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Stadtführung zu Fuß durch Kamen-Nord

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

KamenLuft090314 RH 016Kamen. Bei der klassischen Kamener Stadtführung werden die Pauluskirche, die Stadtmauer und der Markt mit Rathaus besucht. Doch gibt es auch nördlich des Marktes Sehens- und Wissenswertes. Der Kamener Gästeführer Klaus Holzer geht bei dieser Tour auf viele unterschiedliche Dinge ein, was eben so am Rand der Strecke liegt: Geschichte, Kunst und Straßennamen, Architektur, einzelne Familien. Dazu gibt es Anekdoten aus Kamens Fünftem Viertel, das unbedingt zur Stadtgeschichte dazugehört. Dauer ca. 2½ Std.

Termin: Sonntag, 16.6.2019
Zeit: 10.00 Uhr
Treffpunkt: Marktbrunnen in Kamen
Kosten: € 4,00

 

Stadtführer: "Holz-Mahnmal gehört an seinen alten Platz"

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

von Alex Grün

holzer BZ1 319Otto Holz war Lehrer und Künstler in der Sesekestadt. Foto: Archiv Klaus HolzerKamen. Stadtführer Klaus Holzer plädiert im Namen des Kulturkreises Kamen für die versprochene Wiederaufstellung des Mahnmals "Vergesst uns nicht 1953" an seiner angestammten Stelle im Sesekepark und würdigt bei dieser Gelegenheit das Schaffen des Kamener Künstlers Otto Holz.

Holz, der damals Kunstlehrer am Städtischen Neusprachlichen Gymnasiums war, wurde mit dem Entwurf für die Skulptur beauftragt, und als es im Oktober 1953 eingeweiht wurde, sorgte er damit beinahe für einen Eklat, da sich die Kamener solche Mahnmale bislang eher in martialischem Stil vorstellten - ähnlich wie das am Overberger Friedhof. Doch Holz, der Pathos und Glorifizierung ablehnte und als Künstler radikal mit der traditionellen Darstellung holzer BZ 2 319Die Kamener hoffen auf eine zeitnahe Rückkehr des Mahnmals zur Seseke, das sich zurzeit zur Restaurierung in Bergkamen befindet. Foto: Klaus Holzergebrochen hatte, ließ sich nicht beirren. Sein Mahnmal stand bis zum Beginn der Arbeiten am Sesekepark an ein und derselben Stelle, im Zuge der Bauarbeiten wurde es abgebaut und befindet sich jetzt zur Restaurierung in einer Steinmetzwerkstatt in Bergkamen. Außerdem bilde es seit mittlerweile 30 Jahren eine Einheit mit der von den damaligen Jusos gepflanzten "Friedenslinde" und der Anti-Kriegs-Tafel.

Doch was hat es mit diesem Mahnmal auf sich? Viele, vor allem jüngere Kamener, wüssten wohl teils gar nicht, woran es erinnern soll, mutmaßt Klaus Holzer. Auch wenn für manche der Gedanke nahe liege, es stehe nicht für die Opfer des Aufstandes vom 17. Juni 1953 in Ostberlin, sondern erinnere an diejenigen Deutschen, die zu jener Zeit noch in Kriegsgefangenschaft waren. Im Verlaufe des Jahres 1953 sei in der bundesdeutschen Bevölkerung immer stärker die Überzeugung aufgekommen, dass es im neunten Jahr nach Kriegsende nicht weiterhin Kriegs- und Zivilgefangene in Ländern der Alliierten geben dürfe, vor allem in der UdSSR. Dort, wo Frauen und Männer „immer noch der Stacheldraht umschließt und die sowjetische Posten bewachen“, so der damalige SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer. „Die meisten von ihnen waren unter den groteskesten Vorwänden in den Jahren 1950 und 1951 zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt und zu Kriegsverbrechern gestempelt worden“, zitiert ihn Holzer aus der Westfälischen Rundschau vom 2. Oktober 1953. Daher fand vom 17. bis zum 25. Oktober gleichen Jahres eine bundesweit begangene Kriegsgefangenen-Gedenkwoche statt, die offenbar im ganzen Land große Zustimmung erfuhr. In dem bundesweit veröffentlichten Appell hieß es: „Wir selber wollen aus dieser Hoffnung heraus nicht müde werden, vor der Weltöffentlichkeit zu mahnen, zu bitten und zu flehen und zum Herrgott zu beten, dass, wenn manche Machthaber der Welt nicht helfen können und andere gar wider uns und unsere Gefangenen sind, er sich unser erbarmt.“

