisten handele. Sollte das nicht der Fall sein, würde freie Fahrt durch Kamen gewährt werden. Aber von Manstein glaubte, Arbeitern keine Antwort schuldig zu sein und ließ die beiden unter Schlägen ebenfalls vor die Scheinwerfer stellen.

Das löste hektische Aktivitäten auf der Kamener Seite aus. Telefonisch wurden die Einwohnerwehren der Nachbarstädte alarmiert und um Hilfe gebeten. Noch im Laufe der Nacht versammelten sich 2200 bewaffnete Arbeiter in Kamen.

Währenddessen verhandelte Kamens Postdirektor mit den Husaren und erreichte nach langen Verhandlungen, dass die ersten drei Geiseln im Austausch gegen die gefangenen Husaren frei gelassen wurden. Im Laufe der Nacht ließ von Manstein auch Strelinski und seinen Kollegen frei, nachdem er ihnen das ehrenwörtliche Versprechen abgenommen hatte, für freien Durchzug am nächsten Morgen zu sorgen. Strelinski war wohl auch bereit, Wort zu halten, aber es war inzwischen zu viel geschehen. Es war geschlagen worden und vor allem war Blut geflossen.

Der Bergkamener Lehrer Lehnemann, ebenfalls SPD, sprach in der Nacht noch einmal mit von Manstein, erhielt aber auf seine Frage nach dem Verhältnis der Truppe zu den Putschisten in Berlin die Antwort, dass ihn das nichts angehe. Deshalb gewann Lehnemann den Eindruck, es mit Putschtruppen zu tun zu haben. So kam es am 16. März 1920 zu jenem denkwürdigen Kampf am Kamener Bahndamm.

In den Morgenstunden heulten überall in der Stadt die Sirenen auf, das Zeichen zum Angriff der Arbeiter.  Aus ihren Stellungen hinter dem Bahndamm, hinter Häuserecken und Mauern schossen sie auf die Husaren. Ein Problem war für sie, dass die Husaren das erste Haus vor den Bahngleisen, das einer Frau Kurmann gehörte, besetzt hatten. In Richtung Osten hatten sie dort Dachpfannen abgehoben und ein Maschinengewehr in Stellung gebracht. Von dort aus konnten sie das ganze Gelände bis zum Gehöft Volkermann unter Beschuss nehmen. Lehnemann, Offizier im ersten Weltkrieg, erkannte die Gefahr. Unter Feuerschutz schlich sich einer seiner Leute aus dem Garten des Viehhändlers Leiffermann, den es damals dort gab, über die Gleise und zerstörte das MG-Nest durch einen gezielten Wurf mit einer Handgranate. Drei Husaren sind dabei ums Leben gekommen. Nun konnten die Arbeiter den Ring um die Husaren schließen, die dann auch nach kurzer Zeit die weiße Fahne hissten. Als sich ihnen Arbeiter näherten, nahmen sie wieder feige das Feuer auf, aber es half ihnen nichts mehr. Ihre Unterlegenheit war zu groß.

Auf Lastwagen soll die Einwohnerwehr unter Jubel der Kamener die gefangenen Husaren durch die Stadt kutschiert haben. Es war ein beachtenswerter Sieg für sie und für die Demokratie, der allerdings Tote gefordert hatte. Ein Etappensieg für das Scheitern des Putsches.

Die Husaren wurden später nach Unna abgeschoben und von dort per Bahn zurück nach Paderborn transportiert.

Dass die Ebert-Regierung, gerade wieder im Amt, genau solche Truppen zurückrief, um kurz darauf die „Rote Ruhrarmee“ in Pelkum vernichtend zu schlagen, ist ihrer Ansicht geschuldet, dass die Hauptgefahr für die Demokratie von links und nicht rechts komme. Ein verhängnisvoller Fehler, wie dieses Land leidvoll erfahren musste.

25 Jahre Heimatpflegearbeit in allen Ortsteilen der Stadt Kamen

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

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Ortsheimatpfleger feiern ein Jubiläum

Kamen. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Ortsheimatpfleger in der Stadt Kamen können in diesem Jahr auf 25 Jahre aktive Heimatpflegearbeit zurückblicken. Diese Form des Zusammenschlusses in einer AG war neu im Westfälischen Heimatbund und sie ist es bis heute geblieben. In allen Ortsteilen der Stadt leisten damals wie heute Ortsheimatpfleger die wichtige Heimatpflegearbeit. Es war der damalige Ortsheimatpfleger von Westick, Otto Buschmann, der den Anstoß zur Gründung der AG gab. Buschmann war damals noch Vorsitzender des Verwaltungsrates des WHB  und ein unermüdlicher Streiter für die Anliegen der westfälischen Heimatpflege. Sein Ziel war es, die breit gefächerte Arbeit der  Ortsheimatpfleger in Kamen zu bündeln und erfolgreicher zu gestalten. Mit Ausnahme des Schul- und Heimatvereins Westick, der nur in seinem Westicker Heimatbereich agiert, gab es keinen weiteren Heimatverein in Kamen. Otto Buschmann erkannte, dass die Zusammenarbeit der acht Ortsheimatpfleger eine Stärkung der Heimatpflegearbeit bedeuten würde. So kam es, dass jeder Ortsheimatpfleger*innen seine Schwerpunkt-Interessen nach eigenen Vorstellungen auf das Stadtgebiet ausdehnen konnte. Kompetent vertreten sind bis heute die Themen Ortsgeschichte, Kirchengeschichte, Häuserkunde, Denkmalschutz, Bodendenkmalpflege, Stadtbildpflege, Naturschutz und Kamen als Hansestadt. Durch den Zusammenschluss verschafften sich die Ortsheimatpfleger, wenn es um Themen der Heimatpflege ging, auch in der öffentlichen Diskussion Gehör. Durch enge Kontakte zu Politik und Verwaltung versuchten sie ihre Anliegen in die Entscheidungsprozesse einzubringen. Aus den Reihen der Ortsheimatpfleger wird der nach dem DSchG. vorgesehene sachverständige Bürger in den Denkmalausschuss der Stadtgewählt. Die Ortsheimatpfleger legen Wert auf die Feststellung, dass ihre AG kein Verein ist. Gewählt wird lediglich ein Sprecher*in, der notwendige Tagesgeschäfte erledig. Diese Funktion hatten bisher Karl-Heinz Stoltefuß, Wilfrid Loos und die jetzige Sprecherin Andrea Woter inne. Das Jubiläum soll nach Abklingen der Corona-Pandemie gefeiert werden.

Ein Beitrag von Karl-Heinz Stoltefuß