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Riesiges StVO-Chaos: Handy am Steuer wieder erlaubt?

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in "Darf ich?"

darf ich500Titel "Darf ich?" enthält Datei: #166484651 | © pixelkorn / Fotolia.comvon Julian Eckert

Kamen/Berlin. In unserer Artikelserie „Darf ich?“ haben wir bereits mehrfach über das Chaos in der neuen StVO-Bußgeldverordnung berichtet. Nach neuesten Erkenntnissen könnte das Chaos sogar noch größer sein. Womöglich sind alle Bußgeldkataloge seit 1970 ungültig. Folge wäre unter anderem: Telefonieren am Steuer wäre erlaubt.

Neuer Bußgeldkatalog 2020

Lange hatte es gedauert, bis Bund und Länder sich gemeinsam auf einen neuen Bußgeldkatalog geeinigt hatten. Am 28. April diesen Jahres trat dann nach schwierigen Verhandlungen eine Novelle in Kraft, die für Bund und Länder akzeptabel war. Darin war unter anderem vorgesehen, dass beim Nichtbilden der Rettungsgasse ein Bußgeld von 240 Euro anfällt. Weiter sollten Fahrradfahrer besser vor dem zu schnellen Rechtsabbiegen von LKW geschützt werden - wer mit mehr als Schrittgeschwindigkeit abbog, sollte 70 Euro zahlen und einen Punkt bekommen.

Kurz nachdem die StVO-Novelle beschlossen und in Kraft getreten war, nannte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die härteren Strafen selbst „unverhältnismäßig“. Was dann geschah, scheint ihm geradezu in die Karten gespielt zu haben: im neuen Bußgeldkatalog entdeckte der ADAC einen Formfehler. Dieser führte dazu, dass die härteren Strafen außer Kraft gesetzt wurden und die Straßenverkehrsämter eingezogene Führerscheine wieder zurückgaben. Angewendet wird aktuell eine ältere Version des Bußgeldkatalogs. Parallel wird zwischen Bund und Ländern erneut nach einem Kompromiss gesucht, was sich als überaus schwierig erweist. Mehrere Bundesländer sehen keine Veranlassung dazu, inhaltlich etwas an dem neuen Bußgeldkatalog zu verändern. Schließlich habe man sich auf diese Fassung erst nach langen Verhandlungen einigen können. Andreas Scheuer möchte aber die seiner Meinung nach „unverhältnismäßigen“ Sanktionen abmildern und nicht bloß den Formfehler beheben. Eine Lösung dieses Problems ist derzeit nicht in Sicht.

Neue Erkenntnisse: Auch frühere Novellen unwirksam?

Ein aktueller Brief aus dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg an Scheuers Ministerium bringt nun zusätzlich Brisanz in das Thema. Darüber berichteten der Spiegel und die Neue Osnabrücker Zeitung. Demnach haben Juristen des baden-württembergischen Verkehrsministerium herausgefunden, dass auch zahlreiche frühere StVO-Bußgeldnovellen unwirksam seien. Sie litten alle an demselben Formfehler, wie die aktuelle Novelle.

Rechtlicher Hintergrund zum Erlass von Verordnungen

Im Kern geht es rechtlich um folgendes Problem: Um der in Deutschland geltenden Gewaltenteilung Genüge zu tun, werden Gesetze in aller Regel von dem durch die Bürger gewählten Parlament beschlossen. Bei der StVO und dem zugehörigen Bußgeldkatalog handelt es sich jedoch jeweils um eine Verordnung - also ein Gesetz in nur materiellen Sinn. Dies bedeutet, dass die Verordnungen nicht durch ein Parlament beschlossen, sondern durch das Bundesverkehrsministerium - also eine Verwaltungsbehörde - erlassen wurde. Um dem Grundsatz der Gewaltenteilung Genüge zu tun, dürfen Verwaltungsbehörden Verordnungen nur dann erlassen, wenn sie dazu vom parlamentarischen Gesetzgeber ermächtigt wurden. Diese Ermächtigungsgrundlage muss sodann in der Verordnung von der Verwaltungsbehörde exakt erwähnt („zitiert“) werden. Diese exakte Zitierung soll nach neuesten Erkenntnissen in zahlreichen StVO-Bußgeldverordnungen gefehlt haben.