Kamener Straßennamen: Siegeroth

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

siegerotth219KHvon Klaus Holzer

Südlich der Südkamener Straße, zwischen der Bückeburger Straße und Schulze Berge, heißen viele Straße nach Philosophen: Schopenhauer, Schelling, Feuerbach, Hegel, Fichte, Nietzsche. Doch stößt der Spaziergänger dort auch auf „Lütge Heide“, „Auf den Kämpen“, „Siegeroth“. Und die südlich davon heißt „Auf der Heide“. Wie paßt das zusammen? 
 
In den Randgebieten kleiner Städte wie auch in Dörfern dienten alte Flurnamen oft der Orientierung. Solche Namen waren Gebrauchsnamen, die nur lokal bekannt waren und Sinn ergaben. So erwähnt der Kamener Konrektor Craemer 1929 in der „Zechenzeitung der Schachtanlagen Grillo und Grimberg“ ein „Ziegenröttchen“ bzw. „Siggenröttchen“. Ein „roth/rodt oder röttchen“ (vor Duden gibt es viele verschiedene Schreibweisen) ist ein Stück gerodetes Land. Alle Rodungsnamen sind sehr alt, da sie auf die Zeit zurückgehen, als man in ganz Europa in großem Stile daranging, bewaldetes Land für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, also nach der Zeit der Völkerwanderung, etwa ab dem 7. Jh. AD.
Zusammen mit dem ersten Bestandteil (Ziegen, Siggen) ergibt sich somit die wahrscheinliche Bedeutung: „gerodetes Land, auf dem Ziegen weideten“. Die ehemalige Südkamener Ortsheimatpflegerin Ursula Schulze Berge bestätigt diesen Gebrauch: „So haben mein Mann und ich immer darüber gesprochen.“ Die anderen Namen belegen diese Bedeutung: „Lütge Heide“ und „Auf der Heide“, Indizien für die Richtigkeit der Annahme, da eine „Heide“ immer ein sehr karges Stück Land ist und nur Ziegen selbst dort noch etwas zu fressen finden. 
 
Und „Auf den Kämpen“ ist eine nahe Verwandte, umfaßt aber im Gegensatz zu den „Heiden“ fruchtbares Land. Das so urwestfälisch erscheinende Wort stammt aus dem Lateinischen, wo „campus“ so viel wie freie, unbebaute, offene Fläche bedeutete. Als es im 9. Jh. erstmals in Westfalen auftauchte, hatte es schon einen Bedeutungswandel hinter sich und bezeichnete jede Art von bewirtschaftetem Feld bzw. Ackerland, wie aus frühen Rechtsbüchern hervorgeht, und war „umzäuntes Siedlungsgelände, Viehpferch und umzäunter Acker“. Wahrscheinlich mußte solch ein Stück Land vor den nebenan grasenden Ziegen geschützt werden.
 
Hier haben sich alte Flurbezeichnungen unter Philosophen gehalten. Wie schön.

Kamener Straßennamen: Klosterstraße / Schwesterngang

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KH18Straßenschilder1218von Klaus Holzer

Am Kirchplatz stoßen diese beiden Straße zusammen, und auf den ersten Blick ist erkennbar, was für einen Hintergrund diese Namengebung hat. Schwestern und Kloster – hier hat mal eines gestanden. Auch wenn das vielleicht gar nicht so klar ist, wie es den Anschein hat, denn eigentlich war es ein Beghinenhaus, und das ist nicht dasselbe wie ein Kloster. Aber für die Kamener war es immer das „Kloster“. Und so ist die Geschichte dieser beiden Straßennamen auch die Geschichte des „Klosters“.