Folge: Verbotenes nun wieder erlaubt!?

Wenn sich die Rechtsauffassung des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg als zutreffend erweisen sollte, hätte dies drastische Konsequenzen. Sämtliche Bußgeldkataloge seit 1970 dürften nicht mehr angewendet werden. Unwirksam wäre also insbesondere auch die nach dem Bekanntwerden des Zitierfehlers in der 2020er-Novelle aktuell angewendete ältere Fassung. Vielmehr würde nun der letzte Bußgeldkatalog angewendet werden, in dem korrekt zitiert wurde. Dies ist der Bußgeldkatalog, der 1970 unter Bundesverkehrsminister Georg Leber (SPD) in Kraft trat. Kurzum: Es würde also heute wieder das Recht von 1970 gelten. All dasjenige, was damals nicht sanktioniert wurde, wäre im Straßenverkehr wieder erlaubt. Man dürfte also als Fahrer, ohne eine Strafe zu fürchten, am Steuer mit dem Handy telefonieren. Auch müsste man seine Kinder nicht mehr auf dem Kindersitz anschnallen. Elektroscooter dürften im Straßenverkehr nicht mehr betrieben werden, da sie 1970 noch nicht vorgesehen und erlaubt waren. Das Chaos und die Rechtsunsicherheit sind enorm. Verkehrsrechtsanwälte machen bereits darauf aufmerksam, dass Autofahrer gegen Punkte in Flensburg vorgehen könnten, die sie nach der Rechtslage von 1970 nicht bekommen hätten. Auf Anfrage des Spiegel erklärte das Bundesverkehrsministerium, dass die Novelle von 2013 unter Minister Peter Ramsauer (CSU) „nicht an einem Zitierfehler“ leide und daher anzuwenden sei. Die Juristen des baden-württembergischen Verkehrsministerium finden in ihrem Brief an Scheuer hingegen drastische Worte: Er solle zeitnah und „vor allem (einen) sorgfältig gefassten Neuerlass“ vorlegen.

Neue Änderungen in Gesetzen & Co. im September

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in "Darf ich?"

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Kamen. Neuigkeiten im Bereich von Gesetzen & Co.: Im September wird die erste Rate des Kinderbonus in Höhe von 200,- Euro pro Kind ausgezahlt. Außerdem hat die Bundesregierung weitere Neuerungen zur Abmilderung der Corona-Folgen beschlossen. Die Bahn kündigt zudem mehr Masken-Kontrollen an.

Auszahlung des Kinderbonus startet

Um die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie für Familien abzumildern, hatte die Bundesregierung beschlossen, einen sogenannten „Kinderbonus“ auszuzahlen. Die Auszahlung dieser Sonderzahlung beginnt nun im September. Sie erfolgt automatisch und bedarf keines Antrages. Der Bonus wird für jedes Kind ausgezahlt, das im Jahr 2020 in mindestens einem Monat einen Anspruch auf Kindergeld hat - auch für Kinder, die dieses Jahr erst noch geboren werden. Er beträgt 300,- Euro pro Kind. Im September erfolgt die erste ratenweise Auszahlung in Höhe von 200,- Euro. Die verbleibenden 100,- Euro werden sodann im Oktober 2020 ausgezahlt. Beide Auszahlungen erfolgen nicht gemeinsam mit dem Kindergeld, sondern als eigene Zahlung. Die genauen Auszahlungstermine richten sich nach der Endziffer der Kindergeldnummer (z.B. xxxFKxxxxx9 - Endziffer 9):

Endziffer 0: 7. September, Endziffer 1: 8. September, Endziffer 2: 9. September, Endziffer 3: 10. September, Endziffer 4: 11. September,, Endziffer 5: 14. September, Endziffer 6: 16. September, Endziffer 7: 18. September, Endziffer 8: 21. September, Endziffer 9: 22. September. Der Bonus wird bei Sozialleistungen nicht als Einkommen berücksichtigt.