Gegenüber der Pauluskirche, die ja zunächst einfach eine (katholische) Kirche, St. Severin, war, wurde schon zu Beginn des 15. Jh. ein Frauenkonvent1 gegründet, und zwar ursprünglich als ein Beghinenhaus. Dieser Konvent war kein Nonnenkloster, da die Frauen nicht in Klausur lebten, sondern einer außerhäuslichen Tätigkeit nachgingen. In städtischen Dokumenten ist von dem „Süsterhaus“ (Schwesternhaus) auf der Vlotowe, Vlotauwe oder Marienove (Flußaue bzw. Marienaue) die Rede, d.h., das Haus lag nahe dem Flußufer. Es wird in einer Urkunde vom 14. Oktober 1411 zum ersten Mal erwähnt. Das waren „Jungfrauen und Witwen“ aus der Bürgerschaft Kamens, d.h., sie entstammten Kamener Bürger- und Burgmannenfamilien und wollten ein christliches Leben leben, jedoch ohne Klostergelübde. Dieser Konvent wurde am 14. Juli 1818 aufgelöst.

Kamener Straßennamen: Am Galenhof

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KHGalenhofAbb0 1118von Klaus Holzer

Erklärungen zum Straßennamen „Am Galenhof“ kommen nicht ohne umfangreiche Erläuterungen des historischen Hintergrunds aus, handelt es sich doch bei dem Gebäude selbst um den letzten Burgmannshof in Kamen.

KHGalenhof1 3 Stadtentwicklungsphasen1118Abb. 1: Kamens EntstehungsphasenKamen war Grenzfeste zwischen den Bistümern Köln und Münster sowie der Freien und Reichsstadt Dortmund, die alle ein Auge auf markanisches Territorium geworfen hatten, sich gern Teile davon einverleibt hätten. Daher mußte Kamen stark befestigt sein. Die Grafen von der Mark saßen in Hamm, Kamen war ihre zweite Residenzstadt. Sie brauchten also Leute, die für sie in Kamen die Stellung hielten, aber auch die Administration der entstehenden Stadt ausübten: Rechtsprechung, Einziehung von Abgaben u.ä. Diese Burgmannen bildeten den niederen Adel.

Kamen war an der einzigen Furt entstanden, an der Reisende zwischen Lippe und Hellweg die Seseke und das sie säumende breite Sumpfgelände queren konnten. In der Nähe dieser Furt bauten die Grafen von der Mark zu Beginn des 12. Jh. die Grafenburg, die, zusammen mit der von ihnen erbauten St. Severinskirche, zum eigentlichen Stadtkern wurde. Die Stadt Kamen ist eine „gewachsene“ Stadt des Mittelalters, d. h. sie ist in der vorstädtischen Phase aus mehreren Kernen zusammen gewachsen. Dies ist am unregelmäßigen Grundriß und der Straßenführung erkennbar. Noch heute läßt sich dieses deutlich am Urkataster von 1827 ablesen.

KHGalenhofAbb1a Plan 1118Abb. 2: Die zwei Ringe Kamener BurgmannshöfeDrumherum entstand ein Schutzring von Burgmannshöfen. Das waren große Häuser, wohl zumeist Fachwerkbauten auf steinernem Sockel, auf großen Grundstücken, die jeweils von Gräften und Wällen mit Holzpalisaden geschützt wurden. Ihre Hausherren kamen von Haus Böing, Haus Reck, aus Westick, Heeren und anderen Herrschaften aus der näheren Umgebung. Natürlich war es besonders wichtig, daß sie immer Bewaffnete für Verteidigungs– und Kriegsdienste vorhielten. Dafür waren sie von allen städtischen Abgaben befreit, selbst ihre bürgerlichen Nachfolger im 19. Jh. behielten dieses Privileg noch.

In Kamen sind 10 solcher Burgmannshöfe nachweisbar, möglicherweise gab es auch noch einen elften, die Trippenburg, deren Lage nur schlußfolgernd erahnt wird, die nie nachgewiesen wurde, an die heute nur die Burgstraße zwischen Ostenmauer und Koepeplatz erinnert.1 Diese Burgmannshöfe entstanden in zwei Phasen. Der erste, ältere Ring entstand im 12. und 13. Jh. um Grafenburg und St. Severinskirche herum: westlich entstand der Westerholtsche Hof, nördlich folgend der Kappenberger Hof, weiter nordöstlich der Akenschokenhof, südöstlich die (nicht belegte) Trippenburg und südlich der Hanenhof. Sie bildeten die damalige Siedlungsgrenze und waren entsprechend stark befestigt (s.o.).

Da sich die Stadt gut entwickelte, weitere Bewohner anzog und sich also ausdehnte, entstanden zu Beginn des 14. Jh. fünf weitere Burgmannshöfe: westlich der beiden ersten Höfe der Galenhof, nördlich anschließend der Haringhof, östlich daneben der Palandsche Hof, weiter östlich die nicht genau zu lokalisierende Bohlenburg „auf dem Rode“ (vgl.a. „Rottstraße“) und noch weiter östlich der Reck-zu-Recksche-Hof. Ihre Gesamtanlage entsprach genau der des ersten Ringes.

Diese Burgmannshöfe brauchten Personal, das alle notwendigen Arbeiten ausführte: Handwerker, die Häuser bauen konnten, Dachdecker, Zimmerer und Tischler, Schmiede, aber auch Weber und Schneider, Gerber und Schuhmacher, Wagenmacher und Rademacher, Küfer, dazu Metzger, Bäcker, Köche, Diener, Mägde, Knechte für Feldarbeiten usw. So wuchs die Stadt, und weil sie seit der Mitte des 13. Jh. von einer soliden Stadtmauer umgeben war, 2,03 km lang, ca. 5 m hoch und 1 m breit, bot sie in Zeiten der Gefahr auch Schutz für die Menschen aus der Umgebung. Alle diese Menschen siedelten sich im „burgus“2 an und wurden folglich „burgenses“ genannt. Wurde die Stadt angegriffen, mußte jeder zum Verteidiger der Burg werden. Daraus entstand der Begriff „Bürger“.3

KHGalenhofAbb2 Galenhof Ostseite1118Abb. 3: Die Ostseite des Galenhofes in den 1950er JahrenHans-Jürgen Kistner schreibt in seiner kleinen Schrift „Kamen, die Stadt der Burgmannshöfe“:
»Der Name von Galen taucht im Jahre 1357 zum ersten Mal in einer Urkunde auf, in Urkunden des 14. und 15. Jh. werden sie häufig als Zeugen bei Rechtsgeschäften genannt, werden als Bürgermeister und Richter erwähnt. Offenbar waren sie eine in der Stadt bedeutende Familie, die vermutlich auch die ursprünglichen Besitzer des Galenhofes waren. Der Name Galenhof findet sich seit dem 16. Jh. in Urkunden. Bis 1655 bleibt der Hof im Besitz der Familie, gelangt dann durch Heirat in den Besitz des Freiherrn Robert von Romberg zu Massen. 1692 kommt er an den Drosten Dietrich von der Recke zu der Recke, der ihn gleich darauf an seinen Amtsschreiber Peter Hillermann für 1000 Reichstaler weiterverkauft. Der bürgerliche Besitzer behielt die Freiheit von allen städtischen Abgaben.

KHGalenhofAbb2a Galenhof Ostseite 20171118Abb. 4: Die Ostseite des Galenhofes 2017Als nächster Besitzer erscheint 1731 Hillermanns Schwiegersohn Gottfried Schulz, Akziseinspektor4 und Stadtkämmerer, später auch Bürgermeister. Entsprechend hieß der Galenhof von nun an Schulzhof. 1775 übernimmt Schulz’ Schwiegersohn, der Akziseinspektor und
Bürgermeister David Friedrich Reinhard, den Hof. Insgesamt blieb er über 100 Jahre der Sitz von Bürgermeistern. In den Nachlaß-Teilungsakten wird der Hof beschrieben: „Das alhier zu Camen gelegene adelich freye Burg=Hauß Gohlenhoff, sammt Baum=Hof, Garten, Kirchen Bäncken und Begräbnissen ….“«

Da Kamen insgesamt 11 Mal abgebrannt ist, wäre es ein Wunder, wenn nicht auch Burgmannshöfe dabei gewesen wären, doch wurden seit Ankunft der Zeche in Kamen mehr Burgmannshöfe abgerissen als abgebrannt sind. Das 1982/83 abgerissene Gebäude des Galenhofes stammte aus dem 18. Jh., also vermutlich aus der Zeit des David Friedrich Reinhard. Im 19. Jh. kaufte der Dortmunder Kaufmann Wilhelm Schulz den Schulzhof, zuletzt kam er an den Papierfabrikanten Theodor Friedrich. (Dieser hatte seine Fabrik auf dem Gelände des Kappenberger Hofes.1895 brannte sie vollständig ab. Damit war Theodor Friedrich pleite.)