Kurzarbeit verlängert

Die Bundesregierung hat am 26.08. beschlossen, die Kurzarbeit von 12- auf nunmehr 24 Monate zu verlängern. Damit folgte sie einem Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der Mitte August für diese Ausweitung plädiert hatte. Durch das Kurzarbeitergeld soll verhindert werden, dass Unternehmen ohne oder mit weniger Aufträgen ihre Mitarbeiter entlassen müssen. Der Staat übernimmt beim Kurzarbeitergeld bis zu 87 Prozent des regulären Lohnes. Des Weiteren wurde beschlossen, dass Arbeitgeber sich die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge vollständig erstatten lassen können.

Kostenloses Mittagessen für Kinder

Kinder ärmerer Eltern sollen nach einem Beschluss der Bundesregierung bis zum 31. Dezember diesen Jahres kostenloses Mittagessen erhalten, wenn ihre Schule oder Kita infolge der Coronapandemie geschlossen wurde.

Mehr Masken-Kontrollen in Fernzügen der DB

Die Deutsche Bahn AG hat angekündigt, ihr Sicherheitspersonal für die Kontrolle der Einhaltung der Maskenpflicht in Fernverkehrszügen von bisher 60 Personen auf über 120 mehr als zu verdoppeln. Täglich sei es die ausschließliche Aufgabe dieser Mitarbeiter, die Fahrgäste auf die Beachtung der Maskenpflicht und die korrekte Tragart der Maske (Mund- und Nase müssen bedeckt sein) hinzuweisen.

Am 25.08. hatte NRW-weit eine Schwerpunktkontrolle zur Einhaltung der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr stattgefunden. Dabei waren an diesem einen Tag 1.707 Verstöße gegen die Maskenpflicht festgestellt worden.

Bereits der erste Verstoß gegen die Maskenpflicht kostet in NRW derzeit 150,- Euro, außerdem muss der Fahrgast an der nächsten Haltestelle aussteigen. Möglicherweise wird das Bußgeld auch in NRW noch erhöht. Bayern hatte am 25.08. das Bußgeld für den Erstverstoß auf 250,- Euro, im Wiederholungsfall auf 500,- Euro erhöht.

Überbrückungshilfe für Studierende verlängert

Infolge der Coronapandemie besonders betroffene Studierende können bereits eine Überbrückungshilfe in Höhe von 100,- bis 500,- Euro bei den Studierendenwerken beantragen. Die Möglichkeit der Antragstellung wurde jetzt auf bis Ende September verlängert. Sie erfolgt online unter www.überbrückungshilfe-studierende.de.

TSE-Kassensysteme: Überbrückungsfrist verlängert

Die manipulationsfeste Ausrüstung von Kassensystemen (TSE) wurde in NRW zum 31.03.2021 verlängert. Außerdem sind die Umrüstungskosten nun in voller Höhe als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar.

Waffenrecht: Große Magazine verboten

Eine Änderung betrifft das Waffengesetz. Zukünftig gelten bestimmte große Magazine verbotene Gegenstände, außerdem soll die Nachverfolgbarkeit im nationalen Waffenregister verbessert werden.

Über weitere gesetzliche Neuerungen informieren wir spätestens Ende September wieder im Rahmen unserer Artikelserie zum Thema Recht: „Darf ich…?“.

Diese neuen Corona-Regeln gelten ab September

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in "Darf ich?"

Maskenentscheidung aus DUS820CVAb Dienstag, 01.09. wird in NRW die Tragepflicht einer Mund-Nasen-Bedeckung im Schulklassenzimmer ausgesetzt. Foto: Christoph Volkmer für KamenWeb.devon Julian Eckert

Kamen/Düsseldorf/Berlin. Nachdem sich am gestrigen Donnerstag (27.08.) die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie abgesprochen hatten, sind die Neuerungen für NRW bekannt. Wir haben den Überblick.