Der Kamener Stadtchronist Friedrich Pröbsting schreibt 1901:
„Im Jahre 1897 wurde die schöne Besitzung von der Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft erworben und in dem genannten Jahre mit Arbeiter-Kasernen bebaut, nachdem die alten Mauern abgebrochen, die Wälle abgetragen und die tiefen Festungsgräben zugeschüttet worden waren. Dieser Burghof war durch seine ganze Anlage mit Mauern, Wällen und Gräben wohl der festeste Platz in Camen. Die jetzt dort stehenden Arbeiter-Häuser an der Hohental-, Lindenberg- und Gottesbergstraße werden in ihrer Gesamtheit bezeichnet „auf Schulz Hof“.
1898 erwarb die Gelsenkirchener Bergwerks AG das Gebäude mitsamt dem Grundstück.“

Das bedeutete das Ende des Galenhofes als Burgmannshof. Die Zechenverwaltung brauchte Wohnraum: der Strom an Bergleuten für die 1873 abgeteufte Zeche Monopol riß nicht ab. Kamen wuchs von ca. 3700 Einwohnern im Jahre 1870 auf ca. 11000 im Jahre 190!.

Friedrich Pröbsting weiter:
„Auch aus Westpreußen, Polen, Italien und Ungarn erschienen viele Arbeiter, für welche die Zechenverwaltung im Laufe der Jahre eine große Menge von Arbeiterwohnungen erbauen ließ. Die erste Häusergruppe wurde in der Nähe des Bahnhofs gebaut; dies sind zum Teil kleinere Häuser für je vier Familien. Sodann wurde der alte von der Recksche Burghof, Vogels Hof genannt, an der Nordstraße, bebaut, und dann an der Nordenmauer auf Rungenhof eine Reihe von Häusern - jedes zu 12 Familien - hergestellt. Als dies alles nicht hinreichte, kaufte die Gelsenkirchener Gesellschaft den alten von Galen Burghof, Schulz-Hof genannt, mit Gärten und allem Zubehör am Westentor und ließ hier im Jahre 1897 einen neuen Stadtteil entstehen, der in 20 Häusern für 240 Bergmannsfamilien Wohnungen verschaffte. Zur Zeit sind nun in der Stadt und der städtischen Feldmark an 600 Arbeiter- oder Bergmannsfamilien in den Häusern, welche von der Zechenverwaltung gebaut wurden, angesiedelt. Doch ist man dabei nicht immer von den heute anerkannten Grundsätzen ausgegangen, nach denen die kleineren Häuser für je 2 oder 4 Familien empfohlen werden, weil die großen Häuser für 12 Familien nur mit zwei Hausthüren mancherlei sanitäre und sittliche Bedenken erwecken.
Viele der hier wohnenden Bergleute werden täglich auf der Zechenbahn von Camen nach dem Schacht Grimberg in Bergcamen gefahren, wo es noch an Wohnungen für die Arbeiter fehlt. Erst im Jahre 1900 ist auch dort eine Arbeiterkolonie erbaut worden, um die Leute in der Nähe der Zeche zu haben.“ Und als Fußnote: Es „sei uns gestattet, zu berichten, daß die Gelsenkirchener Gesellschaft für die Kinder der im Westen der Stadt wohnenden bergmännischen Bevölkerung auf Schulz-Hof auch noch eine zweite Kleinkinderschule auf ihre Kosten eingerichtet hat, und sich dadurch um das sittliche Wohl der Bergmannsfamilien wohlverdient macht.”

KHGalenhofAbb3a Luftaufnahme1118Abb. 5: Eine Luftaufnahme Kamens von 1919Ganz anders sieht das dagegen August Siegler in der Zechenzeitung 1926: „In schneller Reihenfolge entstanden nun in Kamen die großen Koloniebauten. Die Zechenverwaltung erwarb 1888 das schöne Besitztum des Barons von Vogel und den Rungenhof und 1897 den Schulzhof. Gleich nach dem Erwerb dieser Grundstücke wurde mit dem Bau der großen Koloniehäuser an der Kampstraße, Nordenmauer und Nordstraße begonnen. Drei dieser Häuser haben für je 12 Familien nur einen Eingang von der Straße aus und einen Ausgang zum Hof. Man kann nicht sagen, daß eine solche Bauweise dazu dient, die Gemütlichkeit und den häuslichen Frieden zu fördern.“ Und er erkennt noch etwas: „Durch den Bau dieser Häuser fielen leider schöne Grünflächen in der Stadt fort.“
August Siegler war damals möglicherweise auch einer der wenigen, vielleicht sogar der einzige, der auch, weiterblickend, die städtebaulichen Folgen erkannte. „Die Kampstraße war damals von der Rottstraße bis zur Nordenmauer sehr schmal. An der Ecke der Rott- und Kampstraße, wo sich jetzt die Metzgerei befindet, war ein Teich. Gegenüber lag im Baumhof der von Vogelschen Besitzung auch ein solcher. An der Nordenmauer stand eine große alte Scheune mit Wohnung. An der Nordstraße befanden sich von Mauern umgebene Gärten. Zwischen diesen lag hinter dem größeren Eingangstor der gepflasterte Weg zum Hauptgebäude. Die Stadtväter waren zu ängstlich, dieses schöne Grundstück, das zu einem niedrigen Preise zu erwerben war, zu übernehmen. Auch war damals die Einstellung mancher Kreise hinderlich, solche Gelegenheiten wahrzunehmen. Die Konkurrenzfurcht ließ sie nicht ruhen, dahingehende Pläne zu bekämpfen. Privatleute hatten aber erst recht keinen Mut, die billigen Grundstücke zu erwerben. Der Zechenverwaltung konnte man daraus keinen Vorwurf machen, daß sie die ihr angebotenen Grundstücke erwarb.“

KHGalenhofAbb4 Galenhof Kaußen1118Abb. 6: „Kaußenhäuser“ auf dem Gelände des Galenhof, um 1980 abgerissenMan ließ also die Gräfte des Galenhofs zuschütten, die Wälle einebnen, die Bäume fällen. In das Burghaus baute man neun Kleinwohnungen mit je drei Zimmern ein, den Saal zu einem Schulraum für eine Kleinkinderschule um. Es entstanden zu jedem Haus hölzerne Schuppen, wie sie damals üblich und notwendig waren. Es hatte fast jeder ein Schwein dort stehen, eine
„Bergmannskuh“ (Ziege) und, natürlich, Hühner und Tauben. Noch einmal Siegler: „Als im Jahre 1897 der Schulzhof bebaut wurde und die Hohendahl-, Lindenberg-, Gottesberg- und Koppelstraße, jetzt Rathenaustraße, entstanden, wurde der bis dahin freiliegende Eingang vom Westen in die Stadt vom Volksmund ‚das schwarze Tor‘ genannt.“ Weil die Bergleute anfangs ungewaschen, d.h., schwarz, von der Arbeit nach Hause kamen.4

Bis 1967 änderte sich nichts mehr. Die Gelsenkirchener Bergwerks AG blieb Eigentümerin des Galenhofs, die von vornherein nicht gute Bausubstanz verfiel, das Wohnen genügte nicht im entferntesten modernen Ansprüchen. In diesem Jahre kaufte der Kölner Immobilienkaufmann, später „Immobilienhai“ genannte, Günter Kaußen, den Galenhof mit den Wohnungen von der damaligen Monopol Bergwerks GmbH (in Kamen und Bergkamen insgesamt 1115 Wohnungen!), vermietete sie teuer, investierte aber nichts. Als 1977 „Der Spiegel“ eine Titelgeschichte über ihn brachte, geriet Kaußen unter immer stärkeren Druck. Er erhängte sich schließlich 1985 in seinem Haus in Köln.