Maskenpflicht in Schulklassen

Ab Dienstag, 01.09. wird in NRW die Tragepflicht einer Mund-Nasen-Bedeckung im Schulklassenzimmer ausgesetzt. Noch vor einer Woche waren drei Schüler mit einem Eilantrag gegen die Maskenpflicht im Klassenraum vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gescheitert. Der Nachrichtenagentur AFP sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU): „Das Geschehen in den Schulen ist das Argument, jetzt davon Abstand nehmen zu können.“ Er verteidigte zugleich die Entscheidung, landesweit nach den Sommerferien zunächst eine Tragepflicht auch im Klassenzimmer eingeführt zu haben. Für die Abschaffung der Maskenpflicht innerhalb des Klassenzimmers gibt es nun Kritik, unter anderem von den NRW-Grünen: Die Herausforderungen im Schulbetrieb seien lange nicht gelöst, oftmals säßen die SchülerInnen ohne ausreichenden Abstand in schlecht zu lüftenden Räumen.

Weiterhin gelten wird auch im September, dass die Maske außerhalb des Unterrichts, z.B. im Innern des Schulgebäudes, getragen werden muss.

Bußgelder für Maskenverweigerer

Bund und Länder (mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt) haben sich darauf geeinigt, dass bundesweit ein Mindestbußgeld von 50,- Euro bei Verstößen gegen die Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr fällig werden soll. NRW bleibt bei seiner bisherigen „Null-Toleranz-Strategie“ mit einem Bußgeld in Höhe von 150,- Euro sofort ab dem ersten Verstoß.

Großveranstaltungen

Nach den Bund-Länder-Beratungen sollen Großveranstaltungen bis Jahresende nicht stattfinden. NRW weicht hiervon zum Teil ab. Großveranstaltungen ab 1.000 Teilnehmenden sollen demnach in Zukunft nicht mehr nur durch die kommunale Behörde genehmigt werden, sondern bedürfen der Absprache mit dem Land. Pflicht ist ein Hygienekonzept. Betroffen von den Restriktionen sind unter anderem die traditionellen Weihnachtsmärkte. Inzwischen wurde der berühmte Markt am Kölner Dom bereits abgesagt, ebenso die Märkte in den LWL-Freilichtmuseen Hagen und Detmold. Essen und Düsseldorf planen derzeit, einen Weihnachtsmarkt auszurichten - Dortmund, Aachen und Münster sind noch unentschlossen.

Private Feiern

Die Bund-Länder-Beratungen haben im Bereich der privaten Feiern keinen Konsens ergeben. Zwischen den MinisterpräsidentInnen gab es hier offensichtlich zu unterschiedliche Auffassungen. Laschet begründete die in NRW weiterhin geltende vergleichsweise freie Regelung damit, dass man „bei sinkenden Corona-Infektionszahlen“ nicht weiter in den privaten Bereich der Menschen eingreifen wolle. In NRW sind private Feiern mit bis zu 150 Personen erlaubt. Der Ministerpräsident appellierte allerdings, in jedem Fall genau abzuwägen, ob die Feier notwendig sei.

Corona-Tests für Reiserückkehrer

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte bereits angekündigt, dass er die kostenfreie Testmöglichkeit für Reiserückkehrer wieder einschränken will. Nach den gestrigen Beratungen steht fest, dass es so auch tatsächlich ab dem 1. Oktober kommen soll. Wer aus einem Risikogebiet einreist, muss sich zunächst in mindestens fünftägige häusliche Quarantäne begeben. Erst am fünften Tag kann ein Corona-Test durchgeführt werden - wenn er negativ ausfällt, kann die Quarantäne enden. Für die Dauer der Quarantäne sollen Betroffene keine Entschädigungen oder Lohnfortzahlung erhalten. Die Einhaltung der Quarantäne soll stärker als bisher kontrolliert werden. Bereits heute kann ein Verstoß gegen angeordnete Quarantäne zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einem hohen fünfstelligen Bußgeld geahndet werden.

Für Einreisende aus einem Nichtrisikogebiet soll ab dem 15. September die Möglichkeit der freiwilligen kostenlosen Testung entfallen.