Abb. 5 MusikschuleAbb. 7: Heute ist hier die Musikschule untergebrachtDie Stadt Kamen erkannte die Situation und kaufte Kaußen 1979 den ganzen Galenhof ab. Man wollte ihn erhalten – schließlich war es inzwischen der letzte erhaltene Burgmannshof Kamens; in den 1960er Jahren waren schon der Westerholtsche, der Kappenberger und der Reck-zu-Recksche Hof abgebrochen worden –, das ging aber nur, wenn man einen neuen Verwendungszweck für ihn fand. Das Gebäude wurde abgetragen, was weiter verwendet werden konnte, sorgfältig numeriert und in den Neubau (so muß man den heutigen Galenhof wohl bezeichnen) integriert. Heute ist die Musikschule der Stadt Kamen darin untergebracht. Die alten, maroden Zechenhäuser wurden ebenfalls abgerissen und durch modernen Ansprüchen genügende Wohnhäuser ersetzt.

Manche Kamener Gästeführer weigern sich, den Galenhof in ihre Stadtführungen aufzunehmen, weil an ihm nichts mehr original sei. Doch original oder nicht – es gibt kein zweites Gebäude in unserer Stadt, das überhaupt noch einen Eindruck vermitteln kann, was man sich unter einem Burgmannshof eigentlich vorzustellen hat, und der Galenhof hat sich in der äußeren Form nicht verändert. So sah der größte der Kamener Burgmannshöfe einmal aus.

Abb. 6 Wohnhauser GalenhofAbb. 8: Neue Wohnbebauung GalenhofWas zu Beginn Kamens großer Vorteil gewesen war, nämlich gut ausgebauter Sitz von 10 Burgmannshöfen zu sein, erwies sich im 20. Jh. als wesentlicher Nachteil für die Stadtentwicklung. Jeder dieser Burgmannshöfe verfügte über ein großes Grundstück, das außerdem durch Gräfte und Wall befestigt war. Damit stand relativ viel Grund für die allgemeine Stadtentwicklung nicht zur Verfügung, war ihr im Gegenteil durch die Bebauung mit billigen Zechenhäusern entzogen. Dadurch konnten sie erst sehr spät für eine der ganzen Stadt dienende Bebauung verwendet werden, eine modernen Ansprüchen genügende Bebauung auf dem Galenhof, nach zweimaligem Scheitern scheint jetzt das Kamen-Quadrat eine dauerhafte Verwendung des Vogelhofes zu gewährleisten, der Rungenhof beherbergt das Gymnasium. In jedem Fall aber entwickelten sich diese Gelände nicht organisch, immer mußte reagiert werden.

1 Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang, was es mit dem „Rungenhof“ auf sich hat. Vermutlich war das einer der ersten, wenn nicht der erste Burgmannshof, ein gutes Stück außerhalb der frühen Stadt, im Verlaufe der dritten Entwicklungsphase „eingemeindet“. Möglicherweise war er ursprünglich zum Schutz des Ostentores gebaut worden, das aber nicht besonders geschützt zu werden brauchte, da die Straße nach Hamm (Derner Straße) sicher war: dort residierte der Graf von der Mark.
Eine weitere Möglichkeit, warum es über den Rungenhof keine Erkenntnisse gibt: er lag ursprünglich ein Stück weit draußen, außerhalb der engeren Bebauung. Als die Stadtmauer gebaut wurde, erschien es unzweckmäßig, sie wegen des Rungenhofs so weit nach außen zu führen: zu lang, daher schwerer zu verteidigen, zu teuer, zusätzliche Sicherheit wg. der märkischen Residenzstadt Hamm war bereits vorhanden, daher wurde der Rungenhof nicht mehr benötigt und abgerissen.
Pröbsting erwähnt 1901 den Rungenhof in einem Atemzug mit dem Galenhof und dem von der Reckschen Hof (=Vogelhof). Desgl. Siegler 1926.
Um 1900 wurde das freie Gelände von der Zeche gekauft und mit Zechenwohnungen bebaut.

2 spätlateinisch für Kastell, Wachturm; die Germanen hatten keine Städte

3 spätl.„burgus“ + althochdeutsch „waere/waran“ = wehren, verteidigen.

4 Akziseinspektor = Steuerinspektor; die Akzise war eine Verbrauchs– und Verkehrssteuer, die erhoben wurde z.B. von Kaufleuten, die zum Kamener Markt wollten, um ihre Waren anzubieten

5 Nach demselben Prinzip verfuhren die Kamener auch im Falle der Anfang der 1920er Jahre gebauten Hindenburgsiedlung, der Kolonie im Bereich der Lüner Höhe, die von den Kamenern nur „Negerdorf“ genannt wurde.

Bildquellen:
Abb. 1: Stoob, Städteatlas Kamen, bearb. von Klaus Holzer
Abb. 2, 3, 5 & 6: Stadtarchiv
Abb.: 4, 7 & 8: Photos Klaus Holzer

Klare Botschaft: Kamener wollen ihren roten Riesen besteigen

am . Veröffentlicht in Stadtgeschichte

monopol2 918AGFördermitglied Thomas Patzelt (l.) führte die Besucher am Tag des offenen Denkmals auch die mächtigen Aufzugräder der Schachtanlage Grillo vor Augen.

monopol1 918AGvon Alex Grün

Kamen. Die Kamener stehen nicht nur auf ihren Monopol-Förderturm, sie wollen ihn sogar wortwörtlich erklimmen. Diese Botschaft war am Sonntag beim Tag des offenen Denkmals auf dem Monopol-Gelände eindeutig.

"Das haben wir von ganz vielen Besuchern gehört", erklärt Bastian Nickel vom Förderverein Monopol, welcher unter der Schirmherrschaft der Stiftung Industriedenkmal zum zweiten Mal im Schatten des Kamener Wahrzeichens stattfand. Viele der rund 300 Besucher, die sich auf den Weg gemacht hatten, um ein Stück Kamener Industriegeschichte hautnah zu erleben, hätten den Wunsch geäußert, ihren rostroten Riesen zumindest bis zum ersten Absatz besteigen zu können. "Wir wollen den Turm begehbar machen" - das ist auch die klare Ansage von Thomas Patzelt vom Förderverein, die er den Besuchern auf den Führungen durch die Werksanlagen von Schacht Grillo mit auf den Weg gab, und der sich der Verein unsisono anschließt. "Natürlich ist das einfacher gesagt als getan", gibt Monopol-Mitglied Manfred Wiedemann zu, "ein Aufzug bis zum ersten Absatz ist ja vorhanden, und das mit dem Strom würden wir auch hinkriegen". Es sei in erster Linie eine Frage der Materialsubstanz und der Sicherheit der Besucher, den Turm tatsächlich begehbar zu machen. Doch der Wille ist da - nicht nur seitens des Fördervereins, sondern ganz offenbar auch der der Kamener. Ein nächster Schritt in diese Richtung müsse sein, Stadt und Stiftung gleichermaßen für das Projekt zu gewinnen, so Wiedemann. Mit der Resonanz sind die Veranstalter mehr als zufrieden: Der Andrang war so groß, dass die beiden Fördermitglieder und ehrenamtlichen "Touristenführer" Thomas Patzelt und Uwe Klose sogar zusätzlich Führungstermine einschoben. Regen Zulaufs erfreute sich auch der Eltern-Kind-Schmiedekurs, bei dem sich rund ein Dutzend Eltern-Kind-Paare in die Kunst des Messerschmiedens einweisen ließen, ebenso wie der Stand von Imker Heinrich Behrens, der sich als zusätzlicher Publikumsmagnet bewährte. Schon im letzten Jahr war, auch im Rahmen des Schachtfestes, unerwartet viel los auf dem Monopol-Gelände, der Erfolg wurde in diesem Jahr noch "getoppt". Für Bastian Nickel vom Förderverein steht eine erneute Beteiligung des Fördervereins Monopol am Tag des offenen Denkmals im Jahr 2019 daher jetzt schon fest.

Beschreibung
Bei dem Fördergerüst über Schacht 1 handelt es sich um ein zweigeschossiges Einstrebengerüst von 1966-67. Es wurde als Dreibock mit angehängtem Führungsgerüst ausgeführt. Diese Konstruktion steht für die letzte Entwicklungsphase von Seilstützkonstruktionen im Ruhrgebiet. Das Fördergerüst Schacht Grillo zählt zu den wenigen, noch erhaltenen Beispielen dieser vergleichsweise jungen Bauart.

Archiv: Tag des offenen Denkmals auf dem ehemaligen Monopol Zechengelände

Zechenturm gehen die Töne des Seilfahrt Musik-Festivals durch Mark und Bein