Der Chef des Flughafens Düsseldorf, Thomas Schnalke, kommentierte das bevorstehende Ende der Tests wie folgt: „Wir bedauern die Pläne der Politik und sehen keine Veranlassung, eine Testpflicht für Einreisende aus Risikogebieten in eine Quarantänepflicht umzuwandeln.“ Aus seiner Sicht sei dies ein falsches Signal an die Passagiere und ein Rückschlag für die gesamte Luftverkehrsbranche. „Gemeinsam mit den zuständigen Behörden und unseren Partnern haben wir seit Juli die Infrastruktur für ein leistungsstarkes Corona-Testzentrum am Flughafen Düsseldorf geschaffen. Davon haben allein seit dem 1. August über 30.000 Passagiere profitiert.“

Zusätzliche Krankentage für Eltern

Gesetzlich versicherte Eltern erkrankter Kinder sollen in Zukunft fünf zusätzliche eigene Krankentage für die Betreuung erhalten. Bei Alleinerziehenden sollen es zehn Tage sein.

Selbstjustiz nach RTL-Beitrag: Unschuldiger 53-Jähriger brutal verprügelt

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in "Darf ich?"

von Julian Eckert

Bremen. Das Bremer Landgericht hat am Dienstag (25.08.) einen 29-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe verurteilt. Er hatte gemeinsam mit fünf weiteren Mittätern einen heute 53-Jährigen brutal verprügelt, nachdem er ihn in einem RTL-Beitrag über Pädophile erkannt haben will.

RTL-„Punkt 12“, Mitte Juni 2018

Am 12. Juni 2018 zeigte der Kölner Privatsender RTL in seiner TV-Sendung „Punkt 12“ einen Beitrag mit dem Titel „Pädophile und ihre neue Masche“. Darin wollte ein RTL-Reporter vermeintliche Pädophile enttarnen und ihre „neue Masche“ aufdecken. Dazu wolle man gemeinsam mit einer „Expertin“ ein „Experiment“ durchführen: Getarnt als 13-jähriges Mädchen sollte eine jung aussehende, volljährige Frau als Lockvogel mit einem angeblich pädophilen Mann in Kontakt treten. Es sollte dann ein Treffen zwischen beiden verabredet werden, bei dem der angeblich Pädophile enttarnt werden sollte. So geschah es: zum verabredeten Zeitpunkt wartete ein Kamerateam nahe eines Bremer Einkaufszentrums auf den vermeintlichen Pädophilen. In dem ausgestrahlten und inzwischen online nicht mehr verfügbaren TV-Bericht war ein Mann zu sehen, der vor dem Einkaufszentrum hin- und herlief, aber nichts kaufte. „Er ist verdächtig“, stellte der RTL-Reporter in dem Beitrag fest. Das Kamerateam verfolgte den nur wenig verpixelten Mann zu einem Wohnkomplex, der ebenfalls von RTL nur sehr spärlich verpixelt worden war. Wie sich später herausstellen sollte, war der Verfolgte ein 28-jähriger nicht pädophiler Mann.

Rüffel für RTL von der Aufsichtskommission

Für diesen TV-Beitrag kassierte RTL im September 2018 einen Rüffel der Medienanstalten - Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK). Diese warf dem Kölner Sender vor, die Persönlichkeitsrechte der gezeigten Personen nicht ausreichend gewahrt zu haben. RTL habe durch den Beitrag gegen den journalistischen Grundsatz der gebotenen Anonymisierung (Ziffer 8 des Pressekodex) verstoßen. RTL wies den Rüffel zurück und teilte mit, man habe die „journalistische Sorgfaltspflicht in jeder Hinsicht wahrgenommen.“ So seien in dem Beitrag keinerlei Hinweise auf den Ort oder eine vermeintliche Adresse des mutmaßlich Pädophilen – etwa Straßennamen oder Hausnummern – gezeigt worden.

Noch während „Punkt 12“ lief: Attacke auf Unschuldigen

Die zweistündige RTL-Sendung „Punkt 12“ war noch nicht zu Ende, da versammelten sich vor dem bei RTL gezeigten Wohnkomplex etwa 20 Personen, die den vermeintlichen Pädophilen erkannt haben wollen. Sechs der anwesenden Personen klingelten sturm und gelangten in den Hausflur. Es ist der heute 53-jährige Ralf M., den die Personen als den bei RTL gezeigten Mann identifiziert haben wollen. Der damals 50-Jährige ist allerdings weder der bei RTL gezeigte 28-Jährige, noch ist er pädophil. Doch die sechs in den Hausflur befindlichen Personen meinten, es handele sich bei Ralf M. um den gezeigten Pädophilen. Nachdem sie seine Wohnungstür ausfindig gemacht und eingetreten hatten, prügelten die sechs Täter brutal auf den damals 50-jährigen Ralf M. ein. Dieser erlitt Gesichts- und Schädelknochenbrüche sowie eine Hirnblutung.

Selbstjustiz vor Gericht

Mit jener Attacke des Lynchjustiz-Mobs hatte sich diese Woche das Landgericht Bremen zu befassen. Trotz umfangreicher Ermittlungen war es nicht gelungen, fünf der sechs Personen zu ermitteln. Und so saß lediglich einer der Täter vor Gericht, der sich nach der Attacke der Polizei gestellt hatte. Das Landgericht befand den 29-Jährigen einer gefährlichen Körperverletzung schuldig und verurteilte ihn zu einem Jahr Haft auf Bewährung. Außerdem muss er 3.200,- Euro Schmerzensgeld an Ralf M. zahlen.

Die Richter bescheinigten der RTL zudem ein „fahrlässiges“ Vorgehen in dem TV-Bericht. Auch die Anwälte von Opfer und Täter sehen eine Verantwortung bei RTL: Ralf M.s Anwalt nannte den Bericht einen „Aufruf, die Sache selbst in die Hand zu nehmen", der Anwalt des Täters sprach von „Feuer“, das von RTL gelegt worden sei. Der TV-Sender teilte mit: „RTL verurteilt den brutalen Akt der Lynchjustiz in Bremen auf das Schärfste.“ Eine erhebliche Mitschuld an der Tat müsse man jedoch „als unbegründet zurückweisen“, ebenso eine Schmerzensgeldzahlung an Ralf M.

„Darf ich…“ wegen Teilnahme an der Anti-Corona-Demo fristlos entlassen werden?

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in "Darf ich?"

darf ich500Titel "Darf ich?" enthält Datei: #166484651 | © pixelkorn / Fotolia.comDer Fall des Basketballspielers Joshiko Saibou

von Julian Eckert

Bonn/Berlin. Der Basketball-Proficlub „Telekom Baskets Bonn“ hat kürzlich seinen Spieler Joshiko Saibou fristlos entlassen, nachdem dieser am Wochenende an der Anti-Corona-Demonstration in Berlin teilgenommen hatte. Jetzt wird der Fall wohl vor dem Arbeitsgericht landen. Wir fragen: „Darf ich…“ wirklich wegen einer Demo-Teilnahme gekündigt werden?

Der Verein „Telekom Basktes Bonn“

Der Bonner Profi-Basketballverein zählt zu den erfolgreichsten deutschen Mannschaften und war achtmal Finalteilnehmer in der Basketball-Bundesliga. Im vergangenen Sommer wechselte der 1990 in Berlin geborene Nationalspieler Joshiko Saibou zu dem Bonner Club und erhielt einen Vertrag, der eigentlich bis Sommer 2021 laufen sollte. Eigentlich, denn der Spieler wurde vom Verein im August 2020 fristlos gekündigt.

Teilnahme an Anti-Corona-Demonstration

„Ich habe gestern einen Anruf bekommen, dass mir fristlos gekündigt wurde, weil ich privat an einer Demonstration in Berlin teilgenommen habe“, erklärte Saibou auf seinem Instagram-Account. Für ihn sei dies eine unglaubliche Sache, da er zwar Basketballspieler, aber „in erster Linie ein Mensch“ sei mit dem „Recht auf eine freie Meinung“. Sein ehemaliger Arbeitgeber begründet die Entlassung mit „Verstößen gegen Vorgaben des laufenden Arbeitsvertrags als Profisportler“. Club-Geschäftsführer Wolfgang Wiedlich sagte, dass die Vereine der Basketballbundesliga derzeit akribisch an Hygienekonzepten für Zuschauer in der nächsten Saison und Arbeitsschutzrichtlinien für die Aktiven arbeiteten. Deshalb könne man ein „permanentes Infektionsrisiko, wie es der Spieler Saibou darstellt, weder gegenüber seinen Arbeitskollegen in unserem Team noch gegenüber anderen BBL-Teams im Wettkampf verantworten“, so Wiedlich. 

Während Virologen in Massenveranstaltungen wie Demonstrationen insbesondere bei Missachtung von Abstands- und Maskenvorschriften die Gefahr der Masseninfizierungen sehen, stieg die Zahl der Neuinfizierten am Donnerstag auf 1.045 - der höchste Wert seit Mai.

Saibous Meinung zur Corona-Pandemie

Die Unstimmigkeiten zwischen Spieler und Basketballclub bestanden nach Medienberichten wohl nicht erst seit dem Wochenende, an dem in Berlin die Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen mit 17.000 Teilnehmern stattfand, an der auch Saibou teilgenommen hatte. Bereits im Mai diesen Jahres hatte Saibou ein Video veröffentlicht, in dem er seine Sicht zur Corona-Pandemie erläuterte. Bereits damals hatte sich Wiedlich im Namen des Vereins von Saibous Aussagen distanziert. Auch Saibous Freundin Alexandra Wester, ebenfalls Profisportlerin, war neulich aufgefallen, als sie über Instagram ein englischsprachiges Video veröffentlichte, in dem sie vor einem „Impfzwang“ warnte, von Anwälten und Ärzten sprach, die wegen „Einsatzes für Menschenrechte in Gefängnispsychiatrien“ landeten und von einer „Horrordroge“ erzählte.

Bei der in Berlin stattgefundenen Demonstration am vergangenen Wochenende waren Saibou und seine Freundin mit dabei und - das wirft ihm der Bonner Basketballverein vor - Saibou soll sich dabei nicht an die bekannten Schutzregeln gehalten haben. Saibou selbst hatte Bilder von der Demo in sozialen Netzwerken geteilt, auf denen er ohne Maske zu sehen war. Zuvor hatte er bereits Aufnahmen von sich und seiner Freundin geteilt, auf denen er in der Bahn oder im Fitnessstudio zu sehen war - jeweils ohne Mund-Nasen-Schutz.

Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit verletzt?

Der Basketballverein wirft Saibou nicht vor, seine persönliche Meinung geäußert oder an einer Versammlung teilgenommen zu haben. Diese Grundrechte stehen schließlich auch nicht zur Disposition eines Arbeitgebers. Der Verein rügt vielmehr, dass Saibou seiner vertraglich vereinbarten Sorgfaltspflicht seinem eigenen Körper gegenüber nicht genügt habe. Niemand will Saibou offenkundig daran hindern, seine persönliche Meinung kundzutun. Er muss sich dabei nur an die geltenden Vorschriften - wie z.B. Tragen der Mund-Nase-Bedeckung - halten, auch wenn er persönlich diese inhaltlich kritisieren mag. Wer gegen die Anschnallpflicht im Auto ist, darf schließlich auch nicht ohne Gurt fahren.

Kann eine Demo-Teilnahme zur fristlosen Kündigung führen?

Diese Frage ist unter Juristen umstritten. Während einige die Verletzung der arbeitsvertraglichen Sorgfaltspflicht bei Profisportlern als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung ansehen, verlangen andere zunächst eine Abmahnung. Dafür sprechen, dass das Verhalten eine sofortige fristlose Kündigung rechtfertigen kann, könnte folgender Aspekt: Mit der Teilnahme an einer Großdemonstration ohne Tragen einer vorgeschriebenen Mund-Nase-Bedeckung oder Abstandhalten setzt sich ein Sportler bewusst nicht nur selbst einer potenziell tödlichen Infektionsgefahr aus, sondern gefährdet Mitspieler, sportliche Gegner, Fans und den Start bzw. Betrieb der gesamten Basketball-Bundesliga. Vereins-Sportmanager Michael Wichterich sagte jüngst, dass ohne Rückkehr in den Spielbetrieb dem Verein das Aus drohe. Wer in der Sache nun Recht bekommt, dürfte wohl bald ein Arbeitsgericht entscheiden: Saibous Ex-Verein rechnet damit, dass der Fall dort landen wird.